Katjes-Urteil: BGH verbietet Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 15. Juli 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten
Immer öfter wird mit dem Begriff „klimaneutral“ geworben. Doch was bedeutet „klimaneutral“ überhaupt? Über eine Gerichtsverhandlung des Bundesgerichtshofs hierzu haben wir im April berichtet. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof in der Sache entschieden (BGH I ZR 98/23). Wir erläutern Ihnen die Urteilsgründe, welche die feine Grenze zwischen zulässiger Werbung und unlauterem „Greenwashing” aufzeigen.


Katjes wirbt mit „klimaneutralen“ Fruchtgummis

Beklagte des Verfahrens war der Süßwarenhersteller Katjes, welcher seine veganen Fruchtgummis „GRÜN-OHR-HASE“ in einer Fachzeitung mit der Aussage beworben hatte, er produziere seit 2021 alle Produkte klimaneutral. Daneben war ein Logo mit dem Begriff „klimaneutral“ platziert. Die sog. „Klimaneutralität“ der Fruchtgummis entsteht jedoch allein dadurch, dass Katjes Kompensationszahlungen leistet. Die Produktion selbst läuft nicht emissionsfrei ab.​
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte in der Vorinstanz entschieden, dass die Werbeaussage nicht irreführend sei. Dem Verbraucher sei klar, dass Klimaneutralität sowohl durch Vermeidung von Emissionen als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne und schließlich habe Katjes über die Art der durchgeführten Maßnahmen auf ihrer Internetseite ausreichend aufgeklärt.

Näheres zum Sachverhalt und zur Entscheidung des OLG Düsseldorf lesen Sie in unserem Artikel vom 19. April 2024​.

BGH: Katjes-Werbung ist irreführend

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf nunmehr aufgehoben. Für die Be​­ur­teilung umweltbezogener Werbeaussagen würden besondere rechtliche Maßstäbe gelten. Dies habe das OLG Düsseldorf nicht ausreichend berücksichtigt.

Entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu gesundheitsbezogener Werbung würden die dabei geltenden strengen Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage regelmäßig auch für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen gelten. Denn aufgrund der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als wertvolles und schutzbedürftiges Gut habe sich zunehmend ein verstärktes Umweltbewusstsein entwickelt. Der Verkehr bevorzuge vielfach Waren und Leistungen, die mit besonderer Umweltverträglichkeit beworben würden. Hinzu komme, dass sich Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, als besonders geeignet erweisen würden, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, die von einer Besorg­nis um die eigene Gesundheit bis zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen würden.

Darüber hinaus bestünden nicht selten Unklarheiten über die Bedeutung und den Inhalt der bei umwelt­bezogener Werbung verwendeten Begriffe, z. B. „umweltfreundlich“ oder „bio“. Aufgrund dessen seien strenge Anforderungen an die zur Vermeidung von Irreführung erforderlichen Hinweise zu stellen.

Dies gelte auch für die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“. Der Begriff sei mehrdeutig und könne sowohl auf eine Reduktion als auch auf eine Kompensation von CO2-Emissionen hinweisen. Allerdings gelte insoweit der „Grundsatz des Vorrangs der Reduktion gegenüber der Kompensation“.

Im konkreten Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass Katjes den Begriff „klimaneutral“ nicht auf das Unter­nehmen selbst, sondern ausdrücklich auf die Produktion ihrer Fruchtgummis bezogen habe. Deshalb sei ein (falsches) Verständnis des Begriffs „klimaneutral“ in Form von Maßnahmen zur CO2-Reduktion bereits im Produktionsprozess naheliegend.

Eine Aufklärung darüber, dass die behauptete Klimaneutralität der Katjes-Produkte durch Kompensations- und nicht durch Reduktionsmaßnahmen erreicht werde, erfolgte jedoch nicht in der angegriffenen Werbung selbst. Die bei umweltbezogener Werbung geltenden strengen Anforderungen können nach dem BGH aber nur dann erfüllt sein, wenn bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert werde, welche konkrete Bedeutung maßgeblich sei. Unerheblich sei für die Frage nach der Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG, ob das vom Wer­ben­den gewählte Kommunikationsmittel räumlich beschränkt sei. Mangels entsprechender Aufklärung in der Werbung verurteilte der BGH Katjes deshalb zur Unterlassung der angegriffenen Werbeaussage der Klima­neutralität.

Fazit: Vorsicht bei umweltbezogenen Werbeaussagen

Mit diesem Urteil dürfte es für viele Unternehmen künftig nahezu unmöglich werden, mit dem Begriff „klima­neutral“ zu werben, ohne dabei eine irreführende Handlung zu begehen. Erstmals formuliert der Bundes­gerichts­hof auch ausdrücklich den Vorrang der Reduktion vor der Kompensation. Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf die kommende Green Claims Richtlinie sollten Unternehmen genau prüfen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsbemühungen rechtssicher kommunizieren können ohne in den Verdacht des Greenwashing zu geraten.

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