Insolvenzanfechtung – BGH definiert den Begriff des unlauteren Handelns

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​​veröffentlicht am 17. Januar 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Bereits im Jahr 2017 ist das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfech­tungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz in Kraft getreten. Die sich daraus ergebenden Gesetzesänderungen in der Insolvenzordnung wurden in der Praxis gelebt und durch die Rechtsprechung im Laufe der Jahre nochmals konkre­tisiert. Fast acht Jahre nach der Reform der Insolvenzanfechtung gibt es nun auch eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Definition des „unlauteren Handelns“ im Sinne des § 142 Abs. 2 InsO (Insolvenzordnung).



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Hintergrund der gesetzlichen Regelung

Im Rahmen der Reform der Insolvenzanfechtung und der Änderungen der Vorschriften der §§ 129 ff InsO wurden auch die Regelungen zum Bargeschäft angepasst. Ein die Insolvenzanfechtung ausschließendes Bargeschäft liegt gemäß § 142 InsO vor, wenn eine Leistung des Schuldners erfolgt, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Begleicht der Schuldner beispielweise einen erfüllbaren und fälligen Anspruch auf eine von einem Geschäftspartner erbrachte Dienstleistung innerhalb von 30 Tagen nach Leistungserbringung, so handelt es sich hierbei grundsätzlich um ein Bargeschäft. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es dem Schuldner auch in der Krise möglich sein muss am Rechtsverkehr teilzunehmen und Geschäfte abzuschließen. Bis zur Reform fand die Ausnahmeregelung des Bargeschäfts nur auf die Anfechtung nach § 130 InsO und damit auf Zahlungen im Zeitraum von drei Monaten vor Antragstellung Anwendung. Mit der Reform des Insolvenzanfechtungsrechtes wurden die Regelungen zum Bargeschäft dahin angepasst, dass auch im Anwendungsbereich des § 133 InsO der Bargeschäftseinwand geltend gemacht werden kann, es sei denn der andere Teil hat erkannt, dass der Schuldner unlauter handelte (§ 142 InsO). Auf das im Gesetzge­bungs­verfahren vielfach kritisierte Merkmal der „unlauteren Handlung” wurde daher nicht verzichtet, weshalb in der Praxis mit diesem unbestimmten Rechtsbegriff unterschiedlich umgegangen wurde. 
 
In der Literatur war umstritten, wann ein unlauteres Handeln des Schuldners vorliegt. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung bestand lediglich Einigkeit darüber, dass Handlungen des Schuldners dann unlauter sind, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. Dies konnte aber nicht auf alle Einzelfälle übertragen werden, so dass diese mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung unterschiedlich behandelt wurden, was wiederum zu Unsicher­heiten führte.
 
Fast acht Jahre nach der Reform der Insolvenzanfechtung hat es nun ein Fall bis zum Bundesgerichtshof (BGH) geschafft, so dass der BGH nun Gelegenheit hatte sich in seinem Urteil vom 5. Dezember 2024 (Aktenzeichen IX ZR 122/23) zu der Definition des Tatbestandsmerkmal des unlauteren Handelns zu äußern.

  

Definition des Begriffs des unlauteren Handelns

Der BGH hatte in seinem Urteil darüber zu entscheiden, ob die Handlungen des Schuldners unlauter waren. Hierbei hat der Bundesgerichtshof in seiner in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter handelt, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt gemäß der Ausführungen des BGH in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
 
Der Bundesgerichtshof führt weiter aus, dass das Merkmal des unlauteren Handelns mehr als das Bewusstsein erfordert, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Dies ergibt sich gemäß der Ausführung des BGH gesetzessystematisch daraus, dass anderenfalls dem vom Gesetzgeber bewusst neu eingeführten Tatbestandsmerkmal unlauteren Handelns kein eigenständiger Regelungsgehalt, neben den für den Ausschluss eines Bargeschäfts weiterhin vorgesehenen Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zukäme.

  

Fallbeispiele für das Vorliegen unlauteren Handelns

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Urteilsbegründung verschiedene Fallbeispiele für ein unlauteres Verhalten des Schuldners gebildet:

  • Wenn die Gegenleistung den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen kann, etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder der Abstoßung von für die Betriebsfortführung notwendigem Vermö­gen, wenn der Schuldner den Gegenwert entziehen will.
  • Wenn es dem Schuldner (statt auf die Erfüllung einer bestehenden vertraglichen Pflicht aus dem Bargeschäft) auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt.
  • Wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger. 

  

Fallbeispiele gegen das Vorliegen unlauteren Handelns

Hingegen liegt nach dem vom BGH zu entscheidenden Fall ein unlauteres Handeln nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet. Ebenso wenig ergibt sich ein unlauteres Handeln des Schuldners deshalb, weil sein Handeln den Tatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt.


Ausblick

Auch wenn es immer Einzelfälle geben wird, die nicht unter die Fallbeispiele fallen. Dennoch verschafft die Entscheidung deutlich mehr Klarheit. Dies nicht nur für den Insolvenzverwalter, der darüber entscheiden muss, ob er Ansprüche geltend macht. Vielmehr verschafft es auch Sicherheit und Klarheit für den Rechtsverkehr. Insbesondere die Gläubiger sind in der Krise ihres Vertragspartners oft verunsichert, ob und inwieweit sie die Vertragsbeziehung aufrechterhalten können und dürfen und wie man sicherstellen kann, die Vergütung zu sichern und Zahlungen anfechtungsfest zu erhalten​.​

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