Greenwashing: „Klimaneutralität“ als zulässiger Begriff in der Werbung?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 19. April 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten
In einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer wichtiger werden, ist die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ zu einem mächtigen Werkzeug geworden. Doch bedeutet „klimaneutral“ tatsächlich immer das, was es verspricht? Der Bundes­gerichtshof hat am 18. April 2024 über die Zulässigkeit umweltbezogener Werbeaus​­sagen verhandelt. Der Fall verdeutlicht die feine Grenze zwischen zulässiger Werbung und unlauterem „Greenwashing“.​

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​Klimaneutrale Fruchtgummis?

Konkret geht es in dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) um die Bewerbung von Fruchtgummis mit dem Begriff „klimaneutral“ (BGH I ZR 98/23). Der beklagte Süßwarenhersteller Katjes stellt Produkte aus Frucht­gummi und Lakritz her. Katjes hat die veganen „GRÜN-OHR-HASE“-Fruchtgummis in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage beworben, er produziere seit 2021 alle Produkte klimaneutral. Außer­dem platzierte er dort ein Logo, auf welchem u.a. der Begriff „klimaneutral“ zu lesen ist.
 
Tatsächlich läuft der Herstellungsprozess der Produkte von Katjes an sich jedoch nicht emissionsfrei ab. Die sog. „Klimaneutralität“ entsteht nur dadurch, dass Katjes Kompensationszahlungen leistet. Dazu unterstützt das Unternehmen über eine Kooperation mit einem Umweltberatungsunternehmen Klimaschutzprojekte. Auf dieses Unternehmen wird in der besagten Werbung auch hingewiesen.
 
Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, meint, dass die Werbeaussage irreführend sei und wesentliche Informationen vorenthalte. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Aussage der Kli­ma­neutralität nämlich so verstehen, dass der Herstellungsprozess an sich CO2-frei ablaufe. Deshalb sei die Werbeaussage zu unterlassen oder müsse jedenfalls um den Hinweis ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahme hergestellt werde.
 
Katjes hält die Werbung für rechtmäßig, da die angesprochenen Verkehrskreise wüssten, dass der Begriff „Klimaneutralität“ lediglich eine bilanzielle Klimaneutralität bedeute. Außerdem werde auf der angegebenen Webseite des Kooperationspartners ausführlich erläutert, wie die Klimaneutralität tatsächlich erreicht werde.
 

Oberlandesgericht Düsseldorf: Hinweise auf Katjes-Produkten ausreichend

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in der Vorinstanz entschieden, dass die Werbeaussage nicht irreführend sei, weil die Leser der Fachzeitung den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen verstehen würden. Klimaneutralität könne sowohl durch Vermeidung von Emissionen als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden. Allerdings sei eine Aufklärung durch das werbende Unternehmen darüber erforderlich, durch welche dieser beiden Möglichkeiten die behauptete Klimaneutralität erreicht werde. Im vorliegenden Fall könne die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang etwaiger Kom­pen­sationsleistungen über die Internetseite des Kooperationspartners erlangt werden, die in der Werbeanzeige angegeben sei und mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Codes aufgerufen werden könne. Dies sei ausreichend, sodass kein Unterlassungsanspruch bestehe.
 

​BGH: Strenge Anforderungen an umweltbezogene Werbung

Auch der BGH stellte sich beim Verhandlungstermin am 18. April 2024 auf den Standpunkt, dass Klimaneu­tralität sowohl durch Emissionsreduktion als auch durch Kompensation erreicht werden könne. Allerdings betonte der 1. Zivilsenat, dass die Frage nach einer Irreführung stets im konkreten Kontext, d. h. in Bezug auf das konkrete Produkt zu beurteilen sei. Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen sei – entspre­chend der BGH-Rechtsprechung im Verfahren „Umweltengel“ (BGH I ZR 219/87) – nach strengen Maßstäben zu beurteilen.
 
In diesem Urteil aus dem Jahre 1988 hatte der BGH entschieden, dass aufklärende Hinweise auf dem Produkt bzw. in der Werbung selbst erforderlich seien. Eine Irreführungsgefahr sei im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß, weshalb ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen bestehe. Wie die konkreten Hinweise ausge­staltet sein müssten, beurteile sich dann im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner Umweltfreundlichkeit.
 
Die Verkündung der Entscheidung im „Katjes“-Fall bleibt noch abzuwarten. Der Senat scheint jedoch mit der Bezugnahme auf das „Umweltengel“-Urteil von den Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweichen und die Hinweise zur Klimaneutralität auf den „GRÜN-OHR-HASEN“ als unzureichend zu befinden. Ein bloßer Verweis auf die Internetseite eines kooperierenden Umweltberatungsunternehmens wäre damit in Zukunft nicht mehr ausreichend.
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