Wesentlichkeitsanalyse – und dann? Über die Datenpunktableitung zum Berichtsgerüst

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​​​​​​​​veröffentlicht am 14. Februar 2025 I Lesedauer ca. 5 Min.​​​​​​​​​​​​​​​


Obwohl die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) weiterhin nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde und die Omnibus-Initiative zusätzliche Rechtsun­sicherheiten schafft, haben die meisten der ab 2025 berichtspflichtigen Unternehmen bereits im vergangenen Jahr den Prozess zur Erstellung ihres ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsberichts gestartet. Entsprechend hoch ist die Zahl der Unternehmen, die kurz vor dem Abschluss ihrer doppelten Wesentlichkeitsanalyse stehen oder ihre wesentlichen Nachhaltigkeits­aspekte bereits vollständig ermittelt haben. Nach Erreichen dieses ersten wichtigen Meilensteins stellt sich nun die zentrale Frage: Wie geht es nach der Festlegung der wesentlichen Aspekte weiter? 

 
Transparenz und Vergleichbarkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung – um dieses Ziel zu erreichen, verpflichtet die Europäische Union durch die CSRD bekanntlich sukzessive alle Unternehmen im Anwender­kreis zur Offenlegung umfangreicher Nachhaltigkeitsinformationen. Durch das damit verbundene Rahmenwerk, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), soll eine qualitativ hochwertige und möglichst einheitliche Berichterstattung sichergestellt werden.

​Ausgangspunkt: Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse

Um die Relevanz der Berichterstattung zu gewährleisten und den Informationsbedürfnissen der Nutzer des Nachhaltigkeitsberichts Rechnung zu tragen, sind Unternehmen zunächst zur Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse verpflichtet. Diese stellt die Grundlage für die Erstellung eines zielgerichteten und informativen Nachhaltigkeitsberichts dar, schließlich werden in dieser initialen Phase die wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte definiert. Sobald die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse vorliegen, können die konkreten Berichtsinhalte festgelegt werden. Dies erfolgt durch eine systematische Überleitung von den wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten auf die wesentlichen ESRS-Datenpunkte.

Von wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten zu wesentlichen Datenpunkten

Durch die Datenpunktableitung wird die Grundgesamtheit der fast 1.200 in den ESRS enthaltenen Datenpunkte eingegrenzt, sodass lediglich die relevanten Informationen in den Bericht aufgenommen werden. Als Basis hierfür kann die im Mai vergangenen Jahres veröffentlichte Datenpunktliste der EFRAG (IG 3 – List of ESRS Data Points​) herangezogen werden. Die Liste bietet nicht nur eine Übersicht über die inhaltlichen Anforde​­rungen, sondern liefert unter anderem auch Informationen zum Datentyp (narrativ, semi-narrativ, quantitativ), zur Verbindlichkeit des jeweiligen Datenpunkts (freiwillig oder verpflichtend) sowie zur Anwendbarkeit von Übergangsbestimmungen. 

Für die Datenpunktableitung werden die themenspezifischen Standards und die zugehörigen Datenpunkte gegen die wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte (Themen, Unterthemen und Unterunterthemen) gelegt und gezielt eingegrenzt. Da weder die EFRAG-Datenpunktliste noch die ESRS einen konkreten Link zwischen wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten und wesentlichen Datenpunkten herstellen, hat die EFRAG im Dezember 2024 nach längerer Diskussions- und Überarbeitungsphase ein entsprechendes Mapping-Dokument final veröffentlicht (Mapping of Sustainability Matters to Topical Dislosures – Q&A ID 177​). Dieses enthält Tabellen für jeden Themenstandard, die zeigen, welche Angabepflichten und Datenpunkte sich aus welchen wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten ergeben. So wird beispielsweise das Unterunterthema „Gleichstellung der Geschlechter und gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ der Angabepflicht S1-16 „Vergütungskennzahlen (Verdienstunterschiede und Gesamtvergütung)“ zugeordnet. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass die Definition unternehmensspezifischer Datenpunkte erforderlich werden kann, sofern ein Aspekt nicht oder mit nur unzureichender Granularität durch die ESRS abgedeckt ist (siehe auch ESRS 1 Rz. 11).​

Weiterhin ist bei der Ableitung das Ablaufdiagramm zur Bestimmung der Angaben im Rahmen der ESRS in ESRS 1 Anlage E zu beachten, das diverse diesbezügliche Anforderungen der ESRS aggregiert und visualisiert. Hieraus ergeben sich insbesondere folgende Regeln:​
  1. Sofern ein Thema nicht wesentlich ist, werden alle diesbezüglichen Angabepflichten ausgelassen. Im Fall des ESRS E1 Klimawandel muss eine detaillierte Erläuterung vorgelegt werden, warum dieser nicht wesentlich ist (siehe auch ESRS 1 Rz. 32). Für alle anderen Themen ist die Erläuterung der fehlenden Wesentlichkeit optional.
  2. Wenn das Unternehmen zu den jeweiligen wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (bzw. den wesentlichen Themen, Unterthemen, Unterunterthemen) Konzepte, Maßnahmen und Ziele festgelegt hat, sind diese u.a. anhand der MDR-Angaben (siehe ESRS 2) anzugeben. Ist dies nicht der Fall, gibt das Unternehmen diese Tatsache an und kann optional einen Zeitrahmen kommunizieren, innerhalb dessen es die Verabschie­dung entsprechender Konzepte, Maßnahmen und Ziele anstrebt (siehe auch ESRS 1 Rz. 33).
  3. Ist ein individueller Datenpunkt innerhalb einer wesentlichen Angabepflicht nicht wesentlich, muss dieser nicht angegeben werden (siehe auch ESRS 1 Rz. 34). 

Während die Relevanz eines Großteils der Datenpunkte also von den Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse abhängt, gibt es auch einige Datenpunkte, die davon unabhängig immer berichtspflichtig sind. Hierzu gehören grundsätzlich alle Datenpunkte des ESRS 2 Allgemeine Angaben (sofern diese einschlägig sind) sowie alle Angabepflichten im Zusammenhang mit ESRS 2 IRO-1, die in den themenspezifischen Standards verortet sind. Beispielsweise muss das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken, Abhängigkeiten und Chancen im Zusammenhang mit biologischer Vielfalt und Ökosystemen (Angabepflicht im Zusammenhang mit ESRS 2 IRO-1 im E4) immer offengelegt werden, unabhängig davon, ob Biodiversität im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse als wesentlich bewertet wurde oder nicht.

Unternehmen haben zudem die Möglichkeit, bestimmte Datenpunkte exkludieren, wenn Übergangsbe­stim­mungen in Anspruch genommen werden (siehe ESRS 1 Anlage C sowie entsprechende Kennzeichnung in der EFRAG-Datenpunktliste). Darüber hinaus sind freiwillige Datenpunkte (gekennzeichnet „V“ und orangefar­bene Markierung in der EFRAG-Datenpunktliste) nicht zwingend zu berichten. 

Im Prozess der Datenpunktableitung muss daher für jeden Datenpunkt eine Entscheidung getroffen werden, ob dieser in den Bericht aufgenommen wird oder nicht. Angesichts der Pflicht zur inhaltlichen Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts ist auch für diesen Schritt eine nachvollziehbare Dokumentation erforderlich, zudem empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung mit dem Prüfer.

Ausblick: Erstellung des Berichtsgerüsts auf Basis der wesentlichen Datenpunkte

Zwar liegen zwischen der Datenpunktableitung und der Erstellung des Berichtsgerüsts noch einige zentrale Meilensteine auf dem Weg zum fertigen Nachhaltigkeitsbericht – unter anderem die Konzeptionierung und Durchführung der Datenerhebung – allerdings lassen die als wesentlich identifizierten Datenpunkte bereits einen Ausblick auf die spätere Struktur des Berichts zu. Auch hierbei gilt es einige Grundregeln zu beachten:
  1. Der Nachhaltigkeitsbericht muss in vier Teile in folgender Reihenfolge gegliedert sein (sofern diese wesentlich sind): Allgemeine Informationen, Umweltinformationen inkl. Angaben gem. EU-Taxonomie​­ver­ordnung, Sozialinformationen und Governance-Informationen (siehe auch ESRS 1 Anlage D).
  2. Mit Ausnahme des ESRS 2 BP-2 und ESRS 2 SBM-3, für die ein Wahlrecht besteht, müssen die ESRS 2-bezogenen Angabepflichten der themenspezifischen Standards in den allgemeinen Informationen des Nach­haltig­keits­​berichts (d.h. gemeinsam mit den Angabepflichten des ESRS 2) angegeben werden.
  3. Für einige Datenpunkte sind bestimmte Tabellenformate, in denen diese vorgelegt werden müssen, vorge­schrieben. Diese sollten – entweder softwaregestützt oder manuell – direkt in das Berichtsgerüst integriert werden.
  4. Das Berichtsgerüst sollte nur diejenigen Datenpunkte enthalten, die im Rahmen der Datenpunktableitung als relevant identifiziert wurden. Innerhalb der Kapitel gibt es keine Regel für die genaue Reihenfolge und Anordnung der Datenpunkte; die Nachvollziehbarkeit und Stringenz der Angaben müssen jedoch stets sichergestellt werden.​

Fazit: Datenpunktableitung als zentraler Schritt zur Festlegung der konkreten Berichtsinhalte

Die systematische Auswahl der relevanten Datenpunkte bildet die Grundlage für die weitere Berichtsstruktur und erfordert eine präzise Dokumentation sowie eine frühzeitige Abstimmung mit Prüfern. Zwar stehen noch zentrale Aufgaben wie die Datenerhebung aus, doch die in diesem Schritt definierten Inhalte geben bereits eine klare Richtung für den finalen Bericht vor. Damit rückt das Ziel einer umfassenden und ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung in greifbare Nähe.​

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