Deep Dive S1: Arbeitsunfälle, Gender Pay Gap & Co. – Welche Besonderheiten gibt es, was muss man wissen?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Dezember 2024 I Lesedauer ca. 5 Minuten​

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) setzen neue Maßstäbe für Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Unternehmensberichterstattung. Die insgesamt ca. 780 Datenpunkte verteilen sich auf die übergreifenden Standards und die drei Dimensionen Umwelt, Governance und Soziales, wobei letztere ca. 260 narrative, semi-narrative und numerische Datenpunkte umfassen (diese Zahl kann durch eine vorläufige Wesentlichkeitsbewertung eingegrenzt werden). Während einige dieser Datenpunkte mit geringem Aufwand erfüllt werden können, erfordern andere die Einrichtung neuer Prozesse zur Datenerfassung und damit einen erheblichen Zeitaufwand.  


Dieser Artikel behandelt die anspruchsvolleren Offenlegungsanforderungen ESRS S1-14 Kennzahlen für Gesundheitsschutz und Sicherheit und S1-16 Vergütungskennzahlen aus dem Themenstandard S1 – Arbeits­kräfte des Unternehmens. Bislang ist S1 der einzige Sozialstandard, der die Offenlegung von Parametern erfordert. Die Parameter für S2 bis S4 werden möglicherweise im Rahmen der zweiten Reihe von ESRS veröffent­licht. ​

Umfang der eigenen Belegschaft – Beschäftigte und Nicht-Beschäftigte 

Es ist wichtig zu beachten, dass einige Daten nur für Beschäftigte offen gelegt werden müssen, während andere auf Beschäftigte und Nicht-Beschäftigte ausgeweitet werden (siehe ESRS S1.4). Eine genaue Definition ist in der Norm enthalten. 

Die Offenlegung von Informationen über Nichtbeschäftigte ist jedoch Teil der Einführungsbestimmungen und kann im ersten Jahr der Berichterstattung für alle Nutzer ausgeschlossen werden. 

Darüber hinaus umfasst die Angabe der Zahl der Todesfälle infolge arbeitsbedingter Verletzungen und arbeitsbedingter Erkrankungen (ESRS S1.88b) zusätzlich zu den Beschäftigten und Nicht-Beschäftigten auch andere Arbeitnehmer an den Standorten des Unternehmens. 

Hauptaspekte des ESRS S1-14

S1-14 deckt die Absätze 86 bis 90 ab und wird durch die Anwendungsanforderungen 80 bis 95 ergänzt, wobei die Absätze 88d und 88e im ersten Jahr ausgenommen sind. 

Ziel dieser Offenlegungsanforderung ist es, ein Verständnis des Umfangs, der Qualität und der Leistung des Gesundheits- und Sicherheitsmanagementsystems zu ermöglichen, das zur Vermeidung arbeitsbedingter Verletzungen eingerichtet wurde. 

Herausforderungen bei der Offenlegung von S1-14 ​

Der Europäische Standard für Nachhaltigkeitsberichte (ESRS) S1-14 konzentriert sich auf Gesundheits- und Sicherheitskennzahlen innerhalb der Belegschaft eines Unternehmens. Diese Offenlegungspflicht zielt darauf ab, den Stakeholdern wichtige Informationen über die Leistung im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu liefern. Der Standard birgt jedoch einige Herausforderungen bei der Auslegung und Umsetzung.  

Eines der Hauptprobleme ist das Fehlen einer klaren Definition für „aufzeichnungspflichtige arbeitsbedingte Verletzungen oder Erkrankungen“ innerhalb der Norm oder ihres Glossars. Trotz dieser Unklarheit wird allgemein davon ausgegangen, dass der Begriff „meldepflichtig“ zumindest mit den Versicherungs­anfor­​derun­gen zusammenhängt. Unternehmen können auch über umfassendere interne Berichtssysteme verfügen, die über die nationalen gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Die Datenerfassung für diese Metriken kann über verschiedene Kanäle erfolgen, die den Versicherungsträgern oder den Betriebsärzten vorgelegt werden.   

Die Norm definiert „meldepflichtige arbeitsbedingte Verletzungen oder Krankheiten“ als solche, die zum Tod, zu Arbeitsunfähigkeitstagen, zu eingeschränkter Arbeit oder zur Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, zu medizinischer Behandlung, die über Erste-Hilfe-Maßnahmen hinausgeht, zu Bewusstseinsverlust oder zu einer anderen erheblichen Verletzung oder Krankheit führen, die von einer medizinischen Fachkraft diagnostiziert wird. Diese Vorfälle werden in der Regel durch „arbeitsbedingte Gefahren“ verursacht, zu denen Ereignisse wie Ausrutschen, Brände, Stromschläge oder sogar Mobbing gehören. 

Die fehlende Unterscheidung zwischen arbeitsbedingten Verletzungen und arbeitsbedingten Erkrankungen stellt auch die ESRS-Anwender vor Herausforderungen. Hier können die Unternehmen auf die Anwendungs­anfor­​derungen (AR) der Norm verweisen, die konkretere Anleitungen für bestimmte Fälle bieten. Darüber hinaus kann die Liste der Berufskrankheiten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als hilfreiche Referenz dienen.
 
Die Erfassung arbeitsbedingter Erkrankungen stellt im Vergleich zu Unfällen eine besondere Herausforderung dar. Während es sich bei Unfällen oft um klar definierte Ereignisse handelt, kann der Nachweis des Arbeits­zusammenhangs einer Krankheit komplexer sein. Unternehmen können nur über Krankheiten berichten, die ihnen bekannt sind, und rechtliche Beschränkungen wie Datenschutzgesetze können die Vollständigkeit der Krankheitsaufzeichnungen einschränken. 

Um diese Hürden zu überwinden, sollten Unternehmen in Erwägung ziehen, eine Erklärung in ihren Bericht aufzunehmen, in der sie bestätigen, dass es sich bei den gemeldeten Krankheiten um diejenigen handelt, die dem Unternehmen bekannt sind, und dass die Aufzeichnungen aufgrund rechtlicher Einschränkungen möglicherweise nicht vollständig sind. Dieser Ansatz gewährleistet Transparenz und berücksichtigt gleichzeitig die Grenzen der Datenerhebung in diesem Bereich, insbesondere im ersten Jahr der Anwendung. 

Schlussfolgerung S1-14 

Die Offenlegungsanforderung S1-14 unterstreicht die Bedeutung solider Gesundheits- und Sicherheitsmanagementsysteme für den Schutz der Arbeitnehmer. Durch die Verpflichtung zur detaillierten Offenlegung von Vorfällen am Arbeitsplatz soll ein sichereres Arbeitsumfeld gefördert und die Verantwortlichkeit der Unternehmen in Fragen der Gesundheit am Arbeitsplatz gestärkt werden. Die Unternehmen müssen sich sorgfältig mit den rechtlichen Anforderungen und den Belangen des Datenschutzes auseinandersetzen und sich gleichzeitig um Transparenz in ihrer Berichterstattung bemühen. 

 

Hauptaspekte des ESRS S1-16

S1-16 umfasst die Paragraphen 95 bis 99 und wird durch die Anwendungsanforderungen 98 bis 112 ergänzt.
 
Mit dieser Offenlegungspflicht wird ein zweifaches Ziel verfolgt: Es soll ein Verständnis für das Ausmaß des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern unter den Beschäftigten des Unternehmens ermöglicht werden, und es soll ein Einblick in das Ausmaß der Entgeltungleichheit innerhalb des Unternehmens und in das Vorhandensein großer Lohnunterschiede gegeben werden. 

Geschlechtsspezifisches Lohngefälle 

Im Kern verlangt der ESRS S1-16 von den Unternehmen die Offenlegung des prozentualen Gehaltsunterschieds zwischen ihren weiblichen und männlichen Beschäftigten, des so genannten geschlechtsspezifischen Lohngefälles. Diese Kennzahl soll ein klares Bild der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern innerhalb des Unternehmens vermitteln. Ein drittes Geschlecht wird in der Norm nicht erwähnt.  

Die Methodik zur Berechnung der Kennzahl ist genau definiert: Die Höhe des Bruttostundenlohns führt zu dem unreinen geschlechtsspezifischen Lohngefälle. 

Nach dem ESRS wird „Vergütung“ oder „Entgelt“ definiert als die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -ge­hälter sowie alle sonstigen Vergütungen in Form von Geld- oder Sachleistungen, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner Beschäftigung direkt oder indirekt vom Arbeitgeber erhält („ergänzende oder variable Bestandteile“). Diese Definition umfasst alle Formen der Vergütung, einschließlich des Grundgehalts, der Geldleistungen, der Sachleistungen und der langfristigen Anreize (IDW RS FAB 100). 

Folglich wird von den Unternehmen erwartet, dass sie bei der Berechnung der Vergütungskennzahlen alle diese Komponenten einbeziehen, um ein umfassendes Bild der Mitarbeitervergütung zu vermitteln – unabhängig davon, ob eine Vergütungskomponente vertraglich zwischen den Parteien vereinbart wurde oder freiwillig als Gegenleistung für die vom Mitarbeiter geleistete Arbeit gezahlt wird. 

Bonuszahlungen werden verspätet gezahlt und beziehen sich auf das vorangegangene Jahr.  

Die für das Verständnis der Daten erforderlichen Kontextinformationen sind hinzuzufügen, und es können Aufschlüsselungen, z. B. zwischen Arbeitern und Angestellten, vorgenommen werden, um eine Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden. Dies dient als wichtige Information für Investoren, die die sozialen Auswirkungen von Unternehmen bewerten. 

Ab dem 2. Berichtsjahr müssen vergleichende Informationen aus dem vorangegangenen Berichtszeitraum vorgelegt werden. 

Verhältnis der jährlichen Gesamtvergütung der höchstbezahlten Person zum Median ​

Darüber hinaus sind die Unternehmen verpflichtet, die Gesamtvergütungsquote offenzulegen, d. h. das Verhältnis zwischen der jährlichen Gesamtvergütung der höchstbezahlten Person und dem Median der jährlichen Gesamtvergütung aller Mitarbeiter, mit Ausnahme der höchstbezahlten Person. Diese Kennzahl gibt Aufschluss über die Einkommensungleichheit innerhalb des Unternehmens. Die Berechnung des KPI und andere Anforderungen folgen der Methodik des geschlechtsspezifischen Lohngefälles.  

Schlussfolgerung S1-16 

Durch die Verpflichtung zur detaillierten Offenlegung von Vergütungskennzahlen wird nicht nur die Transparenz erhöht, sondern die Unternehmen werden auch ermutigt, proaktive Schritte zur Schaffung eines gerechteren Arbeitsumfelds zu unternehmen. Diese Anforderung ist somit ein wichtiger Bestandteil der Bemühungen, soziale Nachhaltigkeit in der Unternehmenswelt zu verankern und voranzutreiben. 

Gleichzeitig fördern sie die Rechenschaftspflicht der Unternehmen, indem sie diese ermutigen, aktiv gegen Lohnunterschiede vorzugehen und faire Vergütungspraktiken zu fördern.  
 

Fazit

​Die ESRS-Standards S1-14 und S1-16 stellen einen bedeutenden Schritt in Richtung einer verbesserten Unter­nehmenstransparenz dar, da sie Unternehmen dazu verpflichten, umfassende Einblicke in die Gesundheits-, Sicherheits- und Vergütungspraktiken ihrer Belegschaft zu gewähren und dadurch ein gerechteres, verant­wor­tungsvolleres und sozial verantwortliches Geschäftsumfeld zu fördern. 

Durch die Einhaltung dieser Offenlegungspflichten erfüllen die Unternehmen nicht nur die ESRS-Standards, sondern demonstrieren auch ihr Engagement für die Sicherheit der Arbeitnehmer, eine faire Entlohnung und allgemeine Transparenz im Personalmanagement. Diese Informationen ermöglichen es den Stakeholdern, fundierte Entscheidungen zu treffen, und fördern die Verantwortlichkeit der Unternehmenspraktiken in Bezug auf das Wohlergehen der Mitarbeiter und eine faire Entlohnung.

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