Energiewirtschaftliche Sondertestate – Voraussetzung für Entlastungs­möglichkeiten

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veröffentlicht am 5. April 2022 / Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Unternehmen sind und werden auch in Zukunft zunehmend mit steigenden Energie­kosten konfrontiert. Der Strompreis setzt sich neben dem Preis für die Energie noch aus Netznutzung, EEG-, KWK-, § 19 StromNEV-, Offshore-Netz- und Abschalt­bare-Lasten-Umlage sowie Konzessionsabgabe und Stromsteuer zusammen. Über den Gaspreis wird die mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) 2021 einge­führte CO2-Abgabe und Energiesteuer umgelegt. Für all diese Energiekosten-Bestand­teile existieren verschiedene Entlastungsmöglichkeiten. Oftmals ist zum Erhalt der Privilegierung eine Sonderprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer erforderlich.

   

  

Der rasante Anstieg der Energiekosten in den vergangenen Monaten, verschärft durch den Krieg in der Ukraine, wird für immer mehr Unternehmen zu einem großen Problem. Besonders für im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen stellt die Entwicklung einen echten Wettbewerbsnachteil dar. Umso wichtiger ist es, zu prüfen, ob möglicherweise Privilegien in Anspruch genommen werden können, um die Energiekosten zu sen­ken. Dabei sind die aktuelle Gesetzgebung und die Umsetzung der Pläne der neuen Regierung zu bestimmten Entlastungsmöglichkeiten besonders im Auge zu behalten. 
 

Besondere Ausgleichsregelung (BesAR)

Das bekannteste Privileg ist sicherlich aktuell die BesAR nach dem EEG, nach der sich die EEG-Umlage für Strom, der von stromkostenintensiven Unternehmen selbst verbraucht wird, deutlich reduzieren lässt. Damit wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen aufrecht erhalten. Das Bundes­kabinett hat den vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Gesetzentwurf zur Abschaf­fung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 beschlossen. Der Bundestag will sich die nächsten Wochen mit dem Entwurf beschäftigen. Es ist dabei aber zu beachten, dass selbst bei einer vollständigen Abschaffung der EEG-Umlage nach derzeitigem Kenntnisstand Begrenzungsbescheide nach §§ 64, 64a EEG 2021 EEG auch im kommenden Jahr eine Entlastungswirkung haben dürften. Sie würden nämlich unmittelbar auch zu einer Begrenzung der KWKG und Offshore-Netzumlage führen. Für die beiden, bislang an die BesAR gekoppelten Umlagen liegt für Begünstigungsjahre ab 2024 mittlerweile mit dem „Gesetz zur Finanzierung der Energie­wende im Stromsektor durch Bundeszuschuss und Umlagen (Energie-Umlagen-Gesetz)“ ein weiterer Gesetzes­entwurf vor. Zum Erhalt der höchstmöglichen Begünstigung für das Jahr 2021 ist, wie gewohnt bis zum 30. Juni, ein Antrag über das elektronische BAFA-Portal zu stellen. Die Prüfung der Angaben im Zusammenhang mit der Antragstellung zur Besonderen Ausgleichsrechnung durch einen Wirtschaftsprüfer ist dabei eine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Antragstellung. 
 

Grenzpreisunterschreitung der Konzessionsabgabe

Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Unternehmen die komplette Konzessionsabgabe vom Netz­be­treiber zurückverlangen und eine vollständige Befreiung erreichen. Dazu muss das Unternehmen gegenüber dem zuständigen Netzbetreiber nachweisen, dass der Durchschnittspreis für Strom, den er an seinen Stromliefe­ranten zahlt, den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Grenzpreis unterschreitet. Netzbetreiber verlangen dazu eine entsprechende Prüfung des Grenzpreisvergleichs nach § 2 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 KAV.
 

Begrenzung der StromNEV-Umlage

Eine weitere Begünstigung können Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit der Begrenzung der Umlage nach § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) in Anspruch nehmen, wenn deren Strom­kosten für selbst verbrauchten Strom 4 Prozent der Umsatzerlöse i.S.d. § 277 Abs. 1 HGB übersteigen. Auch dafür ist eine entsprechende Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer nach § 19 Abs. 2 Satz 15 StromNEV i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 5 KWKG 2016 erforderlich, um den Nachweis gegenüber dem Netzbetreiber erbringen zu können.
 

Erstmalige Begünstigung nach BEHG

Die sog. CO2-Abgabe im Rahmen des nationalen Emissionshandelssystems (nEHS), die den bisherigen europäischen Emissionshandel (EU-ETS) ergänzt, wird seit dem 1. Januar 2021 erhoben. Damit sollen nun auch für die Sektoren Wärme und Verkehr, die nicht Teilnehmer des EU-ETS sind, Anreize zur Emissionsreduktion geschaffen werden. Der nEHS setz dabei beim Lieferanten der Brennstoffe an, der die CO2-Abgabe von den Kunden mit der Energieabrechnung verlangt und so eine Inkassofunktion übernimmt. Insbesondere der Bezug von Gas hat sich dadurch verteuert, was regelmäßig der primäre Energieträger in industriellen KWK-Anlagen ist. Zudem muss beachtet werden, dass die Kosten pro Tonne CO2 von 25 Euro im Jahr 2021 bis zum Jahr 2025 um 120 Prozent auf 55 Euro steigen werden.
 
Für Belastungen, die Unternehmen durch das nEHS entstehen, sind Ausgleichsmechanismen vorgesehen. Einer der drei Pfeiler dieses Ausgleichssystems ist die Vermeidung des sog. „Carbon-Leakage“, also der Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland aufgrund des entstandenen Wettbewerbsnachteils. Dadurch wird ein Teil der Belastung durch die CO2-Abgabe kompensiert. Wie hoch dieser Teil ist, bestimmt sich unternehmensindividuell. Zudem müssen Investitionen in Emissionsreduktionen als Antragsvoraussetzung getätigt werden. Um die Kompensation zu erhalten ist bis zum 30. Juni des auf das Abrechnungsjahr folgenden Jahres ein Antrag bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zu stellen. Für das Jahr 2021 also bis zum 30. Juni 2022.
 
Antragsberechtigt sind zunächst Unternehmen aus 48 Sektoren und 13 Teilsektoren, die in den Anlagen zur Carbon-Leakage-Verordnung (BECV) genannt sind. Es besteht nach Abschnitt 6 der Verordnung (§§ 18 ff. BECV) jedoch auch die Möglichkeit zur nachträglichen Anerkennung von (Teil-)Sektoren durch eine Antrags­stellung bei der DEHSt bis zum 28. April 2022. Für beide Anträge ist die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer notwendig.
 
Eine weitere Möglichkeit der Entlastung von der CO2-Abgabe existiert für Härtefalle nach § 11 Abs. 1 BEHG. Sie liegen laut BEHG in atypischen Einzelfällen vor, wenn dem Unternehmen unverhältnismäßig hohe indirekte Belastungen („unzumutbare Härte“) entstehen. Eine Änderung der Brennstoffemissionshandelsverordnung, die die Regelungen näher ausführt, liegt derzeit im Entwurf vor. Auch dort ist ein Antragsverfahren vorgesehen. Es ist dann grundsätzlich auf einen zweijährigen Zeitraum ausgelegt, erstmalig also für die Jahre 2021 und 2022. Der Antrag muss bis spätestens 30. September 2022 gestellt werden. In dem Antrag ist die unzumutbare Härte darzulegen. Die weiteren Regelungen sind komplex ausgestaltet und bedürfen einer Einzelfallbetrachtung. Auch für diesen Antrag ist nach § 39 des Entwurfs zur Brennstoffemissionshandelsverordnung die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer vorgesehen.
 
Die dritte Entlastungsmöglichkeit besteht für Unternehmen, für die das nEHS zu einer Doppelbelastung mit dem EU-ETS führt. Es soll eine nachträgliche Entlastung ermöglicht werden. Dazu stehen jedoch sämtliche Detailregelungen in Form einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung aus.
 
Es bleibt festzuhalten, dass es viele Entlastungsmöglichkeiten mit unterschiedlichsten Antragsvoraus­setzungen gibt, deren Beantragung eine Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer erfordert. Gerade in Zeiten massiv steigender Energiepreise sollte es nicht versäumt werden, die teilweise komplexen Anträge fristgerecht mit sämtlichen erforderlichen Angaben zu stellen.

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Florian Bär

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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