Schaffung der Börsenreife – Transformation der GRC-Strukturen als Schwerpunkt

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veröffentlicht am 5. Oktober 2021 / Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Auf dem Weg in den Kapitalmarkt sind einige Hürden zu nehmen: Im Mittelpunkt stehen zunächst die Anforderungen der nationalen Gesetze, der BaFin und des angestrebten Börsenplatzes. Aber darüber hinaus verlangt die Transformation und Ergänzung der bestehenden Governance, Risk und Compliance Management-Strukturen (GRC) den Unternehmen einiges ab. Die Mühen lohnen sich allerdings  –  für das Unternehmen selbst und die Vertrauensbildung bei den Stakeholdern.

  

  

Inhabergeführte mittelständische Weltmarktführer verfügen oftmals über historische gewachsene Corporate Governance-Strukturen, die den individuellen Bedürfnissen der Inhaber entsprechen und den wahrge­nommenen Anforderungen guter Corporate Governance gerecht werden. Aber was sollte der Unternehmer berücksichtigen, wenn er z.B. aufgrund von Nachfolgeüberlegungen über einen EXIT an der Börse nachdenkt?

 

Auch Start-ups erwägen den Börsengang als Möglichkeit zur Finanzierung des angestrebten nationalen und globalen Wachstums. Es liegen womöglich rudimentäre, der Lebenszyklusphase gerecht werdende Corporate Governance-Strukturen vor. Der Anpassungsbedarf wird jedoch auch durch die spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens bestimmt. Sie stellen die Absprungbasis für die Neukonzipierung und die Weiter­entwicklung des unternehmensspezifischen GRC dar. Doch wo genau stehen die GRC-Prozesse und Systeme des Unternehmens  –  sind sie vernünftig gestaltet, skalierbar und werden sie effektiv gelebt?

 

Fit-Gap-Analyse

An der Stelle kommt die Fit-Gap-Analyse ins Spiel. Zunächst erfolgt mit Workshops die Bestandsaufnahme des GRC-Management Systems. Dieser IST-Zustand wird dann mit dem Soll-Format für das Unternehmen verglichen. Für die Workshops sollten interdisziplinäre Teams aufgestellt werden, da die anstehenden Themen vielfältig sind und den juristischen, betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und v. a. den digitalen Blick des IT-Spezialisten brauchen.
 

Der Soll-Zustand lässt sich mithilfe des im Folgenden abgebildeten „House of GRC“ ableiten. Wesentliche Bestandteile guter Governance-Strukturen sind das Risiko- und das Compliance-Management sowie das interne Kontrollsystem (IKS).

 

Das Gesamtsystem kann wie folgt dargestellt werden:

Die IPO Readiness in drei Schritten

Die IPO Readiness hinsichtlich des GRC erfolgt in drei Phasen, die schematisch beschrieben werden können:

 

 

 

In der ersten Phase erfolgt die erwähnte Fit-Gap-Analyse. Das Unternehmen verschafft sich ein detailliertes Verständnis von Governance-Struktur und den Kernprozessen vor dem Hintergrund des Geschäftsmodells. Das gegebene Risiko-Managementsystems (RMS) gemäß AktG, das Compliance-Managementsystems (CMS) und das interne Kontrollsystem (IKS) mit Fokus auf Rechnungslegung werden unternehmensweit aufgenommen. Der so ermittelte Zustand wird anschließend mit einem auf das Unternehmen zugeschnittenen Soll-Zustand der Governance-Strukturen verglichen. Das Delta beschreibt die Lücke, das sog. „Gap“, das in der sich anschließenden Phase beseitigt wird. Erfahrungsgemäß währt diese Phase je nach Komplexität der Unternehmensgruppe ein bis zwei Monate.

  

Im zweiten Schritt erfolgt die Neukonzipierung und Adjustierung der gegebenen GRC-Strukturen an den für die Börsenreife angestrebten Soll-Zustand. Jene Mängel des gegebenen GRC, die als wesentlich identifiziert wurden, können bereits in dieser Phase des Projekts behoben werden. Das zu erarbeitende Konzept muss auf die Größe und den Bedarf des Unternehmens zugeschnitten sein und sollte bereits eine ganzheitliche Lösung auch unter Einsatz digitaler Technologien darstellen. Der Blick sollte über den Tellerrand reichen und die unternehmerische Zukunft anvisieren. Skalierbarkeit und Effizienz werden auch durch den bewussten Einsatz von technologischen Lösungen sichergestellt. Vor dem Hintergrund erfolgen bspw. die Definition des Audit Universe für die Interne Revision, das Aufsetzen der Richtlinien und das Verfahren für das RMS. Weiterhin werden das Risiko-Inventar und die Risiko-Kontroll-Matrix mit Key-Kontrollen für das IKS konzipiert. Zur Governance werden möglicherweise eine Matrix-Führungsstruktur sowie geeignete Geschäftsordnungen formuliert und eine Whistleblower-Struktur entworfen. In diesem Schritt werden auch die unterstützenden künftigen Technologien und Software-Lösungen analysiert und ausgewählt. Die Dauer der 2. Phase hängt von den spezifischen Umständen ab und kann ein bis drei Monate in Anspruch nehmen.

 

In der dritten Phase wird das neu entworfene und / oder weiter entwickelte unternehmensspezifische GRC ausgerollt. Die GRC-Aufbau- und Ablauforganisation einschließlich der Richtlinien und Schnittstellen zum Vorstand, Risikomanagement oder zur Internen Revision werden zentral und dezentral umgesetzt. Dabei ist die Herausforderung auch kultureller Natur. Es ist eine Change-Situation, die einer durchdachten und dann wohl strukturieren Kommunikation durch ein Change Management-Office bedarf. Im Mittelpunkt stehen selbstredend Kosten-Nutzen Erwägungen. Das neue GRC soll seinen Zweck erfüllen und den Steuerungs-, Informations- und Kontrollbedarfen des Managements und der weiteren Stakeholder gerecht werden. Es erfüllt keinen Selbstzweck, sondern trägt zum Unternehmenserfolg bei. Vornehmlich soll die erwartete Börsenreife sichergestellt werden. Je nach digitalem Reifegrad und Komplexität der gesamten Unternehmensgruppe kann die Implementierungsphase zwischen sechs bis 18 Monaten andauern.

 

Auch der Weg ist das Ziel: Weiterentwicklung und Reifung der Organisation

Typisch für jede Change Situation sind auch kritische Stimmen. So wird geäußert, dass die dargestellte Anpassung von GRC-Strukturen zur Erlangung der IPO Readiness eine Ressourcenverschwendung darstelle, eine Ablenkung vom Wesentlichen, und man solle sich doch lieber auf „das Geschäft“ konzentrieren. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Herstellung der IPO Readiness eine Transformation darstellt. Der Weg über die einzelnen Phasen und das Neudenken von Prozessen sind Elemente eines wesentlichen Change Prozesses, bei dem sich die Organisation weiterentwickelt und reift. Der Weg führt zu einer Professionalisierung der gesamten Organisation. Zugleich wird die Transparenz und Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht, die stolz sind, ein Teil von etwas Großen und Guten zu sein. Letztlich schafft die Transformation Vertrauen bei den vielfältigen Stakeholdern.

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