Türkei: Auswirkungen von Covid-19 auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsverhältnisse

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​veröffentlicht am 30. März 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

Covid-19 (Coronavirus) wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Gesundheitsministerium als epidemische/ansteckende Krankheit bewertet. Unter Beachtung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und ihrer schweren Folgen hat die WHO das Coronavirus als Pandemie eingestuft; die ersten Fälle wurden durch das türkische Gesundheitsministerium bestätigt.

  

 

  

Nach der Aufdeckung der ersten Covid-19-Fälle nahmen die Zahlen in der Türkei wie auch in anderen Ländern in kürzester Zeit zu, sodass die Notwendigkeit entstand, in jedem Bereich der Gesellschaft – insbesondere für Arbeitgeber – dringende und radikale Maßnahmen zu ergreifen.

  

Gemäß dem Gesetz über die öffentliche Gesundheit Nr. 1593 wird den Covid-19-Infızierten das Arbeiten unter­sagt, da die Arbeit von Menschen mit ansteckenden Krankheiten verboten ist und das Virus als epidemische/­ übertragbare Krankheit eingestuft wird.

  

Pflichten der Arbeitgeber und zu ergreifende Maßnahmen

Das Ergreifen der erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen und die Organisation sind für den Arbeitgeber eine Verpflichtung gemäß dem Arbeitsschutzgesetz, da die Personen, die mit einer Epidemie/Infektionskrankheit infiziert sind, unter dem Verdacht stehen oder das Virus tragen, das Risiko aufweisen, andere Arbeitnehmer anzustecken.

  

Wird festgestellt, dass ein Arbeitnehmer an einer Infektionskrankheit leidet und das auf unterbliebenes Ergreifen der erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen seitens des Arbeitgebers zurückzuführen ist, so haftet der Arbeitgeber für etwaige Schäden.

    

Folgende Maßnahmen kann der Arbeitgeber ergreifen, um die allgemeine Gesundheit am Arbeitsplatz während der Pandemie zu gewährleisten:

  • Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer dazu veranlassen, ihre ausstehenden bezahlten Jahresurlaubstage zu nehmen.
  • Der Arbeitgeber kann gemäß Artikel 10 der Verordnung über bezahlten Jahresurlaub für die Zeit zwischen Anfang April und Ende Oktober einen kollektiven Urlaub für alle oder einen Teil der Arbeitnehmer veranlassen.
  • Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmern bis zu zehn Tage im Jahr einen Ausnahmeurlaub gewähren.
  • Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können im Einvernehmen bestimmen, dass unbezahlter Urlaub genommen wird.
  • Arbeitnehmer, die möglicherweise Kontakt zu Infizierten hatten, sich unwohl fühlen, Krankheitssymptome aufweisen, kürzlich aus dem Urlaub zurückgekehrt sind u.ä., können aufgefordert werden, mind. 14 Tage zu Hause in Quarantäne zu bleiben.
  • Das vorübergehende Arbeiten von zu Hause aus (Home Office) kann angeordnet werden.

  

Ausgleichsarbeit

Sofern die Arbeit aus zwingenden Gründen zum Stillstand kommt, kann der Arbeitgeber die Nachholung der Arbeit anordnen. Die Nachholarbeit erfolgt in Form von Überstunden in der gesetzlich vorgegebenen Zeit innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Grund, der zum Stillstand führte, aufgehoben wurde.

  

Die Nachholarbeit darf täglich nicht länger als drei Stunden dauern und die tägliche Arbeitszeit von insgesamt elf Stunden nicht überschreiten. An Feiertagen darf keine Nachholarbeit angeordnet werden. Nachholarbeit, die rechtmäßig durchgeführt wurde, ist nicht als Überstunden zu bewerten und ein entsprechender Zuschlag ist nicht zu zahlen.

  

Allerdings wurde die Frist mit der Bekanntmachung des Covid-19-Maßnahmenpakets vom türkischen Präsidenten am 18. März 2020 von zwei auf vier Monate verlängert.

  

Kurzarbeitergeld

Es besteht die Möglichkeit der Zahlung eines Kurzarbeitergeldes. Im Gesetz Nr. 4447 ist geregelt, dass in Fällen, in denen die wöchentliche Arbeitszeit am Arbeitsplatz vorübergehend erheblich verkürzt wird oder die Arbeit aufgrund allgemeiner wirtschaftlicher, sektoraler oder regionaler Krisen und zwingender Gründe ganz oder teilweise vorübergehend eingestellt wird, eine Kurzarbeit am Arbeitsplatz für max. drei Monate an­ge­ordnet werden kann.

 

Als zwingender Grund gelten temporäre Situationen oder Erdbeben, Feuer, Überschwemmungen, Erdrutsche, epidemische Erkrankungen, Mobilmachung, die nicht durch die Direktion des Arbeitgebers verursacht werden und nicht vorhergesehen werden können, sodass es nicht möglich ist, sie zu beseitigen, die Arbeitszeit vorüber­gehend zu verkürzen oder die Tätigkeit ganz oder teilweise einzustellen.

  

In den Fällen wird dem Arbeitnehmer während der arbeitsfreien Zeit seine monatliche Vergütung gezahlt. Die auf drei Monate beschränkte Kurzarbeitszeit kann durch ein Dekret des Präsidenten auf sechs Monate verlängert werden.

  

Die Vergütung beträgt 60 Prozent des berechneten durchschnittlichen täglichen Bruttoeinkommens unter Berücksichtigung des Einkommens des Versicherten in den letzten 12 Monaten. Die auf diese Weise berechnete Höhe des Kurzarbeitergeldes darf 150 Prozent des Bruttobetrags des monatlichen Mindestlohns (4.414 Türkische Lira für 2020) nicht überschreiten. Kurzarbeitergelder werden von der Arbeits­losen­versicherung geleistet.

  

Damit der Arbeitnehmer Anspruch auf das Kurzarbeitergeld hat, muss er die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenversicherung mit Ausnahme der Beendigung des Arbeitsvertrags erfüllen.

Transaktionen in Bezug auf die Übertragung von Versicherungsprämien und die Erbringung von Gesund­heits­diensten für diejenigen, die von einem Kurzarbeitergeld profitieren, werden mit der in Gesetz Nr. 5510 festgelegten Grundsätze durchgeführt. Zahlungen, die als Kurzarbeitergeld geleistet werden, werden von der anfänglich bestimmten Zeit für das Arbeitslosengeld abgezogen.

  

Bei Kurzarbeit aus zwingendem Grund beginnen die Zahlungen der Kurzarbeitergelder gemäß Artikel 24 Absatz III des Gesetzes Nr. 4857 und Artikel 40 desselben Gesetzes binnen der vorgesehenen Zeit von einer Woche.

 

Kündigung

Fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer aus berechtigtem Grund

Der Arbeitsvertrag kann vor Ablauf der Kündigungsfrist oder fristlos nach Art. 24/I-b des Arbeitsgesetzes seitens des Arbeitnehmers gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer in engem Kontakt steht oder ein anderer Arbeitnehmer eine ansteckende oder eine mit der Arbeit des Arbeitnehmers unvereinbare Krankheit aufweist.

  

Fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber aus berechtigtem Grund

Da es gesetzlich vorgeschrieben ist, mit Infektionskrankheiten infizierte Personen für die Fortdauer der Krankheit in Quarantäne zu halten, bleibt das Arbeitsverhältnis während des Arbeitsverbots ausgesetzt (Art. 72, Art.73 des Allgemeinen Hygienegesetzes).

  

Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers entsteht, nachdem die in Artikel 17 des Arbeitsgesetzes festgelegten Meldefristen um sechs Wochen überschritten wurden. In dem Fall schließt die Kündigung das Recht des Arbeitnehmers auf Abfindung gemäß Artikel 25 / I des Arbeitsgesetzes nicht aus. Das Versäumnis des Arbeitnehmers, aufgrund des Arbeitsverbots zur Arbeit zu gehen, ist jedoch kein berechtigter oder gültiger Grund für die Beendigung des Arbeitsvertrags.

  

Kündigung des Arbeitgebers aus einem zwingenden Grund, der den Arbeitnehmer daran hindert, länger als eine Woche am Arbeitsplatz zu arbeiten

In Artikel 25 (III) des Arbeitsgesetzes Nr. 4857 wird erläutert, dass der Arbeitgeber im Falle eines zwingenden Grundes, der den Arbeitnehmer länger als eine Woche an der Arbeit am Arbeitsplatz hindert, das Recht hat, fristlos zu kündigen. Hierfür müssen die Gründe, die den Arbeitnehmer an seiner Arbeit hindern, bei ihm liegen. Verhinderungen, die im Arbeitsplatz begründet liegen und die Arbeit verhindern, werden hiervon nicht erfasst.

  

Die Schließung des Arbeitsplatzes ist z.B. kein zwingender Grund. Lediglich Naturereignisse wie Über­schwem­mungen, Schnee oder Erdbeben, die zur Einstellung des Verkehrs führen und die Einführung von Quarantänen wegen Pandemien stellen zwingende Gründe dar.

 

Gründe, die ihre Ursache im Arbeitsplatzes haben, stellen demnach keine zwingenden Gründe im Sinne der genannten Vorschrift dar und gewähren dem Arbeitnehmer nach Art. 24/III des Arbeitsgesetzes Nr. 4857 ein fristloses Kündigungsrecht. Gemäß Art. 40 des Arbeitsgesetzes Nr. 4857 unter Bezugnahme auf Artikel 25 / III desselben Gesetzes, wird für die nichtbeschäftigte Zeit des Arbeitnehmers aus einem zwingenden Grund für die Zeit von einer Woche nur die Hälfte seines Gehaltes für die „nichtgearbeitete Zeit” gezahlt.

  

Im Falle der Kündigung des Arbeitsvertrags aus zwingenden Gründen nach Art. 25/III durch den Arbeitnehmer, ist der Arbeitgeber weder zur Mitteilung noch zur Zahlung eines Kündigungsfristentgelts verpflichtet. Die Zahlung eines Betriebszugehörigkeitsentgelts nach Art. 14 des Gesetzes Nr. 1475 bleibt unberührt.

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