Öffentliche Beschaffung in China: Erfüllt Ihr Produkt die Kriterien?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 28​. Juni 2024 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Das öffentliche Beschaffungswesen in China bietet Unternehmen große Chancen und Absatzmöglichkeiten. Allerdings ist die Teilnahme an Ausschreibungen und die Abgabe von Angeboten an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Ein zu be­schaffendes Produkt, das nicht „Made in China“ beziehungsweise kein chinesisches „einheimisches“ Produkt ist, stellt ein Ausschlusskriterium dar. Der folgende Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen, unter denen ein Produkt qualifiziert ist, um an einer öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen.


 


„Made in China“ versus „Einheimisches“ Produkt

In den letzten Jahren haben Produkte mit dem Label „Made in China“ in China deutlich an Beliebtheit gewonnen. Dieser Trend spiegelt jedoch weniger China als Herkunftsland wider, sondern zeigt ein wachsendes Nationalbewusstsein und Nationalstolz der chinesischen Gesellschaft. Chinesische Marken nutzen das Label „Made in China“ also eher als Marketinginstrument, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Erst in zweiter Linie hat das Label die Aufgabe als Herkunftskennzeichen für das Produkt zu dienen. 

Die Bezeichnung „Made in China“ ist ebenso wie „Made in Germany“ nicht gesetzlich geregelt. Damit ein Produkt mit dem Label „Made in China“ gekennzeichnet werden darf, dürfte, ähnlich wie in Deutschland, Voraussetzung sein, dass ein signifikanter Teil der Wertschöpfung in China stattfindet. Insgesamt dürfte die Kennzeichnung „Made in China“ – auch im Hinblick auf dessen Funktion als Marketinginstrument – vor allem für Konsumgüter im Einzelhandel von Bedeutung sein.

Anders stellt sich die Situation bei chinesischen „einheimischen“ Produkten dar. Im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens, aber auch bei der Beschaffung von Gütern wie Maschinen, Ausrüstungen, sonstigen Produktionsmitteln und Dienstleistungen von staatseigenen Unternehmen in China, spielt die Herkunft eines Produktes eine herausragende Rolle. Dabei ist die Frage, ob ein Produkt für die Beschaffung geeignet ist, nicht von einem Label „Made in China“ abhängig, sondern es müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für China als Ursprungsort des Produktes erfüllt sein.

Öffentliches Beschaffungswesen​

Gemäß dem chinesischen Beschaffungsgesetz („Government Procurement Law“) bezeichnet der Begriff „öffentliche Beschaffung“ die Verwendung von Steuermitteln durch alle Ebenen staatlicher Behörden, öffentlicher Institutionen und sozialer Organisationen zur Beschaffung von Gütern, Projekten und Dienst­leistungen. Das Gesetz findet Anwendung, wenn der Gegenstand der Beschaffung unter den zentralen Beschaffungskatalog fällt oder der Beschaffungswert über dem Schwellenwert liegt. Insbesondere öffentliche Institutionen können hier von Bedeutung sein, da Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten, aber auch Forschungseinrichtungen, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen darunter fallen, sofern die Beschaffung aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Für die Beschaffung durch die öffentliche Hand und Institutionen sowie soziale Organisationen sieht das Beschaffungsgesetz ausdrücklich vor, dass „einheimische“ Produkte („domestic products“) zu beschaffen sind, sofern nicht einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände (z.B. Nichtverfügbarkeit oder Verwendung im Ausland) greift. Staatseigene Unternehmen fallen dagegen nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des Beschaffungsgesetzes. Sie sind daher grundsätzlich frei in der Wahl der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen und können auch ausländische Produkte einkaufen. Viele staatseigene Unternehmen schreiben jedoch vor, dass die zu beschaffenden Waren und Dienstleistungen in erster Linie „einheimische Produkte“ sein müssen. 

​Der Begriff des „Einheimischen“ Produkts

Das Beschaffungsgesetz definiert nicht, wann ein Produkt oder eine Dienstleistung als „einheimisch“ gilt. Stattdessen ist im Gesetz vorgesehen, dass der Staatsrat („State Council“) den Begriff "einheimisch“ definiert. Obwohl die letzte Anpassung des Beschaffungsgesetzes bereits 2014 beschlossen wurde und in Kraft trat, ist dies ist jedoch noch nicht geschehen. Eine im Jahr 2022 veröffentlichte Bekanntmachung zur Einholung von Stellungnahmen der Öffentlichkeit zum Beschaffungsgesetz („Notice on Seeking on Public Comments for the Second Time on the Government Procurement Law“) sieht jedoch eine Regelung vor, die den Begriff des „einheimischen“ Produkts näher definiert: Werden Güter innerhalb des chinesischen Territoriums hergestellt und erreichen sie den festgelegten Wertschöpfungsanteil, werden sie bei der Beschaffung bevorzugt behandelt. 

Mit dieser Bekanntmachung wird das Konzept des festgelegten lokalen Wertschöpfungsanteils eingeführt. Allerdings obliegt auch hier die genaue Festlegung dem Staatsrat, die bislang noch nicht erfolgt ist.

Rückgriff auf Ursprungslandregeln

Damit bleibt für die Bestimmung des Begriffs „einheimisch“ zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur der Rückgriff auf die Regeln über das Ursprungsland („country of origin“), die im grenzüberschreitenden Handel, d.h. im Im- und Export, zur Anwendung kommen und von Bedeutung sind, soweit nicht Definitionen in vorrangig anzu­wendenden Handelsabkommen greifen. 

  • Welthandelsrecht
Im Welthandelsrecht gibt es derzeit keine Regelungen zur Bestimmung des Ursprungsortes. Eine Har­mo­ni­sierung der nichtpräferenziellen Ursprungsregeln ist zwar im Rahmen des WTO-Übereinkommens über Ur­sprungs­regeln („WTO Agreement on Rules of Origin“) vorgesehen, aber noch nicht erfolgt.

  • Vorschriften der Europäischen Union
Nach dem Zollkodex der Europäischen Union (Verordnung (EU) Nr. 952/2013) gelten Waren, die vollständig in einem einzigen Land oder Gebiet gewonnen oder hergestellt worden sind, als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets. Waren, die in mehreren Ländern oder Gebieten hergestellt werden, gelten als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem der letzte wesentliche Verarbeitungsschritt stattfand. Dieser muss in einem Unternehmen erfolgt sein und zu einem neuen Produkt geführt haben oder eine wichtige Herstellungsstufe darstellen.

  • US-amerikanisches Recht
Das US-amerikanische Recht („15 Code of Federal Regulations (CFR) § 30.1“) definiert einheimische Waren als Waren, die in den Vereinigten Staaten angebaut, produziert oder hergestellt wurden. Dies gilt auch für zuvor importierte Waren, die in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu dem Zustand, in dem sie importiert wurden, wesentlich verändert wurden, einschließlich Veränderungen, die in einer US-Freihandelszone vorgenommen wurden. Für Waren, die importiert wurden und die durch die Verarbeitung oder Herstellung in den Vereinigten Staaten wesentlich an Wert gewonnen oder in einem verbesserten Zustand sind, gelten ebenfalls als ein­hei­mische Waren im Sinne des US-amerikanischen Rechts.

  • Chinesische Vorschriften
Das chinesische Zollgesetz („Customs Law of the People's Republic of China“) definiert den Ursprungsort wie folgt: Für Waren, die vollständig in einem Land oder einer Region hergestellt wurden, ist dieses Land oder diese Region der Ursprungsort. Werden die Waren in zwei oder mehr Ländern oder Regionen hergestellt, so gilt das Land oder die Region, in der die letzte wesentliche Änderung vorgenommen wurde, als Ursprungsort. Soweit in internationalen Verträgen oder Abkommen, die die Volksrepublik China geschlossen hat oder denen sie beigetreten ist, andere Bestimmungen zur Ursprungsregelung getroffen wurden, sind diese maßgebend. Die genaue Bestimmung des Ursprungsortes von Einfuhren erfolgt nach diesem Gesetz und den Vorschriften des Staatsrates und seiner zuständigen Abteilungen.

Gemäß den chinesischen Vorschriften über den Ursprungsort von Importen und Exporten („Regulations of the People’s Republic of China on Place of Origin of Imports and Exports“) gilt: Wenn alle Waren aus einem Land oder einer Region stammen, ist dieses Land oder diese Region der Ursprungsort der Waren. Werden die Waren in zwei oder mehr Ländern oder Regionen hergestellt, so gilt das Land oder die Region, in dem die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung der Waren stattgefunden hat, als Ursprungsort.

Wesentliche Änderung

Allen einschlägigen Regelungen ist vom Wortlaut her gemein, dass Waren in einem Land oder in der EU zu „einheimischen“ Produkten werden können, wenn eine letzte wesentliche oder substanzielle Veränderung, Be- oder Verarbeitung, Umwandlung oder Wertsteigerung von zuvor importierten Gütern im jeweiligen Land statt­gefunden hat. Im Detail kann es jedoch erhebliche Unterschiede geben. Beispielsweise kann eine Be- oder Verarbeitung nach dem Zollkodex der Europäischen Union zu einem „Unionserzeugnis“ führen, während die gleiche Be- oder Verarbeitung nach dem Recht der Vereinigten Staaten nicht ausreicht, um ein „US-Erzeugnis“ zu schaffen.

  • Feststellung einer wesentlichen Änderung nach chinesischem Recht
Nach den chinesischen Ursprungsregeln bleiben geringfügige Be- oder Verarbeitungen, die lediglich dem Transport, der Lagerung, dem Be- und Entladen, der Verpackung oder dem Verkauf dienen, bei der Bestimmung des Ursprungslandes oder der Ursprungsregion einer Ware unberücksichtigt.

Um festzustellen, ob eine wesentliche Veränderung der Ware vorliegt, sehen die Ursprungsregeln eine abge­stufte Prüfungsreihenfolge vor. Das wichtigste Kriterium für die Feststellung einer wesentlichen Veränderung ist eine Änderung der Zolltarifnummer. Wenn eine Änderung der Zolltarifnummer keine wesentliche Änderung widerspiegelt, gelten der Prozentsatz des Wertzuwachses oder das Herstellungs- oder Verarbeitungsverfahren als nachrangige Kriterien. 

  • Konkretisierung der Feststellungskriterien für eine „wesentliche Änderung“
Um den Ursprung einer Ware nach den vorgenannten Ursprungsregeln korrekt feststellen zu können, hat der chinesische Gesetzgeber die zuletzt im Jahr 2018 überarbeiteten Bestimmungen über die wesentliche Änderung der Kriterien in den nichtpräferentiellen Ursprungsregeln („Provisions on the Substantial Trans­formation of Criteria in Non-Preferential Rules of Origin“) erlassen.

Nach diesen Bestimmungen liegt, vereinfacht gesagt, eine „Änderung der zolltariflichen Einreihung“ vor, wenn sich die Ware nach der Herstellung und Verarbeitung in China mit Vormaterialien aus einem anderen Land in eine andere Kategorie des Zolltarifs der VR China einordnen lässt als die verwendeten Vormaterialien. 

Der „Prozentsatz des Wertzuwachses“ gibt an, ob eine Ware nach der Herstellung oder Verarbeitung von Vormaterialien in China, die nicht aus China stammen, in China einen Wertzuwachs aufweist. Dazu wird der Wert der Ware nach der Verarbeitung mit dem Wert der Ausgangsmaterialien verglichen. 

Die Faustformel zur Ermittlung des Wertzuwachses lautet: Preis des Erzeugnisses gemäß Incoterm Ex Works abzüglich des Wertes der nicht ursprünglichen (also nicht-chinesischen) Vormaterialien (Incoterm CIF) mal 100 Prozent. Der Wertzuwachs muss mindestens 30 Prozent betragen, damit die Ware als Ursprungsprodukt Chinas gilt. Die Berechnung des Wertzuwachses muss den allgemein anerkannten Buchführungsgrundsätzen und den Vorschriften des Einfuhr- und Ausfuhrtarifs entsprechen.

Unter „Herstellungs- oder Verarbeitungsverfahren“ sind jene zu verstehen, die in einem Land oder einer Region durchgeführt werden und den hergestellten Waren ihre wesentlichen Eigenschaften verleihen. Für ein chinesisches „einheimisches“ Produkt müssen diese Verfahren demnach in China erfolgen.

Für Erzeugnisse, bei denen die wesentliche Änderung durch die Kriterien der Herstellungs- oder Ver­arbeitungs­vor­gänge und des prozentualen Wertzuwachses bestimmt werden, enthalten die Bestimmungen einen detaillierten Anhang. Die in diesem Anhang aufgeführten Kriterien bestimmen, ob eine wesentliche Änderung festgestellt werden kann oder nicht. Bei Produkten, die nicht im Anhang aufgeführt sind, erfolgt die Fest­stellung einer wesentlichen Änderung exklusiv nach dem Kriterium der Änderung der zolltariflichen Einreihung.

Fazit

Ausländisch investierte Unternehmen in China können sich grundsätzlich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen und Angebote abgeben, sofern ihre Waren und Produkte nach den genannten Kriterien als „einheimisch“ gelten. Dies bedeutet, dass Unternehmen prinzipiell Rohstoffe, (Teil-)Komponenten oder Produktteile für das Endprodukt nach China importieren können und letztlich nur eine wesentliche Be- oder Verarbeitung in China erfolgen muss, die zu einer Änderung der zolltariflichen Einreihung des Endprodukts oder zu einem erheblichen Wertzuwachs von mindestens 30 Prozent führt. Dies gilt auch, wenn die Be- oder Verarbeitung, die dem Endprodukt seine wesentlichen Eigenschaften verleiht, in China erfolgt. 

Im Einzelfall kann es jedoch schwierig sein, den genauen Umfang der Be- und Verarbeitung in China zu be­stimmen, der erforderlich ist, um das Produkt als „einheimisch“ zu qualifizieren. Unternehmen, die beab­sichtigen, Ausgangsmaterialien oder Vor- bzw. Teilprodukte nach China zu importieren, um dann in China das Endprodukt fertig zu stellen und sich mit diesem an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, sollten daher genau prüfen, welche konkreten Kriterien für eine wesentliche Änderung ihres Produktes in China gelten. Dazu sollten sie die entsprechenden Vorkehrungen treffen sowie die Endproduktion der Waren adäquat planen und durchführen.
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