China: FAW Audi Werbeskandal: Verletzung von geistigem Eigentum in der Werbung

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veröffentlicht am 14. Juli 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Christina Gigler und Xiaolan Zhao


Der Plagiatsskandal um die FAW-Audi-Werbung löste in den sozialen Medien Chinas große Kontroversen aus und lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Originalität. Plagiate geistigen Eigentums scheinen ein unvermeidliches Risiko zu sein, wenn es um Kreativität und Innovation geht. Was können Unternehmen und Werbetreibende tun, um ihre eigenen Interessen und ihren guten Ruf beim Outsourcen der Werbeproduktion zu schützen?



Der 21. Mai ist traditionell das Fest der „Ährenbildung“, der zweite Halbmonat des Sommers nach dem chinesischen Mondkalender. An diesem Tag postete das Audi-Joint Venture der chinesischen FAW-Gruppe und des deutschen Volkswagen-Konzerns („FAW Audi“) ein kurzes Werbevideo mit dem Titel „Ährenbildung des Lebens“, das von der Londoner Marketingagentur M&C Saatchi geleitet und produziert wurde. Dieser Werbespot mit seiner einzigartigen Kreativität und schönen Schrift, die von der traditionellen chinesischen Kultur geprägt ist, hat in den sozialen Medien viel Aufmerksamkeit erregt und innerhalb eines Tages fünf Millionen Likes erhalten. Doch nur wenige Stunden später veröffentlichte ein Blogger ein Video, in dem er FAW Audi beschuldigte, sein vor einem Jahr gedrehtes Originalvideo wortwörtlich zu plagiieren. In den folgenden Tagen zog FAW Audi das Video von allen Online-Kanälen zurück und entschuldigte sich bei dem Blogger. Nach Angaben des Bloggers nahm er die Entschuldigung an und erklärte sich bereit, das Originalwerk kostenlos an Audi zu lizenzieren. "Ich hoffe, dass dieser Vorfall das Bewusstsein für die Originalität von Werken sensibilisieren wird", sagte der Blogger und beendete damit diesen Fauxpas.

Die Aufregung ist jedoch noch lange nicht vorbei. Die dramatische Kehrtwende und die Popularität von FAW Audi und der Werbeagentur M&C Saatchi in der Branche haben eine öffentliche Kontroverse ausgelöst. FAW Audi als Auftraggeber der Werbeleistung wurde, anstatt für seine Produkte zu werben, des Plagiats und des mangelnden Respekts vor der Originalität beschuldigt, und erntet mit der „Ährenbildung“ in der Tat einen großen Vertrauensverlust. Wie kann sich ein Werbetreibender also vor einer Verletzung des geistigen Eigentums eines Dritten und den Konsequenzen daraus schützen?

Haftung des Auftraggebers der Werbeleistung

Erstens steht in solchen Fällen fest, dass FAW Audi für den Verstoß verantwortlich ist. Gemäß Art. 68 des Werberechts der VR China sind Werbetreibende (Auftraggeber), Werbeagenturen und Werbeverlage, die die legitimen zivilen Rechte und Interessen anderer verletzen, nach dem Gesetz zivilrechtlich haftbar. Darüber hinaus ist gemäß Art. 19 des Urheberrechtsgesetzes der VR China die Eigentümerschaft des Urheberrechts an einem Auftragswerk zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten vertraglich zu vereinbaren. Wird im Vertrag keine Vereinbarung getroffen oder gibt es keinen Vertrag, so liegt das Urheberrecht beim Auftraggeber. Somit hätte FAW Audi als Auftraggeber von Anfang an über das Urheberrecht verfügen müssen. FAW Audi ist als Werbetreibender und Herausgeber dieser Werbung direkt verantwortlich für eine mögliche Verletzung des Urheberrechts des Bloggers, die Überarbeitung und Informationsübertragung im Netzwerk usw.

Die Frage, ob FAW Audi das Recht hat, von M&C Saatchi eine Entschädigung zu verlangen, nachdem sie die Verantwortung für die Rechtsverletzung getragen hat, hängt vom Werbevertrag zwischen diesen beiden Parteien ab. Unseres Erachtens sollte darin eine Schadloshaltungsklausel bezüglich des geistigen Eigentums enthalten sein. Dies berührt jedoch nicht die rechtliche Verantwortung von FAW Audi gegenüber der Person, deren Rechte verletzt wurden.

Wann gelten Haftungsausschlüsse?

Kann sich der Werbetreibende auf die „Rechtsmängelhaftung“ des Zivilgesetzbuchs (ZGB) berufen? 

Art. 612 des ZGBs  sieht vor, dass der Verkäufer im Hinblick auf den übergebenen Vertragsgegenstand verpflichtet ist, zu gewährleisten, dass ein Dritter keinerlei Rechte an diesem Vertragsgegenstand genießt, es sei denn, dass gesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Wenn der Käufer bei Vertragsschluss weiß oder wissen müsste, dass ein Dritter Rechte am Vertragsgegenstand des Kaufs hat, übernimmt der Verkäufer die vorgenannte Pflicht nicht. Diese Bestimmung befindet sich jedoch im Kapitel Kaufverträge, während die Werbeproduktion im Wesentlichen als Werkvertrag angesehen wird, so dass sie nicht uneingeschränkt anwendbar ist. Außerdem besteht die Folge einer Verletzung der „Rechtsmängelhaftung“ in der Aussetzung der Zahlung und nicht in der Befreiung des Käufers von der Haftung.

Ist die „legitime Quelle“ als Einrede für den Haftungsausschluss anwendbar? 

Die Antwort ist ebenfalls nein. Für das Urheberrecht gilt – wie in Art. 59 des Urheberrechtsgesetzes festgelegt ist – die „Einrede der legitimen Quelle“ nur für den Herausgeber, Hersteller und Vertreiber der Repliken und Vermieter von Repliken audiovisueller Werke, Computersoftware oder Audio- und Videoaufzeichnungen, die das Urheberrecht verletzen, nicht aber für andere Subjekte und Benehmen. Sie gilt also auch in diesem Fall nicht für die Werbeproduktion.

Daher scheint es für Werbetreibende unerlässlich zu sein, proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um  eine etwaige Rechtsverletzung und daraus resultierende negative Konsequenzen zu vermeiden.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Es gibt zwei Möglichkeiten, Ihre Interessen als Werbetreibender - oder allgemein als Auftraggeber bei Werk- oder Auftragsverträgen - zu schützen, nämlich die Vertragsgestaltung und Erfüllung der Pflicht zur angemessenen Sorgfalt.

Vertragsgestaltung

Zu den üblichen Werbeverträgen gehören der Werbeproduktionsvertrag, der Werbeverlagsvertrag und der Mietvertrag für Werbeflächen. Beim Werbeproduktionsvertrag ist es am wahrscheinlichsten, dass eine Verletzung des geistigen Eigentums vorliegt.

Um Risiken möglichst umfänglich bereits in der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen, sollte eine entsprechende Haftungsfreistellungsklausel für Rechte des geistigen Eigentums im Vertrag aufgenommen werden. Folgende Schlüsselelemente sollten enthalten sein:

  1. Subjekt der Nicht-Verletzung: Outsourcing ist bei Werbeagenturen gängige Praxis. Daher sollte nicht nur der Auftragnehmer, sondern auch die Subauftragnehmer in die Freistellungsklausel einbezogen werden. 
  2. Die Haftung auslösende Handlungen: Nicht nur die Verletzung, sondern auch die missbräuchliche Nutzung des Urheberrechts eines Dritten sollte hierunter fallen. Denn in vielen Fällen einer (angeblichen) Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums neigen die beteiligten Parteien dazu, den Streit durch eine private Vereinbarung zu lösen, anstatt ihn vor Gericht auszutragen, insbesondere wenn es sich wie in diesem Fall um eine bekannte Marke handelt. Wenn kein Gerichts- oder Schiedsgerichtsurteil vorliegt, ist eine Bewertung, ob eine Verletzung überhaupt vorliegt, nur schwer möglich. Daher kann auch das Erfordernis von „alleiniger und vollständiger Eigenleistung“ hinzugefügt werden, um die Beweislast der Werbetreibenden zu vereinfachen, wenn sie Schadensersatz fordern. 
  3. Umfang der Entschädigung: Der Umfang der Entschädigung sollte nicht nur direkte, sondern auch indirekte Schäden wie den Verlust des Firmenwerts abdecken. Darüber hinaus kann ein Schadensersatz für den Fall einer Pflichtverletzung durch die Werbeagenturen gesondert vereinbart werden, deren Höhe geringfügig höher sein kann als die Höhe des zu erwartenden tatsächlichen Schadens, um präventiv eine Klage auf Anpassung der Schadenshöhe zu vermeiden.
  4. Weitere Rechtsbehelfe: Neben der Entschädigung könnte der Werbetreibende das Recht haben, den Entschädigungsbetrag von dem zu zahlenden Betrag abzuziehen oder von den Werbeagenturen die Rückerstattung eines Teils oder der gesamten Dienstleistungsgebühr zu verlangen. 
  5. Behandlung von Rechtsverletzungsstreitigkeiten: Kommt es zu einem Verletzungsstreit, sollte die Werbeagentur als beklagte Partei die Initiative ergreifen und auf die Klage reagieren, die Entscheidung über einen Vergleich sollte jedoch in den Händen des Werbetreibenden liegen.
  6. Survival: Die Haftungsfreistellungsklausel für Rechte des geistigen Eigentums gilt in der Regel über das Auslaufen oder die Beendigung des Vertrags hinaus.

Erfüllung der Pflicht zur angemessenen Sorgfalt

Da die Werke nicht der Registrierungspflicht unterliegen, ist es angesichts der rasanten Entwicklung aller Arten von Medien in China fast unmöglich, die Entdeckung solcher medienübergreifenden Plagiate zu 100% zu gewährleisten, vor allem, wenn es sich um Inhalte von Audio- oder Video-Podcasts handelt. Vergleichbare Werkzeuge, wie es sie bspw. für wissenschaftliche Aufsätze gibt, existieren nicht. Selbst wenn FAW Audi in diesem Fall eine Plagiatsprüfung durchgeführt hätte, ist es zweifelhaft, ob dadurch dieses Problem verhindert worden wäre.

Dennoch ist es ratsam dass Unternehmen und Werbetreibende selbst oder durch Beauftragung externer Dritter Ähnlichkeitsrecherchen durchführen und diese protokollieren lassen. Gemäß Art. 20 der Auslegung des Obersten Volksgerichts zu verschiedenen Fragen der Rechtsanwendung bei der Verhandlung von Zivilsachen, die Urheberrechtsstreitigkeiten betreffen, haftet der Verleger, wenn eine Veröffentlichung das Urheberrecht einer anderen Person verletzt, je nach seinem Verschulden, dem Grad der Verletzung und den Folgen des Schadens usw. für den Ersatz des Schadens. Verletzt ein Verleger seine Sorgfaltspflicht, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Der Verlag trägt die Beweislast dafür, dass er die angemessene Sorgfalt beachtet hat. Mit einer Plagiatsprüfung kann der Werbetreibende sich darauf berufen, dass er keine Böswilligkeit/Vorsätze und kein schwerwiegendes Fehlverhalten begangen hat, was seine Haftung bei der Zahlung von einem möglichen Schadenersatz mindern kann.

In dem vom Obersten Volksgericht in 2017 veröffentlichten Präzedenzfall Nr. 80 zu einer anderen Urheberrechtsverletzung beauftragte der Beklagte eine Designagentur mit der Gestaltung der Verpackung, der Werbeschrift und der Werbematerialien seiner Produkte, was jedoch eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers in diesem Fall darstellte. Die Beklagte machte geltend, dass alle betreffenden Materialien von der externen Agentur entworfen worden seien, die nach dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag alle Folgen einer Verletzung der Designinhalte zu tragen habe. Das Gericht befand, dass die Beklagte als Auftraggeberin der Produktverpackung nicht nachweisen konnte, dass sie angemessene Sorgfalt angewendet hat, und dass sie als Endnutzerin und tatsächliche Nutznießerin des rechtsverletzenden Werks zivilrechtlich verpflichtet ist, die Rechtsverletzung zu unterbinden, die Auswirkungen zu beseitigen, sich zu entschuldigen, Verluste zu ersetzen usw. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Designagentur ist ein anderes Rechtsverhältnis, das nicht in den Prozessumfang des vorliegenden Falles fällt. Die Parteien können separat ein Verfahren beantragen.

Die ordnungsgemäße Prüfung des Werbeinhalts und die entsprechende Protokollierung des Due-Diligence-Prozesses schützen den Werbetreibenden daher bis zu einem gewissen Grad.

Zwar ist dieser Vorfall verhältnismäßig glimpflich für den Werbetreibenden ausgegangen, dennoch dieser dürfte  Auswirkungen auf die chinesische Werbeindustrie haben, die  der Originalität und den Rechten an geistigem Eigentum nun mehr Aufmerksamkeit schenken wird. 

Unternehmen und Werbetreibende sollten sich der möglichen Risiken bewusst sein und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um ihre Interessen so weit wie möglich durch eine ordnungsgemäße Vertragsgestaltung und eine angemessene Supervision zu schützen.

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