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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten
Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (kurz: AbzStEntModG) wurden im Jahr 2021 die Vorschriften zum Fremdvergleichsgrundsatz neu strukturiert und an die aktuellen OECD-Verrechnungspreisleitlinien angepasst. In diesem Zusammenhang wurden auch die Vorschriften zur Funktionsverlagerung überarbeitet und in einen neuen Absatz 3b in § 1 AStG überführt. Die dadurch notwendige Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) vom 18.10.2022 ist seit dem 26.10.2022 gültig.
Entgegen der Äußerung des BMF in der Verordnungsbegründung bringt die neue FVerlV einige Verschärfungen mit sich. Sie gilt rückwirkend für alle vollendeten Funktionsverlagerungen in Veranlagungszeiträumen, die nach dem 31.12.2021 beginnen. D.h. die neuen Regelungen sind bereits bei im Jahr 2022 vollendeten und bei derzeit laufenden grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen zu beachten.Die Neufassung der FVerlV soll Unklarheiten beseitigen, für mehr Rechtssicherheit sorgen und darüber hinaus nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwandes führen. Tatsächlich stellen die umfassenden Änderungen eine Verschärfung gegenüber den bisherigen Regelungen dar – mit weitreichenden Konsequenzen für betroffene Steuerpflichtige bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung. Die wichtigsten neuen Vorschriften und deren Bedeutung für Steuerpflichtige fassen wir Ihnen nachfolgend zusammen.
Der Begriff der Funktionsverlagerung wird in § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV neu definiert. Demnach ist der Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllt, wenn eine Funktion inklusive der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteilen verlagert wird. Nach der bisherigen Regelung war eine gleichzeitige Übertragung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen zwingend erforderlich. Da eine Funktionsverlagerung in der Regel nur durchgeführt wird, wenn sie vorteilhaft ist, wurde mit der neuen Definition die Schwelle für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung deutlich gesenkt und wird voraussichtlich zu mehr Diskussionen in Außenprüfungen führen.
Darüber hinaus ist das bisherige zusätzliche Kriterium der Funktionseinschränkung beim verlagernden Unternehmen nicht mehr Tatbestandsmerkmal einer Funktionsverlagerung. Relevant ist nur, ob das übernehmende verbundene Unternehmen die ganz oder teilweise übertragene oder überlassene Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann. Dadurch werden auch explizit die Verlagerung von verlustbehafteten Unternehmensbereichen und Funktionsausweitungen erfasst. Dies stellt eine deutliche Verschärfung dar und steht außerdem nicht im Einklang mit der Sichtweise der OECD.
Zudem ist eine Übertragung bzw. Überlassung einer Funktion im Ganzen nicht mehr nötig, sondern bereits die teilweise Übertragung bzw. Überlassung reicht aus, um den Tatbestand einer Funktionsverlagerung zu verwirklichen. Alle drei genannten Aspekte führen dazu, dass vermehrt Geschäftsvorfälle, die in der Vergangenheit nicht unter die Definition der Funktionsverlagerung fielen, in Zukunft als Funktionsverlagerung betrachtet werden könnten.
Die bisher gültige Verordnung enthielt eine Reihe von Negativabgrenzungen, bei welchen keine Funktionsverlagerung angenommen wurde, u.a. konzerninterne Dienstleistungen und Personalentsendung im Konzern (§ 1 Abs. 7 FVerlV a.F.). In der Begründung zur neuen FVerlV wird ausgeführt, dass mit den bestehenden Regelungen sichergestellt sei, dass es in den entsprechenden Fällen zu keiner Funktionsverlagerung kommt. In der Praxis ergeben sich durch den Wegfall dieser Einschränkungen möglicherweise jedoch erhebliche Rechtsunsicherheiten, in deren Folge auch in den bisher explizit ausgeschlossenen Fällen eine Funktionsverlagerung unterstellt werden könnte.
Bislang bestand die Möglichkeit, bei Zweifeln, ob hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile eine Übertragung oder eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist, auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen (§ 4 Abs. 2 FVerlV a.F.). Eine Nutzungsüberlassung ist für den Steuerpflichtigen von Vorteil, da diese grundsätzlich günstiger ist als eine Transferpaketbewertung und der damit einhergehenden Sofortbesteuerung des Gewinns, der in Zukunft voraussichtlich erzielt wird. Diese in der Praxis häufig genutzte sog. Lizenzierungsoption wurde ersatzlos gestrichen. Sie wurde bisher insbesondere in Fällen genutzt, in denen unklar war, ob alle Tatbestandsmerkmale einer Funktionsverlagerung erfüllt wurden. Der nicht weiter begründete Wegfall dieser Regelung wird in Zukunft bei der Auflösung von vorhandenen stillen Reserven bei überlassenen Wirtschaftsgütern voraussichtlich vermehrt zu Diskussionen in steuerlichen Außenprüfungen führen. Eine Lizensierung von Anfang an, d.h. bereits im Rahmen einer vorweggenommenen Gestaltung, ist u.E. jedoch weiterhin möglich.
Bei der Bewertung des Transferpakets sind ab sofort verlagerungsbedingte Steuer- und Abschreibungseffekte einzubeziehen (§ 2 S. 1 FVerlV). Die sog. Exit Tax und der sog. Tax Amortisation Benefit können den Mindest- und den Höchstpreis bei der Transferpaketbewertung erheblich beeinflussen und darüber hinaus sogar dazu führen, dass u.U. kein Einigungsbereich zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen zustande kommt. Die bereits im BMF-Schreiben vom 13.10.2010 (VWG FVerl) dargelegte Auffassung der Finanzverwaltung, dass Steuereffekte bei der Transferpaket-bewertung zu berücksichtigen sind, wurde somit in der neuen FVerlV gesetzlich verankert. Allerdings ohne hinreichend konkrete Regelungen, sodass weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen bleiben.
Zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes muss künftig zwingend ein vom Kapitalmarkt abgeleiteter risikoadäquater Zuschlag einbezogen werden (§ 4 FVerlV). Der Risikozuschlag ist grundsätzlich fremdüblich zu bestimmen, d.h. er muss dem Risikozuschlag entsprechen, den fremde Dritte in einer vergleichbaren Transaktion verwenden würden. Die Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Risikosituation entfällt, was erhebliche Auswirkungen auf die jeweilige Barwertermittlung und damit auf die gesamte Transferpaketbewertung haben wird. Bisher häufig verwendete vereinfachte Ansätze zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes sind somit in Zukunft nicht mehr anwendbar. Damit wird sich auch der Administrationsaufwand erhöhen, da die Bestimmung fremdüblicher Risikozuschläge in der angedachten Form aufwendiger und vielfach wohl ohne Beratung nicht mehr möglich ist.
Bei der Ermittlung der Barwerte für das Transferpakt ist weiterhin grundsätzlich von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen. Die Verkürzung des Kapitalisierungs-zeitraums ist nur möglich, wenn der Steuerpflichtige entsprechende Gründe nachweisen kann (§ 5 FVerlV). Während die vorherige Fassung der FVerlV lediglich die Glaubhaftmachung eines begrenzten Kapitalisierungszeitraums fordert, ist nun ein Nachweis durch den Steuerpflichtigen nötig. Diese verschärfte Beweispflicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen könnte in einigen Fällen zu einer signifikanten Erhöhung des Transferpakets und damit zu einer Erhöhung der Steuerlast des Steuerpflichtigen führen. Unbeantwortet ist die Frage, wie ein solcher Nachweis aussehen kann. Zumal es schwierig erscheint, konkrete Beweise für hypothetische, künftige Entwicklungen zu liefern.
Durch den Wegfall der Regelung zur zeitlich begrenzten Übernahme einer Funktion muss in entsprechenden Fällen im Einzelfall geprüft werden, ob eine Funktionsverlagerung vorliegt (§ 1 Abs. 2 S. 2 FVerlV a.F.). Dies kann insofern unvorteilhaft für Steuerpflichtige sein, da sich die zeitliche Beschränkung bei der Bewertung des Transferpakets grundsätzlich steuerentlastend für das verlagernde Unternehmen auswirkt, da der Barwert der finanziellen Überschüsse bei einem kürzeren Kapitalisierungszeitraum niedriger ist.
In der Neufassung der FVerlV wird klargestellt, dass die Regelungen zur Funktionsverlagerungsbesteuerung auch auf Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte anzuwenden sind (§ 8 FVerlV). Wird also eine Funktion vom inländischen Stammhaus an eine ausländische Betriebsstätte verlagert, sind die entsprechenden Vorschriften der FVerlV zu beachten.
Schließlich ist auch der Wegfall von zwei der drei bisher bestehenden sog. Escape-Klauseln in § 1 Abs. 3 AStG a.F. eine Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung. In bestimmten Fällen konnten anstelle einer ertragswertorientierten Transferpaketbewertung Einzelverrechnungspreise für die betroffenen Wirtschaftsgüter angesetzt werden. Zwei der drei bisherigen Klauseln entfielen mit der Erneuerung des § 1 AStG ersatzlos. Es besteht aber weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, von der Gesamtbewertung des Transferpakets abzusehen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren.
Da die Vorschriften der neuen FVerlV rückwirkend gelten, ist bei allen bereits im Jahr 2022 vollendeten und derzeit laufenden grenzüberschreitenden Umstrukturierungen unbedingt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung erfüllt sind, um frühzeitig reagieren zu können.Die Neufassung der FVerlV führt zu einigen Verschärfungen und darüber hinaus zu neuen Rechtsunsicherheiten. Besonders hervorzuheben ist die Neudefinition der Funktionsverlagerung, wodurch in Zukunft voraussichtlich vermehrt grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle als Funktionsverlagerung einzuordnen sind. Zudem wird explizit klargestellt, dass die neue FVerlV auch für Betriebsstättenfälle gilt. Für die Praxis wird außerdem der Wegfall der Lizenzierungsoption von großer Bedeutung sein. Auch bei der Bewertung des Transferpakets gilt es einige Neuerungen zu beachten. Insbesondere die teilweise Einführung einer Nachweispflicht anstatt der Möglichkeit der Glaubhaftmachung führt zu einer erhöhten Beweislast und ist eine eindeutige Änderung zum Nachteil von Steuerpflichtigen.Neue Rechtsunsicherheiten entstehen insbesondere durch den Wegfall bisheriger klarstellender Regelungen, wie z.B. den fehlenden Negativabgrenzungen. Zudem sind mit der Streichung von zwei Escape-Klauseln im neuen § 1 AStG weitere Erleichterungen für Steuerpflichtige entfallen.
Michael Scharf
Steuerberater
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