Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter aus Verrechnungspreissicht

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​​zuletzt aktualisiert am 5. April 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten
 
Mit der fortschreitenden Globalisierung, der Digitalisierung der Weltwirtschaft sowie der damit verbundenen Expansion von internationalen Unternehmen werden immaterielle Vermögensgegen­stände zunehmend zu Werttreibern bei den globalen Wertschöpfungsprozessen. Internationale Tochtergesellschaften nutzen, entwickeln oder kaufen immaterielle Wirtschaftsgüter. Der einfache Lohnfertiger im Ausland wird zunehmend durch global vernetzte Firmen- und Wertschöpfungsstruk­turen abgelöst. Konzerne nutzen weltweit ihre Expertise. Solche operativen Entwicklungen haben auch steuerliche Konsequenzen, speziell im Bereich Verrechnungspreise (Transfer Pricing). Globale Unternehmen müssen sich mit den steuerlichen Auswirkungen einer Funktionsverlagerung, wie bspw. bei Forschung & Entwicklung, sowie der Schaffung, Nutzungsüberlassung bzw. Übertragung von immateriellen Werten wie Marken oder Technologien auseinandersetzen. Das alles macht, aufgrund von oftmals signifikanten Gewinnverschiebungen, stabile Verrechnungspreissysteme speziell für immaterielle Wirtschaftsgüter zur Verteidigung gegenüber der Finanzverwaltung unausweichlich.



 

 

Konsequenzen für immaterielle Wirtschaftsgüter nach BEPS

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die OECD im Rahmen des BEPS-Prozesses – dessen Ergebnisse in den steuerlichen Regelungen und der Anwendungspraxis in vielen Ländern umgesetzt wurden – insbesondere den immateriellen Wirtschaftsgütern angenommen hatte. Die Kernaussage der OECD-Ergebnisse besteht darin, dass nicht die rechtliche, sondern die wirtschaftliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts den Ausschlag für die Gewinnzuordnung und folglich für die steuerlichen Konsequenzen geben soll. Vielmehr muss bei der Beurteilung aus Verrechnungspreissicht gefragt werden, wer das immaterielle Wirtschaftsgut entwickelt, verbessert, instand hält, schützt bzw. verwertet. Hierbei wird von der sog. „DEMPE-Formel” gesprochen, die dann zu einer (wirtschaftlichen und somit steuerlichen) Zuordnung der immateriellen Wirt­schaftsgüter führt. Zudem vertritt die OECD die Meinung, dass sowohl Datenbankstudien, als auch Daumen­regeln wie die sog. „Knoppe-Formel” der Komplexität von immateriellen Wirtschaftsgütern nicht gerecht werden. Der BEPS-Prozess hat bei vielen Finanzverwaltungen Begehrlich­keiten geweckt. Dabei ist speziell bei immateriellen Wirtschaftsgütern die Verteidigung der festgesetzten Verrechnungspreise aufgrund der Ein­schränk­ung der Methodenwahl komplex. Folglich stellt sich die Frage: Wie können immaterielle Wirtschafts­güter angemessen und belastbar bepreist werden?
 

Welchen Wertbeitrag leisten immaterielle Vermögenwerte?

Grundsätzlich gilt für Marken, Technologien oder Funktionsverlagerungen der Fremdvergleichsgrundsatz, d.h. die Verrechnungspreise müssen denjenigen Preisen entsprechen, die fremde Dritte in einer vergleich­baren Situation vereinbart hätten. Hinsichtlich der Frage, was bspw. ein angemessener Preis für eine Marke ist, stoßen jedoch die gängigen (einseitigen) Verrechnungspreismethoden, wie die Kostenauf­schlags­methode oder die Wiederverkaufspreismethode, schnell an ihre Grenzen. Die aus Verrechnungs­preissicht grundsätzlich präferierte Preisvergleichsmethode liefert bei Asset-Bewertungen meistens keine angemessenen Ergebnisse. Da immaterielle Wirtschaftsgüter i.d.R. einzigartig sind, gibt es häufig keine Märkte, auf denen diese Güter gehandelt werden bzw. auch keine vergleichbaren Transaktionen unter fremden Dritten, die als Preisvergleich zur Verfügung stehen. Zudem vertritt die deutsche Finanzverwaltung vielfach die Auffassung, dass auf Basis von Datenbankstudien für Lizenz­strukturen bzw. generell für Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschafts­güter keine angemessenen Preise und aussagekräftigen Antworten abgeleitet werden können. Folglich sind sowohl die Standard­methoden, als auch Datenbankstudien beim Price Setting i.d.R. nicht hilfreich. Der Profit Split-Ansatz kann ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet und deshalb nicht als grundsätzlich geeignetes Lösungskonzept betrachtet werden. In den angesprochenen Fällen ist daher die Anwendung von wirtschaftlichen Bewertungsmethoden oftmals angemessen oder sogar unausweichlich.


Welche betriebswirtschaftlichen Verfahren kommen hierfür in Frage?

Zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte kommen gemäß Standard IDW S5 „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte” des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. marktpreisorien­tierte, kostenorientierte und kapitalwertorientierte Verfahren in Frage. Marktpreisorientierte Verfahren sind zwar in der Theorie zu bevorzugen, da immaterielle Vermögenswerte im Gegenteil zu Unternehmensanteilen (Aktien) nicht am freien Markt gehandelt werden, kommen solche Verfahren in Ermangelung eines aktiven Marktes und aufgrund des Fehlens von entsprechenden Informationen nicht in Betracht. Kostenorientierte Verfahren beziehen lediglich die in der Vergangenheit angefallenen Kosten zum Aufbau einer Technologie oder Marke ein und reflektieren nicht, welcher nutzen in der Zukunft daraus gezogen werden kann. Ihnen kommt daher ebenfalls keine eigenständige Aussagekraft zu. Somit verbleiben die kapitalwertorientierten Verfahren, zu denen insbesondere die Methode der Lizenzpreisanalogie, die Mehrgewinnmethode und die Residualgewinnmethode zu zählen sind.


Lizenzpreisanalogie: In der Praxis beliebt, von den lokalen Steuerbehörden verschmäht?

Bei der Lizenzpreisanalogiemethode wird ermittelt, welche Lizenzentgelte der Eigentümer aufwenden müsste, wenn er den betreffenden Vermögenswert nicht besäße, sondern lizenzieren müsste. Die fiktiv ersparten Lizenzgebühren stellen den Wertbeitrag des Vermögenswertes dar. Für die Anwen­dung der Lizenz­preis­analogie­methode ist eine angemessene, marktübliche („arm‘s length”) Lizenzrate zu ermitteln und ihre Basisgröße (z.B. Nettoumsatz) festzulegen. Der Wert des immateriellen Vermögens­wertes ergibt sich aus dem Barwert der eingesparten zukünftigen Lizenzzahlungen („Lizenzersparnisse”) nach Steuern.

Auch wenn die Lizenzpreisanalogie aufgrund ihrer relativ einfachen und transparenten Berechnungslogik mit am häufigsten in der Praxis Verwendung findet, so stellt die Recherche einer Lizenzrate für einen vergleichbaren immateriellen Vermögensgegenstand die größte Herausforderung in deren Anwendung dar. Zwar gibt es einschlägige und auch öffentlich zugängliche Datenbanken zur Recherche vergleichbarer Lizenzraten wie RoyaltySource, RoaltyStat oder Markables. Der relativ geringe Umfang dieser Datenbanken führt jedoch häufig dazu, dass eine Vergleichbarkeit nur sehr eingeschränkt gegeben ist. So unterliegen beobachtbare Lizenzraten häufig in einer Bandbreite von 0,5 Prozent (oder auch darunter) bis hin zu 10 Prozent, und es ist bspw. bei Lizenzraten für Technologien schwierig, anhand der verfügbaren Informationen die Innovationskraft, den rechtlichen Schutzumfang oder das künftige Marktpotential der vergleichbaren Technologien zu beurteilen. Zudem sind die in diesen Datenbanken aufgeführten Lizenzvereinbarungen sehr stark angelsächsisch geprägt und aus weiter zurückliegenden Jahren. Die letzten beiden Argumente sind daher auch die Kritikpunkte, die steuerliche Betriebsprüfer insbesondere in Deutschland gegen die Lizenzpreisanalogie aufführen. Als Beispiel sei hier ein Zitat aus einem Schreiben eines Finanzamts zum Thema Technologiebewertung aufgeführt: „Erfahrungsgemäß gelingt es dem Steuerpflichtigen aber nicht, die für die Bewertung relevanten Parameter herauszuarbeiten und dem Finanzamt gegenüber überzeugend zu begründen.”


Um den Unzulänglichkeiten der Methode der Lizenzpreisanalogie entgegen zu wirken, kann bspw. ein Scoring Modell eingesetzt werden. Darin werden rechtliche, finanzwirtschaftliche sowie technologische bzw. verhaltens­wissenschaftliche Faktoren beurteilt und daraus ein entsprechender Score abgeleitet. So werden für Techno­logien u.a. die Innovationskraft, Möglichkeiten zur Umgehung von Technologien und Patenten, der rechtliche Schutzumfang oder das Wettbewerbsumfeld beurteilt, während für Marken z.B. die Markenstärke, Bekannt­heits­grade, die First Choice oder auch die Einzigartigkeit der Marke erhoben wird. Anhand des ermittelten Score kann in einem 2. Schritt die Einordnung der zu bewertenden Technologie oder Marke innerhalb einer Bandbreite branchenüblicher Lizenzraten durchgeführt werden.

Alternativ können auch die anderen kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren eingesetzt werden. So bietet sich insbesondere die Mehrgewinnmethode an, bei Markenbewertungen im Segment der Konsum­güter ein­gesetzt zu werden. Hier kann recht verlässlich das Preisprämium ermittelt werden, das ein markiertes Produkt gegenüber einem fiktiv unmarkierten Produkt erzielen kann. Für Technologien eignet sich wiederum die Residualgewinnmethode, insbesondere z.B. im Bereich der Pharmaprodukte, in denen eine Technologie den wesentlichen Erfolgsbeitrag darstellt und andere Vermögensgegenstände nur einen begrenzten Wertbeitrag leisten. Beide Verfahren sind jedoch mit einem gewissen Aufwand verbunden, liefern aber auch Ergebnisse, die außerhalb der Dokumentation für steuerliche Zwecke verwendet werden können, z.B. in der Markensteuerung, der Allokation von Ressourcen oder dem IP-Portfoliomanagement.


Hypothetischer Fremdvergleich bei Funktionsverlagerungen

Unabhängig davon, welche Bewertungsmethode gewählt wird, sind bei des hypothetischen Fremd­vergleichs bei Funktionsverlagerungen die Grenzpreise der betroffenen immateriellen Vermögenswerte aus Sicht des aufnehmenden oder abgebenden Unternehmens, also der Maximalpreis und der Minimalpreis aus Perspektive des Käufers und des Verkäufers, zu ermitteln. Sie können insbesondere Synergieeffekte wie Kostenvorteile durch bessere Einkaufsbedingungen oder die Neuausrichtung von Produktionsprozessen beinhalten, aber auch Dissynergien, z.B. Kostennachteile aufgrund einer verschlechterten Auslastung der Produktionsanlagen des abgebenden Unternehmens. Zudem sind auch Standortvor- oder -nachteile wie das jeweilige lokale Lohnniveau oder veränderte steuerliche Rahmenbedingungen mit zu berücksichtigen. Dies ist bereits bei der Konzeption der Bewertung eines immateriellen Vermögenswertes entsprechend zu beachten.


Schnittstelle zwischen Transfer Pricing und Unternehmensbewertung

Sowohl globale wirtschaftliche und technologische Entwicklungen (wie die Digitalisierung) als auch internationale Initiativen mit nationalen rechtlichen Konsequenzen (wie der BEPS-Prozess) führen dazu, dass im Rahmen des Transfer Price-Setting eine höhere Qualität der Verrechnungspreise seitens der Finanzver­waltungen eingefordert wird. Folglich müssen sich auch die Verrechnungspreismethoden der Entwicklung anpassen. Da der Hypothetische Fremdvergleich ein relativ vages Konzept ist und die traditionellen Standard­methoden bei der Bepreisung von immateriellen Wirtschaftsgütern meistens nicht anzuwenden sind, müssen zunehmend quantitative Bewertungsmethoden hinzugezogen werden, um angemessene Verrech­nungspreise bestimmen und sie bei Betriebsprüfungen verteidigen zu können. Nur durch das interdisziplinäre Zusammen­spiel von Verrechnungspreisexperten und Unternehmens­bewertern können langwierige Diskussionen und Verhandlungen mit der Finanzverwaltung mit überwiegend offenem Ausgang verhindert und folglich die Gefahr einer Doppelbesteuerung eingedämmt werden.

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