„Anti-Delokalisierungsgesetz”: Änderungen bei Umstrukturierungen und der Reindustrialisierung in Italien

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veröffentlicht am 8. Dezember 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Mit dem Wegfall des Kündi­gungs­ver­bots, das in Italien (je nach Tätigkeitsbereich des Unter­nehmens) bis zum 30. Juni 2021 bzw. 31. Oktober 2021 in Kraft war, gewinnt die Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Gewerkschaften in Bezug auf Themen, die bisher nur auf spezifische Situationen beschränkt waren, zunehmend an Bedeutung.



Ausgangslage

Eines der wichtigsten Themen ist dabei die Reindustrialisierung. Ein komplexer Prozess, bei dem ein Unternehmen, das eine Produktionsstätte schließen will, sie mitsamt seinem Personal an eine andere Partei überträgt, die anschließend den Standort umstellt, das Personal umschult und eine völlig neue Pro­duk­tions­­tätig­keit aufnimmt.

Dieses Verfahren, das bisher nur auf bestimmte Sektoren beschränkt war, wird von den Gewerkschaften zunehmend als mögliche Lösung ins Spiel gebracht, um die endgültige Schließung der Tätigkeit und die damit verbundenen Massenentlassungen zu vermeiden bzw. soweit als möglich zu reduzieren.


Delokalisierung und Reindustrialisierung

Der Reindustrialisierungsprozess hat in der Tat eine immer wichtiger werdende Rolle im italienischen Produktionsszenario, da die Regierung derzeit Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf das stark zunehmende Phänomen der Betriebsverlagerung prüft. In dem Zusammenhang werden auf Druck der Gewerkschaften, der aus den immer häufigeren Fällen von Schließungen von Produktionseinheiten in Italien und deren Verlagerung und Weiterführung in Ländern mit niedrigeren Produktionskosten resultiert, in den kommenden Monaten – durch das erwartete „Anti-Delokalisierungsgesetz” – Maßnahmen zur Verschärfung der Verfahren eingeführt, die Unternehmen, die ihren Standort verlagern wollen, zuvor einhalten müssen.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen, welche Verfahren vorgesehen werden und wie sie mit den bestehenden Rechtsvorschriften und den anderen Grundprinzipien des italienischen und europäischen Rechts (v.a. mit dem Grundsatz des freien Waren- und Personenverkehrs innerhalb der Europäischen Union) koordiniert und in Einklang gebracht werden und insbesondere, welche Verpflichtungen die Unternehmen in den Fällen einzuhalten haben. Es scheint jedenfalls sicher, dass bei einer Standort­verlagerung die Reindustrialisierung oder vielmehr der Versuch einer solchen eine zentrale Rolle spielen wird. In der Tat ist es möglich, dass unter bestimmten Bedingungen, deren Festlegung der Regierung bei der Ausarbeitung des Verordnungstextes überlassen bleibt, ein Unternehmen, das eine Standortverlagerung plant, verpflichtet sein wird, die tatsächliche Durchführung des Vorhabens dem Versuch einer Reindustrialisierung unterzuordnen.

Bei diesem Szenario würde eine solche Verpflichtung eine noch sorgfältigere und vorausschauendere Planung als bisher erfordern, sodass die Vorbereitung sowie die Abschätzung der mit der Standortsverlagerung verbundenen Kosten und Risiken entscheidende Aspekte für die Durchsetzung des Projekts darstellen werden.


Soll eine Reindustrialisierung überhaupt vorgenommen werden?

Unabhängig von der Einführung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Schließung eines Unternehmens­standorts von einem Reindustrialisierungsversuch abhängig machen und ihm somit im entsprechenden Verfahren unweigerlich mehr Gewicht verleihen, sowie des konkreten Schließungsgrundes, erfordert die immer größere Bedeutung (die die Gewerkschaften der Reindustralisierungsfrage beimessen) eine sorgfältige Vorbereitung des von der Schließung betroffenen Unternehmens.

Angesichts einer bereits äußerst komplexen Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften, bei der zuerst die tarifvertraglich und gesetzlich vorgesehenen Konsultationsverfahren durchgeführt werden müssen, bevor die Kündigungen infolge der Umstrukturierung bzw. Schließung ausgesprochen werden dürfen, wird es daher immer wichtiger, rechtzeitig eine Präventivanalyse mit dem Ziel durchzuführen, die konkreten Möglichkeiten für eine Reindustrialisierung festzustellen. Nur so kann die gewerkschaftliche Auseinandersetzung sowie die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) der Inanspruchnahme der im italienischen Gesetz Nr. 223/1991 vorgesehenen „sozialen Begleitmaßnahmen zur Erleichterung der Umschulung und Umstellung der entlassenen Arbeit­nehmer” in Angriff genommen werden.


Vorbereitung einer Reindustrialisierung

Die Erfahrung zeigt, dass ein erfolgreicher Reindustrialisierungsprozess eine Vielzahl von wichtigen Schritten umfasst.

Zuerst müssen die konkreten Möglichkeiten und die Bereitschaft des Unternehmens, einen solchen Prozess durchzuführen, sowie die Auswirkungen und Kosten, die eine Reindustrialisierung auf die Schließung und den relativen Zeitplan haben kann, sorgfältig geprüft werden.

Sofern die Möglichkeit einer Reindustrialisierung positiv bewertet wurde, muss eine entsprechende Kampagne für die Suche eines geeigneten Unternehmens, das an der Durchführung der Reindustrialisierung interessiert wäre, gestartet werden, wobei die besonderen Merkmale des Standorts und die möglichen Produktkategorien zu berücksichtigen sind. In dem Zusammenhang sind Gespräche mit dem Interessenten zu führen, um die verschiedenen arbeits-, steuer- und verwaltungsrechtlichen Aspekte des Einzelfalls umgehend berücksichtigen zu können.

Die Bedeutung solch einer Tätigkeiten wird selbstverständlich in all jenen Fällen größer und noch entscheidender sein, in denen die Reindustrialisierung oder zumindest der Versuch einer solchen eine formale Bedingung für die Schließung der Unternehmensaktivität darstellt.


Ausblick und Fazit

In Erwartung der Einzelheiten des neuen „Anti-Delokalisierungsgesetzes” (das v.a. um den Umfang und die Auswirkungen der neuen Verpflichtungen auf das System der gewerkschaftlichen Konfrontationsverfahren konkret bewerten zu können) muss ein Unternehmen, das eine Umstrukturierung oder Standortverlagerung plant, in jedem Fall darauf achten, die bereits in den Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen und etwaigen Vereinbarungen mit dem Europäischen Betriebsrat vorgesehenen Konsultations- und Informationspflichten sorgfältig zu ermitteln, um die durchzuführenden Aktivitäten und die Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften (insbesondere in Bezug auf eine mögliche Reindustrialisierung) rechtzeitig planen zu können.

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