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veröffentlicht am 21. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten
Zum 15. Oktober 2021 ist die Änderung der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes („Wahlordnung“ oder kurz: WO) in Kraft getreten. Darin werden die Novellierungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes umgesetzt (lesen Sie dazu mehr in unserem Artikel „Neue Regeln aufgrund des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes”). Die neue Wahlordnung beeinflusst die Prozesse der Betriebsratswahlen, die bald wieder vom 1. März bis zum 31. Mai 2022 anstehen. Nicht nur Wahlvorständen, auch Arbeitgebern ist zu raten sich mit den Neuregelungen zu befassen, um einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu gewährleisten.
Grundsätzlich sollen die Sitzungen des Wahlvorstands weiterhin in Präsenz stattfinden. Daneben gibt es aber die Möglichkeit an nicht-öffentlichen Sitzungen des Wahlvorstands per Video- oder Telefonkonferenz teilzunehmen (§ 1 Abs. 4 WO). Voraussetzung ist, dass der Wahlvorstand einen dahingehenden Beschluss fasst.
Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können und keine Aufzeichnung der Sitzung vorgenommen wird. Die mittels Video- und Telefonkonferenz Teilnehmenden haben ihre Teilnahme gegenüber dem Vorsitzenden in Textform zu bestätigen. In § 1 Abs. 4 WO sind Ausnahmefälle genannt, bei denen der Wahlvorstand nicht vom Grundsatz der Präsenz abweichen kann: Im Rahmen einer ersten Wahlversammlung im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren zur Wahl des Wahlvorstands, zur Prüfung und Bekanntmachung der Vorschlagslisten sowie bei Durchführung des Losverfahrens.
Damit die Arbeitnehmer ihr aktives Wahlrecht ausüben dürfen, ist ihre vorherige Eintragung in die Wählerliste zwingende Voraussetzung. Neu geregelt ist nun, dass eine Berichtigung dieser Liste bis zum Wahltag und dem Abschluss der Stimmabgabe möglich ist (§ 4 Abs. 3 S. 2 WO). Zuvor war die Berichtigung nur bis zum Tag vor der Stimmabgabe zulässig. Mit der Änderung soll sichergestellt werden, dass alle Wahlberechtigten die Möglichkeit erhalten, ihre Stimme bei der Betriebsratswahl abzugeben. An den Voraussetzungen der Berichtigung nach Ablauf der Einspruchsfrist selbst, wie das Vorliegen von Schreibfehlern, offenbare Unrichtigkeiten, der Eintritt von Wahlberechtigten in den Betrieb oder bei Ausscheiden, ändert sich hingegen nichts.
Der Wahlvorstand muss bei den anstehenden Betriebsratswahlen beachten, dass er die Briefwahlunterlagen unaufgefordert an all jene Wahlberechtigten versendet, die am Wahltag voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (§ 24 Abs. 2 WO). Neben Beschäftigten im Außendienst, in Tele- oder Heimarbeit, die vorher immerhin bereits ein Recht auf Briefwahl hatten, haben nun auch Beschäftigte in ruhenden Arbeitsverhältnissen oder bei Arbeitsunfähigkeit ein Recht auf Zusendung der Briefwahlunterlagen. Die neue Regelung ermöglicht Beschäftigten, die längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind und das auch vorraussichtlich bis zur Wahl nicht sind, an der Wahl teilzunehmen, von der sie sonst möglicherweise gar keine Kenntnis erlangt hätten. Die Wahl in Präsenz bleibt jedoch die Regel. Zu groß ist die Gefahr der Manipulation bei der Briefwahl.
Nach der Novellierung werden die Briefwahlumschläge nun erst nach der schriftlichen Stimmabgabe am Anfang der öffentlichen Sitzung in Präsenz ermittelt, § 26 Abs. 1 WO. Zuvor wurden die per Briefwahl abgegebenen Wahlumschläge vor der Stimmabgabe in Präsenz in die Wahlurne gelegt. Dem Wahlvorstand oblag eine Prognoseentscheidung, wann der richtige Zeitpunkt ist, die Freiwahlumschläge zu öffnen und die Wahlumschläge nach Überprüfung in die Urne zu legen. Es durfte damit insbesondere nicht zu früh begonnen werden, gleichzeitig Bestand die Gefahr, den Prozess nicht rechtzeitig abzuschließen. Die Prognose war somit mit Unsicherheiten behaftet und konnte im schlimmsten Fall zur Anfechtung der Wahl führen. Die Prognoseentscheidung unterlag der gerichtlichen Überprüfbarkeit. Das abgeänderte Verfahren stärkt die Rechtssicherheit der Wahl, indem eine Beeinflussung der noch laufenden Präsenzwahl von vornherein ausgeschlossen wird.
Die Stimmzettel sollen künftig so zu falten sein, dass beim Einwerfen des Stimmzettels in die Wahlurne nicht erkennbar ist, wie der Arbeitnehmer gewählt hat (§ 11 Abs. 3 WO, § 20 Abs. 3 WO und § 25 Nr. 1 WO). Bei der Präsenzwahl muss der Stimmzettel dann nicht wie bisher zunächst in einen Umschlag gesteckt werden. Die Regelung soll die Auszählung der Stimmen erleichtern, außerdem spart sie Papier ein.
Die Hinweispflichten des Wahlvorstandes wurden erweitert: Er muss nun nicht nur auf die Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Wählerliste (zwei Wochen) hinweisen, sondern ergänzend auf die Anfechtungsausschlussgründe nach § 19 Abs. 3 S. 1 und 2 BetrVG. Wegen der Neuregelung im Betriebsrätemodernisierungsgesetz (zwingendes Vorliegen eines Einspruchs gegen die Wählerliste, der auf dem selbst Grund beruht wie die Anfechtung) muss dieser zusätzliche Hinweis erteilt werden. Vertiefend zur Anfechtbarkeit der Wählerliste ist auf unseren Artikel zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz zu verweisen.
Der Wahlvorstand kann für fristgebundene Erklärungen, wie die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen und Einsprüchen gegen die Richtigkeit der Wählerliste, das Fristende vom Ende des Tages auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb vorverlagern, § 41 Abs. 1 und 2 WO i. V. m. §§ 186 bis 193 BGB. Dies war nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) bereits nach der alten Rechtslage möglich (BAG, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 7 ABR 11/16). Dieser von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz wurde nun vom Gesetzgeber in § 41 Abs. 2 WO normiert.
Schon in der Vergangenheit war das Verfahren zur Wahl der Betriebsräte kompliziert und fehleranfällig. Durch die Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die Änderung der Wahlordnung wurde zwar in Teilaspekten Klarheit geschaffen. Unserer Ansicht nach wurde das Verfahren – trotz der entsprechenden Intention des Gesetzgebers – aber nicht unbedingt vereinfacht. Jedenfalls sollten sich nicht nur die Wahlvorstände, sondern insbesondere auch die Arbeitgeber dringend mit den neuen Regel vertraut machen, dies gilt vor allem für die Themen Wählerliste, Wahlausschreiben, Wahlvorgang/Briefwahl und Stimmauszählung.
Kaspar B. Renfordt
Rechtsanwalt
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Cornelia Schmid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Associate Partner
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