M&A-Aktivitäten in Deutschland und ihre grenz­über­schrei­tenden Auswirkungen: Gesamtrechtsnachfolge in Asien-Pazifik

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veröffentlicht am 24. Februar 2021 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind von Branche zu Branche unterschiedlich, und in vielen Fällen steht das Ergebnis noch in den Sternen. Schließungen, Reisebeschränkungen, Unterbrechungen der Lieferketten sowie Änderungen im Verbraucherverhalten werden möglicherweise ihren Tribut fordern, und von den Unternehmen Anpassungen verlangen. Eine durchaus effektive Möglichkeit zur Anpassung und Effizienzoptimierung bietet die Umgestaltung der Unternehmens­struktur. Der Abbau von redundanten Strukturen kann sich nicht nur kostensparend auswirken, sondern gleichzeitig zu einer schlankeren und flexibleren Organisation führen, die sich in der Welt nach Corona besser anpassen und behaupten kann.

Eine weitere Möglichkeit, sich auf die Post-Pandemie-Zeit vorzubereiten, liegt in der strategischen Akquisition anderer Unternehmen zur Verbesserung oder Moderni­sierung des bereits bestehenden Portfolios. Wirtschaftsexperten erwarten einen sehr aktiven M&A-Markt, angetrieben einerseits von den sich potenziell eröffnenden Geschäftschancen im Bereich Distressed M&A, aber auch von der Notwendigkeit, Lieferketten zu sichern und auf das künftige Verbraucherverhalten bestmöglich vorbereitet zu sein. So oder so, in näherer Zukunft ist mit einem spürbaren Anstieg der M&A-Aktivitäten zu rechnen.



In Deutschland werden M&A-Aktivitäten je nach Gesellschaftsform durch verschiedene Gesetze geregelt, wie das Bürgerliche Gesetzbuch, das Handelsgesetzbuch und insbesondere das Umwandlungsgesetz. Ein wichtiger Begriff in dem Zusammenhang ist das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge. Sie erlaubt den Übergang aller Rechte und Verbindlichkeiten als Gesamtheit, ausgelöst durch ein Ereignis, anstelle separater Transaktionen für jedes Recht und jede Verbindlichkeit. Indem die Gesamtrechtsnachfolge die Übertragung als Ganzes ermöglicht, schafft sie Rechtssicherheit für Dritte. Eine häufige Form der M&A, für die das Konzept relevant ist, ist die Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz. In § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG wird die Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge als eine der Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung in das deutsche Handelsregister beschrieben.

Die Gesamtrechtsnachfolge kann auch Auswirkungen auf Beteiligungen in anderen Rechtsordnungen haben. Wenn ein Rechtsträger, der als Halter von Anteilen an einer ausländischen Tochtergesellschaft fungiert, von einem aufnehmenden Rechtsträger übernommen wird, ist der aufnehmende Rechtsträger der neue Gesell­schafter der ausländischen Tochtergesellschaft. Da der aufnehmende Rechtsträger ein anderer Rechtsträger ist, bewirkt die deutsche Verschmelzung einen Wechsel der Anteilseigner in den anderen Jurisdiktionen. Je nach Rechtsordnung kann ein solcher Gesellschafterwechsel verschiedene rechtliche und steuerliche Auswirkungen haben.

Einige Rechtsordnungen erkennen möglicherweise nicht einmal die rechtlichen Auswirkungen der Gesamt­rechtsnachfolge an und würden eine separate Anteilsübertragung verlangen, damit der Wechsel der Anteilseigner wirksam wird. In anderen Ländern können durch den Gesellschafterwechsel Stempelgebühren oder andere Steuern ausgelöst werden. Noch komplexer wird die Angelegenheit in Jurisdiktionen, die ausländischen Investoren Beschränkungen durch komplexe Lizenzierungsregelungen o.ä. auferlegen.

Im Folgenden möchten wir einen Einblick geben, ob und wie das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge in einigen der wichtigsten Rechtsordnungen Südostasiens anerkannt wird.

 

Indonesien

Das indonesische Recht kennt das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge nicht, und entsprechende Transaktionen würden daher nach wie vor eine separate Anteilsübertragung erfordern. Daher sollte sich die erwerbende Partei der Investitionsbeschränkungen bewusst sein, die die lokale Transaktion beeinflussen könnten. Generell werden ausländische Investitionen in Indonesien durch spezielle Investitionsgesetze und -vorschriften geregelt, die im November 2020 durch ein Omnibus-Gesetz überarbeitet wurden; zugehörige Ausführungsbestimmungen wurden bisher noch nicht erlassen. Wenn ein ausländischer Käufer beabsichtigt, Anteile an einem indonesischen Unternehmen zu erwerben, gelten für eine Reihe von Branchen bestimmte Eigentumsbeschrän­kungen oder spezifische Lizenzanforderungen, die vom Investment Coordinating Board (BKPM) überwacht werden. Andere Branchen, die einer besonderen Regulierung unterliegen, wie das Bank- und Finanzwesen und die Telekommunikation, fallen in die Zuständigkeit bestimmter Regierungsbehörden, z.B. der Financial Services Authority, der Bank Indonesia oder dem Ministerium für Kommunikation und Informatik. Darüber hinaus kann die Übertragung von Mindestkapitalisierungsanforderungen i.d.R. 10 Mrd. Indonesische Rupien auslösen.


Malaysia

Malaysia ist, ähnlich wie Singapur, ebenfalls eine Common Law Jurisdiktion. Aufgrund der gemeinsamen Rechtsgeschichte wendet das malaysische Gesellschaftsrecht sehr ähnliche Rechtskonzepte an. In der Entscheidung des High Court (Kuala Lumpur) United Renewable Energy Co Ltd v TS Solartech Sdn Bhd, [2020] 7 MLJ 141 (URE) aus dem Jahr 2019 wurde das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge anerkannt. Im Fall URE schlossen mehrere Unternehmen in Taiwan einen Verschmelzungsvertrag, wonach alle Parteien zu einem Unternehmen vereint werden sollten. Eines der taiwanesischen Unternehmen war Anteilseigner an einem Joint-Venture-Unternehmen in Malaysia. Der malaysische Joint-Venture-Partner weigerte sich, die Änderung der Beteiligungsverhältnisse aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge zu akzeptieren. Die Parteien hatten unter­schiedliche Auffassungen über den relevanten Abschnitt 109 (1) des malaysischen Gesellschaftsgesetzes, der vorsieht, dass Anteile von Rechts wegen auf eine Person übertragen werden können. Der malaysische Joint-Venture-Partner machte geltend, dass die Übertragung kraft Gesetzes auf die Fälle des Todes eines Gesellschafters oder des Konkurses beschränkt sei. Der High Court vertrat eine weitergehende Auffassung und stellte fest, dass der Wortlaut des Abschnitts auch Übertragungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfasst. In seiner Entscheidung folgte der High Court den Erkenntnissen der englischen Rechtsprechung und verwies auch auf die Entscheidung im Fall JX Holdings des High Court of Singapore.

Die Anerkennung des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge bedeutet, dass im Falle einer Verschmelzung im Ausland der Gesellschafterwechsel bei der Companies Commission of Malaysia (CCM) registriert werden kann, ohne dass eine Übertragungsurkunde erforderlich ist. Das Fehlen einer Übertragungsurkunde bedeutet auch, dass der Gesellschafterwechsel in Malaysia keine Stempelsteuer auslöst.

In der Praxis sollten Gesellschaften, die ein M&A nach dem Prinzip einer Gesamtrechtsnachfolge im Ausland beabsichtigen, prüfen, ob der jeweilige M&A für eine Übertragung kraft Gesetzes gemäß Section 109 (1) des Companies Act of Malaysia in Frage kommt. Darüber hinaus sollte der Company Secretary der malaysischen Gesellschaft angewiesen werden, einen Gesellschafterwechsel bei der CCM anzumelden, und keine Aktienübertragung zu beantragen.


Singapur

Der High Court of Singapore hat das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge im Jahr 2016 in der wegweisenden Entscheidung JX Holdings Inc und weitere gegen Singapore Airlines Ltd [2016] SGHC 212 („JX Holdings”) anerkannt. Im Fall JX Holdings ging es um die Frage, ob eine japanische Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin einer anderen japanischen Gesellschaft aufgrund einer Verschmelzung und anderer Umstrukturierungen nach japanischem Recht Eigentum an Anteilen an einer Gesellschaft in Singapur erlangt. Indem der High Court of Singapore den von englischen Gerichten dargelegten Kriterien folgte, erkannte er die Wirkungen der Gesamtrechtsnachfolge nach japanischem Recht an. Darüber hinaus betrachtete der High Court den Gesellschafterwechsel als „Übertragung” und nicht als „Übergabe” von Anteilen, was sich auf den relevanten Abschnitt 130 des Singapore Companies Act bezieht (Abschnitt 130 Companies Act gilt für Aktiengesell­schaften, wird aber von Abschnitt 126 Companies Act gespiegelt, der für Gesellschaften mit beschränkter Haftung gilt), selbst wenn die „Übertragung” unter einem ausländischen Recht erfolgt. Diese Unterscheidung hat praktische Auswirkungen, denn sie bewirkt, dass im Szenario einer Gesamtrechtsnachfolge kein Anteilsübertragungsformular (das nach singapurischem Recht das rechtliche Übertragungsinstrument ist) ausgefertigt werden muss. Das bedeutet, dass in einem solchen Szenario keine Stempelsteuer anfallen würde.

Ein Faktor, der möglicherweise zur Entscheidung im Fall der JX Holdings beigetragen hat, war, dass der Companies Act auch die Verschmelzung von Gesellschaften, die sog. Amalgamation, erlaubt. Ähnlich wie § 20 des deutschen Umwandlungsgesetzes beschreibt § 215G Singapore Companies Act die Wirkung von Verschmelzungen. U.a. werden alle Vermögensgegenstände, Rechte und Privilegien jeder der fusionierenden Gesellschaften auf die fusionierte Gesellschaft übertragen und gehen auf sie über. Zudem werden alle Verbindlichkeiten und Verpflichtungen jeder der fusionierenden Gesellschaften auf die fusionierte Gesellschaft übertragen und zu deren Verbindlichkeiten und Verpflichtungen.

In einem ähnlichen Fall, BNP Paribas Wealth Management gegen Jacob Agam und andere [2017] 4 SLR 14, wendete das Internationale Handelsgericht Singapur ebenfalls das Konzept der Gesamtrechtsnachfolge an.

 
Aus praktischer Sicht sollten Unternehmen, die eine Verschmelzung oder andere M&A-Aktivitäten unter dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge in Deutschland planen, prüfen, ob die M&A-Aktivität die in JX Holdings dargelegten Kriterien erfüllt. Falls die Aktivität die Kriterien erfüllt, sollten sie sich mit dem zuständigen Company Secretary der Gesellschaft in Singapur in Verbindung setzen. Da nicht jeder Company Secretary in Singapur die Entscheidung im Fall JX Holdings kennt, könnte der zuständige Gesellschaftssekretär beabsichtigen, eine Aktienübertragung zu beantragen, die zur Anwendung der Stempelsteuer führen würde.


Vietnam

Vietnam ist eine Civil Law Jurisdiktion; traditionell ist das Konzept der Gesamtrechtsnachfolge im Zusammen­hang mit Unternehmenszusammenschlüssen im vietnamesischen Zivil- und Unternehmensrecht anerkannt. Es handelt sich jedoch um ein Konzept, das noch nicht klar definiert wurde. Das bedeutet, dass die Anwendung (oder das Ausbleiben derselben) des Konzepts immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Formal werden die Informationen über ein vietnamesisches Unternehmen in Bezug auf seine Gesellschafter im sog. „Enterprise Registration Certificate” (ERC) festgehalten. Das beinhaltet den Namen, die Gründungsnummer, die Adresse und die Unternehmensvertreter der Gesellschafter für die Zwecke des ERC. Auf der Grundlage sind in Vietnam praktisch zwei Szenarien anzutreffen:

  • Wenn die Verschmelzung zweier ausländischer Gesellschaften (von denen eine der Anteilseigner einer vietnamesischen Tochtergesellschaft ist) dazu führt, dass sich die in der ERC eingetragenen allgemeinen Informationen nicht ändern, besteht grundsätzlich kein Handlungsbedarf zur Änderung der in der ERC enthaltenen Informationen. In dem Fall kann von einer Gesamtrechtsnachfolge ausgegangen werden, bei der der Anteil an der vietnamesischen Tochtergesellschaft automatisch vom ursprünglichen Anteilseigner auf das Unternehmen nach der Fusion übergeht.
  • Wenn eine Verschmelzung dazu führt, dass sich die in der ERC erfassten allgemeinen Informationen von einem auf ein anderes Unternehmen ändern, löst das ein Verfahren aus, um die Angaben und die Identität des derzeitigen Anteilseigners der vietnamesischen Tochtergesellschaft in der ERC auf das Unternehmen nach der Verschmelzung zu ändern, was nicht automatisch geschieht. Die Einzelheiten des Verfahrens können je nach Sachverhalt des konkreten Falles variieren.


Es ist auch wichtig zu beachten, dass es einige Präzedenzfälle im Zusammenhang mit dem vietnamesischen Steuerrecht gibt, die relevant sein können. In beiden oben beschriebenen Szenarien kann sich, abhängig vom konkreten Sachverhalt, die Frage stellen, ob das ausländische oder Offshore-M&A-Verfahren Auswirkungen innerhalb Vietnams hat – z.B., dass aufgrund der Struktur der M&A-Transaktion bestimmte Steuern in Vietnam nicht gezahlt werden. Wenn die Antwort ja lautet, können die vietnamesischen Behörden argumentieren, dass eine solche Transaktion (in Vietnam oder im Ausland) der Zuständigkeit der vietnamesischen Behörden unterliegt und nicht automatisch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgen kann.


Schlussfolgerung und praktische Erwägungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anerkennung des Konzepts der Gesamtrechtsnachfolge innerhalb der Rechtsordnungen in Südostasien stark variiert. Während Singapur und Malaysia das Konzept anerkennen, erkennt Indonesien eine solche Gesamtrechtsnachfolge nicht an. Vietnam hingegen erkennt das Konzept zwar an, wendet es aber weniger strikt an. Die unterschiedliche Anerkennung und Anwendung des Konzepts der Gesamtrechtsnachfolge verdeutlicht die Relevanz regionaler Holdingstrukturen in Südostasien, birgt aber auch mögliche Hindernisse bei der Umsetzung von M&A-Aktivitäten in Deutschland.

Rechtsberater in Deutschland, die M&A-Aktivitäten eines Konzerns mit Tochtergesellschaften in Südostasien auf deutscher Ebene abwickeln, sollten mögliche Komplikationen im Hinblick auf die Anerkennung des Konzepts der Gesamtrechtsnachfolge berücksichtigen. Zeitpläne für Implementierungen und Deal-Strukturen müssen möglicherweise angepasst und sorgfältig konzipiert werden, bevor finanzielle oder gesellschafts­rechtliche Verpflichtungen eingegangen werden.

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