Whistleblowing in Lettland

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veröffentlicht am 22. Juli 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

  1. Wie ist der Stand der Umsetzung? »
  2. Welche gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell? »
  3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu? »
  4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben? »
  5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen? »
  6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt? »
  7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten? »
  8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten? »

    

1. Wie ist der Stand der Umsetzung?

Lettland war einer der ersten EU-Mitgliedstaaten, in dem im Jahre 2018 gemäß den Empfehlungen der OECD gesetzliche Regelung von Whistleblowing verabschiedet wurde. Die zwingenden Verpflichtungen, die sich aus dem speziellen Gesetz (Whistleblowing-Gesetz) ergeben, sind am 1. Mai 2019 in Kraft getreten, also noch vor der Verabschiedung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Das Gesetz wurde angepasst und seit dem 4. Februar 2022 haben wir in Lettland die erneuerte inländische Regelung zum Whistleblowing. 
 
Das neue Gesetz sieht einen breiteren Kreis von Personen vor, die Anspruch auf Schutzgarantien haben – es sind nicht nur Hinweisgeber und ihre Familienangehörigen wie bisher, sondern auch Arbeitskollegen, Unter­neh­men oder andere private Einrichtungen des Hinweisgebers, die mit dem Hinweisgeber in Verbindung stehen. Außerdem listet das neue Whistleblowing-Gesetz weitere besonders besorgniserregende Bereiche auf, die ge­meldet werden können, beispielsweise mutmaßliche Verstöße gegen die Verkehrssicherheit, den Tierschutz, die Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten. Darüber hinaus sieht das neue Gesetz mehrere Melde­kanäle vor, über die Hinweisgeber den mutmaßlichen Verstoß melden können, und zwar indem sie die Meldung in Papier- oder elektronischem Format an eine bestimmte Kontaktstelle innerhalb der Organisation richten oder an den Dienstleistungsportalen der öffentlichen Verwaltung www.latvija.lv oder www.trauksmescelejs.lv hochladen.  

 

2. Welche Gesetzlichen Grundlagen gelten aktuell?

Wie oben erwähnt, gilt in Lettland seit dem 1. Mai 2019 das Whistleblowing-Gesetz. 
 
Erwähnenswert ist, dass das lettische Ministerkabinett auf der Grundlage dieses Gesetzes am 8. Februar 2022 eine besondere Verordnung zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union, bei denen Verstöße gemeldet wer­den sollen oder die andere Meldeverfahren vorsehen, verabschiedet hat. Was letztere betrifft, so betreffen ver­schiedene Meldeverfahren hauptsächlich die Finanzmärkte und die Verhinderung von Geldwäsche, die Sicher­heit im Luft- und Seeverkehr sowie die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten. 

  

3. Welche Rolle kommt dem Betriebsrat zu?

Vereine und Stiftungen, einschließlich Gewerkschaften, sind gemäß dem Whistleblowing-Gesetz diejenigen externen Rechtsberater, an die sich der Hinweisgeber oder die meldewillige Person wenden kann. Diese Berater können:
  1. Unterstützung, einschließlich Beratungen bieten;
  2. seinen/ihren Mitgliedern und Personen, deren Interessen sie gemäß der Satzung vertreten, Unterstützung, einschließlich Beratungen bieten;
  3. sich an eine Institution (Behörde) oder ein Gericht im Namen eines solchen Hinweisgebers wenden, der sein/ihr Mitglied oder eine Person ist, deren Interessen sie gemäß der Satzung vertreten, um die Rechte und rechtmäßigen Interessen des Hinweisgebers zu schützen.
 
Außerdem kann auf Antrag eines Hinweisgebers der staatliche Rechtsbeistand gemäß den Bestimmungen der Verordnung über staatlich garantierten Rechtsbeistand auf der Grundlage der vom Hinweisgeber eingereichten Unterlagen und gegebenenfalls auch auf der Grundlage der erhaltenen Stellungnahme der Kontaktstelle von Hinweisgebern und ohne Beurteilung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Person gewährt wer­den, wenn der Hinweisgeber dem ersten Anschein die Anforderungen des Whistleblowing-Gesetzes erfüllt und hierdurch die nachteiligen Folgen für den Hinweisgeber verursacht werden. 

 

4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Meldung abzugeben oder liegt es in seinem Belieben?

Nein, nach dem Whistleblowing-Gesetz ist die Meldung nicht verpflichtend. Diese Regelung bietet die Mög­lich­keit, rechtmäßige, ehrliche, offene und transparente Aktivitäten im öffentlichen und privaten Sektor zu fördern, indem Personen ermutigt werden, mutmaßliche Verstöße gegen ein öffentliches Interesse zu melden.
 
Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Nichtmeldung der Beteiligung eines Arbeitnehmers oder seiner Kollegen an einem Verstoß oder an der Begehung einer schweren Straftat gemäß dem Gesetz strafbar sein kann. In Bezug auf letzteres sieht das lettische Strafgesetzbuch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit vor, wenn eine Person keine Anzeige erstattet, dass ein schwere oder besonders schwere Straftat vorbereitet oder begangen wurde, soweit dies bekannt war.

 

5. Muss der Hinweisgeber schon heute vorrangig firmenintern nach Abhilfe suchen?

Das Whistleblowing-Gesetz schreibt keine strikten Vorschriften für Whistleblower vor, wem die Meldung über­mittelt werden soll, da das Gesetz mehrere Kanäle vorsieht, die für die Meldung verwendet werden können, z. B. ein internes Whistleblowing-System, eine zuständige Behörde oder eine Kontaktstelle.
 
Die Arbeitnehmer sind über das interne Whistleblowing-System bei Aufnahme eines Arbeits- oder Auftrags­ver­hältnisses oder Rechtsverhältnisses sonstiger Art im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit für den Ar­beitgeber zu informieren und diese Informationen über dieses System sollen am Arbeitsplatz leicht zugänglich sein. Anschließend kann der Arbeitnehmer oder Auftragnehmer den Whistleblowing-Kanal frei wählen, den er bei Bedarf nutzen würde.
 
In allen öffentlichen Einrichtungen sowie in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten müssen Kontakt­stel­len eingerichtet werden, um Verstöße gegen die geltenden Rechtsvorschriften betreffend Unterlassen und Fahr­lässigkeit von Beamten oder Missbrauch der Amtsstellung durch diese, Korruption, Betrug, Steuerausweichung, Gefährdung der öffentlichen Gesundheit oder Bausicherheit zu melden. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten können freiwillig Whistleblowing-Mechanismen einführen, um das Whistleblowing von Verstößen im öffentlichen Interesse zu fördern (für weitere Informationen siehe Antwort auf Frage 8).

 

6. Wann hat der Hinweisgeber selbst mit Sanktionen zu rechnen oder ist dieser generell geschützt?

Dem Hinweisgeber sowie den verbundenen Personen werden die in Artikel 10 und 11 des Whistleblowing-Geset­zes aufgeführten Garantien gewährt. Nämlich ab dem Moment, in dem ein Hinweisgeber die Meldung abgegeben hat, haben er oder sie und verbundene Personen das Recht auf Folgendes:
  1. Vertraulichkeit der Identität;
  2. Schutz vor nachteiligen Auswirkungen durch Whistleblowing;
  3. rechtliche Hilfe vom Staat;
  4. Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten in Zivilverfahren und Entrichtung der Staatsgebühr in Verwaltungsgerichtsverfahren;
  5. vorübergehender Schutz in Zivilverfahren und Verwaltungsverfahren vor Gericht;
  6. Befreiung von der gesetzlichen Haftung;
  7. angemessener Schaden- oder Personenschadenersatz, auch Schmerzensgeld;
  8. Beratungen zum Schutz seiner oder ihrer Rechte.
 
Nach Erhalt einer Hinweisgebermeldung müssen personenbezogene Daten des Antragstellers pseudonymisiert werden, ferner haben personenbezogene Daten, die in einer solchen Meldung enthalten sind, und beigefügte schriftliche oder materielle Beweise sowie Materialien aus der Prüfung der Hinweisgebermeldung den Status einer geheimen Information.
 
Sollte sich bei der Prüfung der vom Hinweisgeber erteilten Informationen herausstellen, dass es sich nicht um eine Hinweisgebermeldung handelt, verliert die betroffene Person die oben aufgeführten Rechte.
 
Es ist außerdem zu erwähnen, dass gemäß Artikel 9 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes verboten ist, einen Arbeit­neh­mer zu bestrafen oder ihn auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu benachteiligen, weil der Arbeit­neh­mer zuständige Behörden oder Beamten von einer vermuteten Straftat oder Ordnungswidrigkeit am Arbeitsplatz unterrichtet.

 

7. Wie muss sich der Arbeitgeber gegenüber dem Verdächtigen verhalten?

Im Rahmen der arbeitsrechtlichen Regelung kann der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer Instrumente wie die Aussetzung von der Arbeit anwenden, wenn ein berechtigter Grund dafür vorliegt. Bei der Entscheidung über die Aussetzung des Arbeitnehmers, d. h. des mutmaßlichen Verletzers, muss der Arbeitgeber Folgendes einschätzen: 
  1. welche berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder Dritter und damit verbundene Risiken bestehen, die durch die Aussetzung von der Arbeit verhindert werden könnten; und  
  2. die Umstände, die dafür sprechen, dass ein Schaden wahrscheinlich ist, wenn der Arbeitnehmer nicht aus­gesetzt wird, und zwar dass die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder Dritter bedroht sind, wenn der Arbeitnehmer weiter arbeitet.
 
Der Arbeitgeber hat selbst Beweismittel für die Aussetzung von der Arbeit zu erlangen. Somit obliegt die Infor­mationsquelle, die Zuverlässigkeit und die Bereitstellung rechtmäßiger Gründe für die Erlangung solcher Infor­mationen dem Arbeitgeber. Andernfalls, wenn die Aussetzung eines Arbeitnehmers von der Arbeit durch Ver­schulden des Arbeitgebers unbegründet war, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Durch­schnittsverdienst für die gesamte Dauer der erzwungenen Arbeitsverhinderung auszuzahlen sowie Schäden zu ersetzen, die durch die Aussetzung verursacht wurden. 
 
Ansonsten ist der Arbeitgeber aufgrund von Gesetzen und Vorschriften und auf Aufforderung einer zuständigen staatlichen Behörde zur Aussetzung des Arbeitnehmers von der Arbeit verpflichtet. Grundsätzlich ist es verboten, einen Arbeitnehmer für mehr als drei Monate von der Arbeit auszusetzen, es sei denn, eine solche Aufforderung von der zuständigen Behörde ergeht.

  

8. Gibt es bereits die Pflicht ein Hinweisgebersystem und externe Meldebehörden ein­zu­richten?

Ja, das Whistleblowing-Gesetz sieht Bedingungen für die obligatorische Einrichtung eines Whistleblowing-Systems und alternative Optionen für Mechanismen vor, die für das Whistleblowing verwendet werden sollen. 
 
Gemäß Artikel 5 Abs. 1 des Whistleblowing-Gesetzes müssen öffentliche Einrichtungen und private juristische Personen mit mehr als 50 Beschäftigten ein internes Whistleblowing-System einrichten, um es den Arbeit­neh­mern zu ermöglichen, Verstöße auf sichere Weise zu melden und ihnen Schutz zu gewährleisten. Private Unter­nehmen können ihr internes Whistleblowing-System an Dritte auslagern. Gemeindebehörden mit weniger als 50 Beschäftigten können ein gemeinsames Whistleblowing-System einrichten. Diese Regelung gilt auch für private juristische Personen mit 50 bis 249 Beschäftigten. 
 
In Bezug auf externe Meldekanäle und Behörden sieht das Whistleblowing-Gesetz folgende Möglichkeiten vor:
  1. Wenden an eine zuständige Behörde;
  2. Vermittlung durch Kontaktstelle für Hinweisgeber, Verein oder Stiftung, einschließlich einer Gewerkschaft;
  3. öffentlich, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: 
    •  der Hinweisgeber wird nicht über die Prüfung der eingereichten Meldung informiert, oder  
    •  gemeldeter Verstoß über einen längeren Zeitraum ohne Angabe von sachlichen Gründen nicht beseitigt wird; oder 
    •  der Hinweisgeber hat begründeten Anlass zu der Annahme, dass der Verstoß eine unmittelbare oder ein­deu­tige Gefahr für das öffentliche Interesse darstellen könnte; oder 
    •  der Hinweisgeber hat begründeten Anlass zu der Annahme, dass die Nutzung des internen Whistleblowing-Systems zu nachteiligen Folgen führt, dass der Verstoß verschwiegen oder nicht beseitigt wird.  
Grundsätzlich ist eine externe Kontaktstelle für Hinweisgeber die Staatskanzlei (staatliche Institution), die dann die Meldung des Hinweisgebers prüft und zur weiteren Untersuchung des Falls an die zuständige Behörde weiterleitet, die die jeweilige Organisation überwacht, über die gemeldet wird.
 
Verbände und Stiftungen, einschließlich Gewerkschaften, spielen ebenfalls eine Rolle bei der Whistleblowing-Regulierung. Diese Einrichtungen sind beispielsweise berechtigt, Hinweisgeber und meldewillige Personen zu unterstützen und zu beraten, ihre Mitglieder zu vertreten, das Whistleblowing-System und den Schutz von Hinweisgebern zu fördern.
 
Jede Einrichtung, die eine Meldung des Hinweisgebers erhalten hat oder damit irgendwelche Handlungen vor­nimmt, ist verpflichtet, einen angemessenen Schutz des Hinweisgebers und die rechtskonforme Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich der Pseudonymisierung im gesetzlich vorgesehenen Umfang sicher­zu­stellen. Darüber hinaus wird für solche Angaben sowie für die Meldung selbst und andere Fallunterlagen von der zuständigen Behörde ein Status der geheimen Informationen festgelegt.
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