Boom-Markt E-Commerce: Chancen und Herausforderungen

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Ein Umsatz von 1 Bio. US-Dollar im Jahr 2016 – wenn auch noch nicht offiziell bestätigt, ist die Zahl Zeugnis für die große Bedeutung des Online-Handels in der Volks­republik China. Für deutsche Unter­nehmen mit einer Produkt­palette „Made-in-Germany” bieten sich aussichts­reiche Möglichkeiten, denn Chinesen legen Wert auf deutsche Waren und Qualität. Grund genug, einen Blick auf die Chancen und Heraus­forderungen des grenzüber­schreitenden Online-Handels zu werfen.

 

 

Der E-Commerce-Markt in der VR China boomt. In den letzten Jahren gewann dieser Bereich des Handels weiter an Aufmerksamkeit und so kann der heute größte Online-Markt der Welt unter der staatlichen Förderungspolitik jährlich beeindruckende Zuwächse verzeichnen. Für das Jahr 2015 ist ein Umsatz im E-Commerce-Einzelhandel von ca. 945 Mrd. US-Dollar erzielt worden und für 2016 erwarten Experten mehr als 1 Bio. US-Dollar. Die Erwartung wird voraussichtlich übertroffen, auch wenn die offizielle Statistik bislang noch nicht veröffentlicht worden ist. Zahlreiche Referenzen liegen aber schon heute vor: Der chinesische Online-Shopping-Riese Alibaba hat z.B. seinen bisherigen Umsatzrekord am „Singles Day”, dem 11. November 2016, wieder geknackt und innerhalb von 24 Stunden Waren im Wert von rund 17,8 Milliarden US-Dollar (etwa 16,3 Mrd. Euro)1 über die Online-Ladentheke verkauft. Eine Zahl, die sogar die Gesamtsumme der Jahresumsätze 2015 der Top 10 Online-Shops in Deutschland (ca. 14 Mrd. Euro)2 übersteigt.

  

Chancen und Herausforderung

Bis April 2016 waren mit der Wareneinfuhr nach China immer viel Bürokratie, langwierige und aufwän­dige Zollverfahren und vielfache Einschränkungen im Devisen­verkehr verbunden, wovon sich viele kleinere Unternehmen einschüchtern ließen.

Bereits seit 2012 wird in 7 Pilotstädten, darunter Shanghai und Hangzhou, das „Cross-Border B2C E-Commerce-Modell” getestet. 2 Jahre später folgte die Umsetzung der Leitlinien durch das Zentrale Zollamt, was der Gestaltung des Verfahrens zugrunde liegt. Der Siegeszug sollte weiter anhalten, denn 2016 wurde die Zahl der teilnehmenden Pilotstädte auf 10 angehoben und bereits kurze Zeit später folgte die „Notice of Tax Policy on Cross-Border Retail E-Commerce of Ministry of Finance, State Administration of Taxation and General Administration of Customs” (Cai Guang Shui [2016] No. 18), die neue Verzollungs­regelungen für die Wareneinfuhr im Wege des B2C E-Commerce in die VR China  enthielt.

Die Förderungspolitik sieht u.a. günstigere Zolltarife für das B2C-Geschäftsmodell vor und eine schnellere Zollabfertigung, die durch eine schnelle Datenübertragung an die zollüberwachten Plattformen gewährleistet werden sollen.  Daneben unterliegt das Zollverfahren beim E-Commerce B2C-Modell geringeren Import-Formalitäten, u.a. Importhändlerlizenz, Pflicht zur Produktkennzeichnung in chinesischer Sprache etc. Auch im Devisenverkehr kommt dem B2C-Geschäftsmodell ein vereinfachtes Verfahren zu Gute.

Dennoch steht den vielversprechenden Chancen auch eine Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Cross-Border B2C E-Commerce unterliegt nämlich einer Reihe von Voraussetzungen, die von Einsteigern zu beachten und ggf. mit nicht unerheblichen Aufwänden zu erfüllen sind.

 

Voraussetzung für geförderte Cross-Border B2C E-Commerce

Das Modell „Cross-Border B2C E-Commerce” findet derzeit nur Anwendung auf ausgewählte Waren, u.a. Lebensmittel (keine Frischeprodukte), Nahrungs­ergänzungs­mittel, Haushaltsgeräte und Kosmetikwaren. Die Waren müssen auf einer zollüberwachten E-Commerce-Plattform in einer der zugelassenen Pilotstädte an chinesische Privatpersonen (Endkunden), die die Waren zur eigenen persönlichen und häuslichen Nutzung (Verbrauchergüterkauf) erwerben, verkauft und aus dem Ausland geliefert werden.

 

Im Einzelnen wird vorausgesetzt, dass:
  • die zu importierenden Waren bei der Zollbehörde vorab angemeldet sind,
  • die Geschäftsdaten von der E-Commerce-Plattform (inkl. Waren, Preis, Namen und Anschrift des Endkunden) an die Zollbehörde weitergeleitet werden und
  • eine chinesische Gesellschaft, entweder die Tochtergesellschaft der ausländischen Verkäufer oder ein Geschäftspartner, mit dem der Verkäufer eng zusammenarbeitet, die die Gewährleistung sowie Haftung für die Geschäftsabwicklungen übernimmt.


Da das Geschäftsmodell ausschließlich für den Verbrauchergüterkauf zulässig ist, gilt die allgemeine Einschränkung, dass der Einzelbestellungswert nicht mehr als 2.000 Renminbi  (ca. 275 Euro) beträgt. Der Gesamtwert aller Bestellungen eines Bestellers liegt aktuell bei 20.000 Renminbi (ca. 2.750 Euro) pro Jahr.
 

Des Weiteren sind folgende Punkte zu beachten:
 

Direct Import & Bonded Import

Als Gestaltungsmöglichkeiten kommen 2 Modelle, jeweils als „Direct Import” und „Bonded Import” bekannt, in Betracht: Beim Direct Import handelt es sich um die Warenlieferung nach dem getätigten Online-Verkauf; beim Bonded Import werden die Waren vorab in ein Zolllager der Freihandels­zonen/Freihäfen eingeliefert und die Zollabfertigung zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen.  
 

Verzollung

Die Versteuerungs-/Verzollungsregelung für Cross-Border B2C E-Commerce sehen einen Zoll-Nulltarif für Waren deren Wert 2.000 Renminbi (ca. 275 Euro) für Einzelbestellungen bzw. 20.000 Renminbi (ca. 2.750 Euro) pro Jahr für Einzelbesteller nicht überschreiten vor. Zudem werden Steuern (Import­mehrwertsteuer und Verbrauchsteuer) in Höhe von 70 Prozent des allgemein für importierte Waren gültigen Steuersatzes erhoben. Indes wurde die bislang geltende Zollfreigrenze abgeschafft. Durch die Maßnahmen sollen weitere ausländische Unternehmen für den Online-B2C-Handel gewonnen und das Geschäft weiter angekurbelt werden.

Die Tabelle dient dem Überblick und Vergleich der Verzollungspraxis:

 

* Keine Zollfreigrenze.
** Angaben beziehen sich zum Überblick nur auf den Regelfall.
 

Heraus­forderungen und Einschränkungen bei der Umsetzung

Die Schwierigkeit zum Start des Geschäftsmodells besteht v.a. in der Errichtung einer zollüberwachten E-Commerce-Plattform, um die Daten der Online-Geschäfte unmittelbar an die Zollbehörde weiter­zuleiten. Dafür gibt es unterschiedliche Anforderungen der Pilotstädte, die die Art und Weise des grenzüberschreitenden E-Commerce-Dienstes festlegen. In Shanghai ist derzeit nur die Nutzung der offiziellen Plattform (www.kjt.com) zulässig, d.h. Verkäufer eröffnen einen „E-Shop” auf dieser Plattform, die eine einheitliche Gestaltung, von der Waren­beschreibung bis zum Vertrags­abschluss und -abwicklung, vorsieht. Dagegen ist in anderen Städten wie bspw. Hangzhou, die Errichtung einer eigenen Webseite grundsätzlich zugelassen. Um jedoch die Zulassung für das Betreiben einer eigenen Website zu erhalten, ist i.d.R. eine chinesische Gesellschaft erforderlich. Sie muss sich als Herausgeber und Betreiber der Seite registrieren lassen und haftet für die Inhalte und Geschäfte, die über die Seite abgewickelt wurden.

Weitere Bedenken ergeben sich aus Sicht der Rechtssicherheit: Trotz der stärkeren staatlichen Förderung handelt es sich bei dem B2C-Geschäftsmodell weiterhin um ein Pilotprojekt, das immer wieder durch Einführung neuer Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Umsetzung in die Praxis erweitert und weiterentwickelt wird. Dadurch bestehen weiterhin Unsicherheiten sowohl in Bezug auf die rechtliche Gestaltung als auch bei der behördlichen/praktischen Umsetzung.
 

Alternativen für die Wareneinfuhr

Alternative 1: Wareneinfuhr durch Großhändler als Importeur (B2B-Importgeschäft)

Das traditionelle Geschäftsmodell schaltet zur Wareneinfuhr einen Großhändler als Importeur (B2B-Importgeschäft) ein:


     

Das B2B-Importmodell hat im Vergleich zum geförderten Modell des Cross-Border B2C E-Commerce den Nachteil, dass es oft mit einer aufwändigeren Zollabfertigung, strengeren Formalitäten (u.a. Import­lizenz und Sonderlizenz des Importeurs) sowie höheren Einfuhrsteuern/Zollabgaben verbunden ist. Darüber hinaus können Einschränkungen im Devisenverkehr zu Schwierigkeiten bei der Zahlungs-/Geschäftsabwicklung führen.
 

Dennoch stellt sich die Wareneinfuhr durch Zwischenhändler – insbesondere denjenigen Unternehmen, die die Voraus­setzungen der Cross-Border B2C E-Commerce nicht erfüllen können – als eine Alternative dar, die auch Vorteile bietet, u.a.:
  • Etabliertes B2B-Geschäftsmodell mit geringeren Rechtsunsicherheiten
  • Zollanmeldung durch Zwischenhändler; keine Belastung der Endkunden; keine Erhebung und Weiterleitung der persönlichen Daten der Endkunden
  • Kostengünstige Sammelsendungen
  • Risiko der Begründung einer Betriebsstätte wird minimiert

 

Alternative 2: Wareneinfuhr nach China mit Fulfillment-Partner

In der jetzigen Geschäftspraxis wird weiter ein Geschäftsmodell betrieben, in der der ausländische Verkäufer in Zusammenarbeit mit einem Fulfillment-Partner Waren nach China importiert:


 


 

Die Zollabfertigung kann dabei über zwei Wege erfolgen. Zum einen mittels einer Postsendung (EMS), wobei die Abfertigung  nicht auf die Warensendung, sondern auf die Postpakete der Privatperson anwendbar ist und durch Maßnahmen der Zollbehörde für B2C-Warensendung seit 2012 weitergehend eingeschränkt wurde. Die Alternative ist der Import als Kuriersendung, wobei die Zollanmeldung durch den Kurierdienst unter Angabe der Warendetails und der persönlichen Daten (Name, Anschrift, Personal­ausweisnummer) der Endkunden (=Privatperson) durchgeführt wird.
 

Das Geschäftsmodell befindet sich allerdings in einer „Grauzone”, wobei mit erhöhten Rechtsrisiken zu rechnen ist: Es fehlen derzeit klare rechtliche Regelungen und eine abschließende zollamtliche Stellungnahme steht ebenfalls noch aus.
 

Der Import hängt also stark von der Verwaltungspraxis ab, die sich jedoch von Zeit zu Zeit ändert. Zudem variiert die Haltung (und somit auch Kontrolle) der Zollbehörde stark nach Ort und Zeit, was einer transparenten Abwicklung entgegensteht. Einschränkungsmaßnahmen, sogar Einstufung als Schmuggel, lassen sich daher nicht ausschließen. Ebenfalls wurden bereits Fälle beobachtet, bei denen Importgeschäfte mit Hilfe von Fulfillment Partner u.a. als  Schmuggel über Hong Kong deklariert wurden.

 

Ausblick

Das Cross-Border B2C-Geschäftsmodell wird derzeit durch die chinesische Regierung und die lokale Administrative mit vielfachen Begünstigungen unterstützt, um der stets wachsenden Nachfrage des chinesischen Marktes nach ausländischen Waren gerecht zu werden. Dabei wird versucht, eine attraktive Alternative für Importe aus dem Ausland anzubieten, insbesondere gegenüber denjenigen Modellen, u.a. Privatimporte (C2C) und Wareneinfuhr durch Fulfillment-Unternehmen, die zum rechtlich ungeregelten Bereich gehören und bisher von der Zollbehörde de facto „geduldet” werden, für die jedoch immer wieder Einschränkungs­maßnahmen ergriffen werden.
 

Dennoch bleibt der Onlinehandel in China ein attraktives Investitions­ziel für deutsche und andere ausländische Unternehmen. Sind die administrativen Hürden einmal überwunden, eröffnet sich der Markt von 1,5 Milliarden Konsumenten, die ein großes Interesse an qualitativ hochwertigen Erzeugnissen aus nahezu allen Konsumgüterbereichen haben, und deutsche Händler können mit Waren „Made in Germany” punkten. Daher lohnt es sich für alle Beteiligten, geschäftlich in das Reich der Mitte einzusteigen.

 
 


              

[1] Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/alibaba-17-8-milliarden-dollar-umsatz-an-einem-tag/14834358.html

[2] Quelle: Statista, E-Commerce Markt Deutschland 2016
 

zuletzt aktualisiert am 08.02.2017

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