Verrechnungs­preis­doku­menta­tion: Verschärfte Vorlage­pflichten ab 2025

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​veröffentlicht am 8. März 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Zu den in den letzten Jahren stetig steigenden Compliance-Vorgaben für grenz­über­schreitend tätige Unternehmensgruppen gehören insbesondere umfangreiche Do­kumentationsvorschriften für Verrechnungspreise. Mit den im Zuge der Mo­der­ni­sierung der Außenprüfung vorgenommenen Änderungen der ver­fahrens­recht­lichen Verrechnungspreisvorschriften in der Abgabenordnung (AO) folgt Deutschland einem weltweiten Trend der Verschärfung in diesem Bereich. Konsequenz ist, dass inter­national tätige Unternehmen spätestens ab dem 1. Januar 2025 eine Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion „auf Vorrat“ erstellen sollten. Denn erstens kann diese nach den neuen Vorschriften künftig jederzeit durch die Finanzbehörde angefordert werden. 



Zweitens verkürzt sich die Vorlagefrist auf 30 Tage. Und drittens beginnt die Vorlagefrist ab 2025 bereits mit der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung zu laufen, ohne dass es eines gesonderten Verlangens zur Vorlage bedarf. Bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten drohen dem Steuerpflichtigen ggf. erhebliche finanzielle Sanktionen. 

Modernisierung und Beschleunigung der Außenprüfung

Ziel des am 1. Januar 2023 in Kraft getreten Gesetzes „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts (DAC 7)“ (BGBl 2022 Teil I, S. 2730) ist u.a. die Beschleunigung von Außenprüfungen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen Außenprüfer und Steuerpflichtige gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. International tätige Unternehmen sind neben weiteren Mitwirkungspflichten insbesondere von den verkürzten Vorlagefristen der Ver­rechnungs­preis­do­ku­men­ta­tion, d.h. Local File und Master File, betroffen.

Verkürzte Vorlagefrist der Verrechnungspreisdokumentation

Die Aufzeichnungen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen müssen künftig grundsätzlich un­auf­ge­fordert innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorgelegt werden (vgl. § 90 Abs. 3 AO). Mit der Neuregelung ist eine explizite Anforderung durch den Außenprüfer nicht mehr notwendig und es erfolgt eine Verkürzung der Vorlagefrist für die Verrechnungspreisdokumentation auf 30 statt bislang 60 Tage. Diese Frist wird mit der bereits bestehenden Frist zur Vorlage der Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen vereinheitlicht. Für letztere besteht zudem weiterhin die Pflicht, zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen, d.h. grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres, in welchem der außergewöhnliche Geschäftsvorfall stattgefunden hat.

Darüber hinaus kann die Finanzbehörde in Zukunft auch außerhalb von Betriebsprüfungen jederzeit die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation verlangen, z.B. bei Beantragung eines Vorabverständigungsverfahrens. Bisher war das im Regelfall nur für die Durchführung einer Betriebsprüfung vorgesehen. Hierbei gilt ebenfalls die Vorlagefrist von 30 Tagen. Daraus resultiert eine zusätzliche Belastung des Steuerpflichtigen, da im Gegen­satz zur bisherigen Regelung grundsätzlich eine aktuelle Verrechnungspreisdokumentation vorgehalten werden sollte, welche zeitnah der Finanzbehörde vorgelegt werden kann. Zu beachten ist außerdem, dass die neuen Vorlagefristen auch für die Verrechnungspreisdokumentationen aller Geschäftsjahre vor 2025 gelten, wenn die Prüfungsanordnung für den entsprechenden Dokumentationszeitraum erst nach dem 31. Dezember 2024 bekanntgegeben wird.
 

Konsequenzen und Sanktionen bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten

Die Finanzbehörde hat mehrere verfahrensrechtliche Druckmittel, um Steuerpflichtige bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit Verrechnungspreissachverhalten zu sanktionieren. In Summe kann eine Verweigerung der Mitwirkung erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.
 

Verzögerungsgeld, § 246 Abs. 2c AO

Steuerpflichtige sind grundsätzlich zur Mitwirkung bei der Aufklärung von Sachverhalten, die für die Be­steuer­ung erheblich sein können, verpflichtet; dies gilt insbesondere bei grenzüberschreitenden ver­rech­nungs­preis­re­le­van­ten Leistungsbeziehungen. Bei einer generellen Verletzung dieser Mitwirkungspflicht, d.h. wenn ein Steuerpflichtiger Auskunfts- und Vorlageverlangen der Finanzbehörde u.a. im Zusammenhang mit einer steuerlichen Außenprüfung nicht nachkommt, kann die zuständige Finanzbehörde ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 Euro bis 250.000 Euro festsetzen.
 
Neben der Sanktionierung der Verletzung von allgemeinen Mitwirkungspflichten bestehen verschiedene Möglichkeiten, Versäumnisse des Steuerpflichtigen in Zusammenhang mit der Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion zu sanktionieren.
 

Schätzungsbefugnis zu Lasten des Steuerpflichtigen, § 162 Abs. 3 AO

Wird die angeforderte oder im Rahmen einer Betriebsprüfung künftig zwangsläufig einzureichende Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion nicht vorgelegt oder als unverwertbar eingestuft oder wurde sie ggf. nicht zeitnah erstellt, kann die Finanzbehörde die Einkünfte des Steuerpflichtigen schätzen. Dabei wird bereits gesetzlich widerlegbar vermutet, dass diese Einkünfte höher als die bereits erklärten Einkünfte sind. Dies bedeutet, dass ein Betriebsprüfer keinen Ermessensspielraum hat, sondern bei fehlender oder unverwertbarer Dokumentation zwingend ein Mehrergebnis festzustellen ist. Darüber hinaus darf ein sich bei der Schätzung ergebender Rahmen zur Bestimmung der Einkünfte ausdrücklich zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Damit steigt das Risiko, in einem ersten Schritt eine hohe Hinzuschätzung durch die Finanzbehörde hinnehmen zu müssen. Der Aufwand des Widerlegens in einem zweiten Schritt sollte nicht unterschätzt werden und erhöht damit das finanzielle Risiko.
 

Strafzuschläge, § 162 Abs. 4 AO

Daneben gibt es verschiedene Zuschläge bei keiner oder verspäteter Vorlage oder bei Unverwertbarkeit der Verrechnungspreisdokumentation. Wenn die Verrechnungspreisdokumentation nicht vorgelegt wird oder sie im Wesentlichen unverwertbar ist, ist ein Zuschlag nach Ermessen der Finanzbehörden zwischen 5 und 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, mindestens aber in Höhe von 5.000 Euro festzusetzen. Ist die Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion zwar verwertbar, wurde aber verspätet vorgelegt, beträgt der Zuschlag nach Ermessen der Finanzbehörden bis zu 1 Million Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung.

Um den Steuerpflichtigen zu einer pünktlichen Erfüllung der Vorlagepflichten anzuhalten, kann der Ver­spät­ungs­zu­schlag außerdem künftig bereits während der Betriebsprüfung in Teilbeträgen festgesetzt werden – statt wie bisher erst nach deren Abschluss. U.E. hat die Finanzverwaltung bei Vorliegen der Tat­be­stands­vor­aus­setz­ung­en einer unterlassenen oder verspäteten Vorlage keinen Ermessensspielraum, ob ein Zuschlag zu erheben ist. Lediglich bei der Höhe des festzulegenden Zuschlags besteht ein solcher. Inwieweit die Finanzbehörde in konkreten Sachverhalten eine entschuldbare verspätete Vorlage akzeptiert, bleibt abzuwarten.
 

Mitwirkungsverzögerungsgeld und Zuschläge, § 200a AO

Nicht zu vernachlässigen ist auch das im Zuge des genannten Gesetzes zur Modernisierung des Steuer­ver­fahrens­rechts neu eingeführte qualifizierte Mitwirkungsverlangen, welches Steuerpflichtige unter Androhung erheblicher Konsequenzen dazu bringen soll, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen. Erfolgt keine (hinreichende) Mitwirkung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des qualifizierten Mit­wir­kungs­ver­lang­ens, d.h. einer qualifizierten Anfrage mit Rechtsbehelfsbelehrung zur Vorlage der Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion oder von zusätzlichen Auskünften und Unterlagen, wird ohne Ermessensspielraum der Finanzbehörde ein Mitwirkungsverzögerungsgeld in Höhe von 75 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mit­wirk­ungs­ver­zö­ger­ung, höchstens jedoch für 150 Kalendertage festgesetzt. Auch in diesem Fall kann die Festsetzung in Teil­be­trä­gen erfolgen. Darüber hinaus kann die Finanzbehörde im eigenen Ermessen weitere Zuschläge auf das Mit­wir­kungs­ver­zö­ger­ungs­geld in Höhe von maximal von 25.000 Euro für jeden vollen Kalendertag für höchstens 150 Kalendertage erheben. Bei Unternehmen, welche einen Jahresumsatz von mehr als zwölf Millionen Euro oder einen konsolidierten Umsatz von mehr als 120 Millionen Euro ausweisen, dürfte das Ermessen der Finanz­behörde allerdings auf null reduziert sein. D.h. es ist sehr wahrscheinlich, dass bei einer Mit­wir­kungs­ver­zö­ger­ung auch ein Zuschlag zum Mitwirkungs-verzögerungsgeld festgesetzt wird. Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, die Verrechnungspreisdokumentation so zu erstellen, dass möglichst wenig Bedarf für Rückfragen entsteht. D.h. der bereits seit vielen Jahren bestehende Grundsatz, wonach die Aufzeichnungen es einem sachverständigen Dritten ermöglichen müssen, innerhalb einer angemessenen Frist festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat (vgl. § 2 Abs. 1 GAufzV), sollte bei der Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation hinreichend Beachtung finden.
 

Verlängerung von Betriebsprüfungen

Neben den genannten ggf. erheblichen finanziellen Sanktionen kann die nicht rechtzeitige Vorlage der Ver­rech­nungs­preis­do­ku­men­ta­tion auch zu Verzögerungen in der Betriebsprüfung führen. Dies ist für den Steuer­pflich­ti­gen häufig mit erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand verbunden und kann darüber hinaus zu einer Ver­schlech­te­r­ung des Gesprächsklimas in der Betriebsprüfung beitragen. Hingegen bekräftigt eine rechtzeitig und sorgfältig erstellte Verrechnungspreisdokumentation die Bereitschaft und den Willen des Steuerpflichtigen, seinen Mit­wirkungspflichten grundsätzlich nachzukommen.
  

Implikationen für die Verrechnungspreispraxis

Die verfahrensrechtlichen Änderungen stellen eine deutliche Verschärfung für Steuerpflichtige dar, ins­be­sondere in Bezug auf deren erhöhte Mitwirkungspflichten bei Verrechnungspreissachverhalten. Umso wichtiger ist es, bereits jetzt vorbereitende Maßnahmen für künftige Verrechnungspreisdokumentationen und die Ver­teidigung in Außenprüfungen zu treffen. Aufzeichnungen über die grenzüberschreitenden Ge­schäfts­be­zieh­ung­en sollten grundsätzlich zeitnah nach Ende des Geschäftsjahres, z.B. parallel zur Erstellung des Jahres­ab­schlus­ses, „auf Vorrat“ erfolgen. Das ist umso empfehlenswerter, da zu diesem Zeitpunkt die Überlegungen und Nachweise zur fremdüblichen Verrechnungspreisermittlung noch präsent sind.

Neben den nationalen Entwicklungen insbesondere im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen Ver­rech­nungs­preis­vor­schrif­ten sollte außerdem die jeweilige Rechtslage in den Ländern der ausländischen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten im Blick behalten werden. Denn Deutschland ist nur eines von vielen Ländern, in dem die Compliance-Vorschriften mit Bezug zu Verrechnungspreisen verschärft wurden oder werden sollen. Es gilt, bei Konzerngesellschaften im In- und Ausland regelmäßig zu prüfen, ob eine Dokumentationspflicht besteht, frühzeitig Informationen zu sammeln und vorzuhalten, sodass bei Bedarf eine zeitnahe und vollständige Dokumentation erfolgen kann. Im besten Fall werden dabei Synergien genutzt, die sich durch gleichlautende Dokumentationsinhalte in den Dokumentationen der betroffenen Gesellschaften und in abgestimmten, internationalen Dokumentationsprozessen ergeben. 
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