Wandelanleihen und deren Bedeutung für Finanzierungsrunden

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veröffentlicht am 18. September 2019 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Cyril Prengel, Rödl & Partner Nürnberg, und Yannik Meka
 

Besonders im angelsächsischen Raum haben sich Wandelanleihen schon lange als beliebtes Finan­zierungsinstrument bei Investoren von Start-ups etabliert. Doch auch in Europa werden Wandel­anleihen gleichwohl bei der Finanzierung genutzt, da sie sowohl für Gründer als auch Investoren – hauptsächlich in den frühen Phasen der Finanzierung – beträchtliche Vorteile mit sich bringen.

   
Während traditionelle Anleihen nach Ablauf der Laufzeit zurückzubezahlen sind, können Wandelanleihen unter bestimmten Umständen in Anteile umgewandelt werden. Im Kontext von Start-ups passiert dies meist im Zuge von weiteren Finanzierungsrunden, wobei es grundsätzlich zwei Szenarien gibt, in denen sich eine Ausgabe von Wandelanleihen lohnt.
 
Zum einen stellen Wandelanleihen in den frühen Phasen eines Start-ups eine ideale Form der Finanzierung dar. Gerade bei der ersten Aufnahme von Kapital ist es oftmals schwer, einen angemessenen Wert für Start-ups festzulegen, da nötige Informationen fehlen und der künftige Unternehmensverlauf kaum vorhersehbar ist. Mithilfe von Wandelanleihen lässt sich diese Problematik auf einen späteren Zeitpunkt – meist den der nächsten Finanzierungsrunde – verschieben, bei dem Gründer und Investoren in der Lage sind, sich auf Basis weiterer Informationen auf einen Unternehmenswert zu einigen. Zusätzlich vermeiden Gründer eine frühzeitige Abgabe von Stimmrechten.
 
Zum anderen können Start-ups mit Hilfe von Wandelanleihen Liquiditätsengpässe zwischen Finanzierungs­runden überbrücken, da sie grundsätzlich mit sehr geringen Transaktionskosten und Zeitaufwand verbunden sind. Die anfallenden Zinsen werden meist erst bei der Umwandlung in Unternehmensanteile fällig, wodurch die Liquidität des Start-ups geschont wird.
 
Aus der Perspektive der Investoren gelten die gleichen Vorteile im Hinblick auf die Verschiebung der Bewertung auf einen späteren Zeitpunkt, als auch der geringen Transaktionskosten. Zusätzlich profitieren Investoren von z.B. „Discounts”, „Caps” oder weiteren Sonderrechten welche eine verbilligte Umwandlung in Unternehmensanteilen ermöglichen und ihr Investment absichern.
 
Neben den Vorteilen die sich bei der reinen Anwendung von Wandeldarlehen ergeben, etabliert sich immer mehr eine Kombination aus Wandeldarlehen und offenen Beteiligungen. Hierbei wird lediglich ein Teil des Investments in das Grund-/Stammkapital investiert, um eine vorher verhandelte Anteilsquote am Unternehmen zu erhalten. Der Rest wird in Form eines verzinsten Wandeldarlehens mit Rückzahlungsan­spruch ausgegeben. Je nach Art und Umfang der Sonderrechte (z.B. Anti-Dilution), die mit dieser Form der Finanzierung ausgegeben werden, ergeben sich für Investoren vielseitige Möglichkeiten, um ihr eigenes Downside-Potenzial einzugrenzen bzw. ihr Upside-Potenzial der eigenen Beteiligung zu erhöhen. Solche Optionen wirken jedoch zu Lasten des Gründers und führen bei einer Vielzahl von weiteren Finanzierungs­runden sowie neu verhandelten Sonderrechten zu einer steigenden Komplexität der Beteiligungsstruktur des Unternehmens. Es ist daher wichtig, dass sowohl Gründer als auch Investoren sich der rechtlichen und ökonomischen Wirkung der Sonderrechte bewusst sind. Im Kontext von offenen Beteiligungen in Kombination mit Wandeldarlehen ergeben sich in weiteren Finanzierungsrunden hierbei drei maßgebliche Eigenschaften:
 

    

Der zum Erhalt der Anteilsquote benötigte Wandlungsbetrag ist unabhängig von der Pre-Money-Bewertung

Als erstes ist der Nutzen von Wandelanleihen zum Schutz vor Verwässerung in Folgefinanzierungsrunden zu nennen. Grundsätzlich gilt, dass bei einem steigenden Preis pro Anteil im Kontext einer Folgefinanzierung der Effekt der Verwässerung regressiv abnimmt. Ein offen beteiligter Investor mit Wandelanleihen hat nun die Möglichkeit, durch Wandlung seine ursprüngliche Anteilsquote zu erhalten. Bei einer niedrigen Bewertung sind hierfür mehr Anteile als bei einer höheren Bewertung zu wandeln, was jedoch eine höhere Verwässerung zur Folge hat. Dementsprechend ergibt sich bei einer höheren Bewertung ein höherer Preis pro Anteil. Folglich sind Wandeldarlehen sehr gut geeignet, um die ursprüngliche Anteilsquote eines Investments – unabhängig von der Pre-Money-Bewertung – zu erhalten, da zwar weniger (mehr) Anteile zum Schutz vor Verwässerung benötigt werden, der Umwandlungspreis jedoch entsprechend höher (niedriger) ist. Das gilt auch in weiteren Finanzierungsrunden, soweit der Wandlungsbetrag der Wandelanleihe noch nicht vollständig ausgeschöpft ist.

   

Das Finanzierungsvolumen ist maßgeblich für den zum Erhalt der Anteilsquote benötigten Wandlungsbetrag

Während der Wandlungsbetrag nicht abhängig von der Bewertung ist, hat das Finanzierungsvolumen der weiteren Runde jedoch einen maßgeblichen Einfluss auf den zum Erhalt der Anteilsquote aufzuwendenden Wandlungsbetrag. Zum Ausgleich der Verwässerung steigt der Betrag proportional zur Höhe des Finanzierungsvolumens, wobei jedoch der Wandlungsbetrag pro Euro Neuinvestment konstant bleibt. Als Investor bietet es sich also an, bei einer anstehenden Finanzierungsrunde zuerst den Wandlungsbetrag pro Euro Neuinvestment zu bestimmen, um vorab den benötigten Wandlungsbetrag zum Erhalt der eigenen Anteilsquote bei variierenden Finanzierungsvolumina einzuschätzen. Besonders bei Finanzierungsrunden mit niedrigen Volumina ergibt sich für Investoren die Chance – durch eine Wandlung über dem zum Erhalt der Anteilsquote benötigten Wandlungsbetrag – die ursprüngliche Anteilsquote auszubauen. Hiermit partizipiert der Investor in der Folgerunde überproportional im Verhältnis zur ursprünglichen Anteilsquote.


Offensichtlich bietet die Kombination aus offener Beteiligung und Wandeldarlehen einige Vorteile zum Erhalt der eigenen Anteilsquote. Ein weiterer interessanter Effekt ergibt sich jedoch erst in weiteren Finanzierungsrunden, in denen Sonderrechte (z.B. Full-Ratchet Anti-Dilution-Klauseln) vereinbart werden.

   

Durch Wandelanleihen immun gegenüber Anti-Dilution Klauseln

Anti-Dilution-Klauseln schützen den Wert der Beteiligungen von Investoren im Falle einer Down-Round. Mit anderen Worten: Eine anschließende Finanzierungsrunde, bei der der Pre-Money-Wert der aktuellen Finanzierungsrunde unter dem Post-Money-Wert der vorherigen Finanzierungsrunde liegt. Eine solche Down-Round hat üblich einen verwässerten Effekt auf die Anteile der Altinvestoren. Investoren, die im Besitz von Vorzugsaktien mit Anti-Dilution-Klausel sind, bleiben jedoch von der Verwässerung – auf Kosten der Stammanteilseigner – verschont. Im Falle einer Full-Ratchet-Klausel sind geschützte Investoren so zu stellen, als ob ihre Anteile zum aktuellen niedrigeren Preis pro Anteil erstanden wurden. Der Ausgleich geschieht bspw. über eine Anteilsübertragung von Stammanteilseignern.

Für Investoren die z.B. bereits in der Seed-Runde mit einer durch Wandelanleihen gepaarten offenen Beteiligung investiert haben, besteht jedoch die Möglichkeit, die benachteiligende Rolle als Stamm­anteilseigner bei Aktivierung von Anti-Dilution-Klauseln zu negieren. Diese schützende Eigenschaft soll das folgende Beispiel demonstrieren:

Ein Investor W hat bereits in der Seed-Runde investiert und ist mit einer offenen Beteiligung und Wandelanleihen ausgestattet. In einer weiteren Finanzierungsrunde A werden Vorzugsanteile mit Anti-Dilution-Klausel ausgegeben. Investor W wandelt nun seinen gesamten Wandlungsbetrag um und erhält dadurch die neuen Vorzugsaktien. Somit ist Investor W im Besitz von Stammanteilen und Vorzugsaktien. In einer dritten Finanzierungsrunde B sinkt die Pre-Money-Bewertung jedoch unter den Wert der vorherigen Runde. Die Full-Ratchet Anti-Dilution-Klausel der Vorzugsaktien tritt daher in Kraft. In erster Linie wird Investor W also benachteiligt, da er – genauso wie Gründer – im Besitz von Stammanteilen ist, die nicht vor der Verwässerung geschützt sind. Anteilig ist Investor W in Höhe seiner ursprünglichen Seed-Anteilsquote negativ betroffen. Der Effekt wird jedoch vollständig durch die Anti-Dilution-Klausel der in Runde B gewandelten Vorzugsanteile negiert. Investor W profitiert somit von den Vorteilen der Vorzugsaktien, ist aber durch die Verwässerung seiner Stammanteile benachteiligt. Seine Gesamtanteils­quote ist daher immun gegenüber der Anti-Dilution-Klauseln. Trotzdem erleidet Investor W einen Wertverlust auf die Gesamtbeteiligung, da die ursprüngliche offene Beteiligung nicht vor der preislichen Verwässerung geschützt ist.

   

Fazit

Die Darstellung der drei Effekte von Wandelanleihen verdeutlicht, dass diese Form der Finanzierung einige Vorteile für Investoren mit sich bringt. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass Kapitalgeber wie der HTGF als auch Bayern Kapital häufig diesen Weg der Beteiligung einschlagen. Mit steigender Anzahl der Finanzierungsrunden und unterschiedlichen Ausstattungen von Sonderrechten erhöht das jedoch weiter die Komplexität der Gesellschafterstruktur. Es ist daher wichtig, dass sowohl Investoren als auch Gründer die rechtlichen und ökonomischen Auswirkungen kennen, um sich gegen negative Effekte zu schützen und größtmöglich von positiven Effekten zu profitieren.

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