Betriebsstätte: Umsatzsteuer versus Ertragsteuer

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zuletzt aktualisiert am 31. Oktober 2018

 

Betriebsstätten bieten in der Steuerpraxis häufig Anlass zur Diskussion. Wird eine steuerliche Betriebsstätte erst im Rahmen einer Außen­prüfung festgestellt, drohen regelmäßig hohe Steuer­nach­zahlungen und u.U. auch massive Strafen für den Steuer­pflichtigen. Dass dabei die umsatz­steuerliche Beurteilung nicht zwingend der ertrag­steuer­lichen Einschätzung entspricht, erhöht die Komplexität und die möglichen (vermeid­baren) Fallstricke.

 

 

Betriebsstätte im Ertragsteuerrecht

Sowohl die deutsche Abgabenordnung (AO) als auch die bilateralen Doppel­besteuerungs­­abkommen (DBA) bestimmen, wann eine ertragsteuerliche Betriebsstätte unterhalten wird. Demnach setzt eine Betriebs­stätte regelmäßig als zentrales Merkmal eine feste Geschäfts­einrichtung voraus, durch die die Geschäfts­tätigkeit des inländischen Unternehmens ausgeübt wird und die auf eine gewisse Dauer angelegt ist.
 
Aber auch ohne feste Geschäfts­­einrichtung im Ausland kann ein inländisches Unternehmen eine aus­län­dische Betriebsstätte unterhalten: zum einen bei Bau- und Montagetätigkeiten, die eine bestimmte Dauer über­schreiten. Zum anderen bei Einsatz von sog. ständigen Vertretern, die im Ausland für das inländische Unternehmen tätig sind.

 

Ungewollte Betriebsstätte

In der Baubranche oder im Anlagen- und Maschinenbau begründen die Fristen von 6, 9 oder 12 Monaten im nationalen Recht und in den individuellen Doppelbesteuerungsabkommen das Risiko, dass Unternehmen unbeabsichtigt im Ausland eine sog. Bau- und Montagebetriebsstätte unterhalten. Das gilt insbesondere, weil vorübergehende und unvorhergesehene Unterbrechungen den starren Fristablauf nicht hemmen.
 
Aber auch aus einem Auftragsverhältnis mit Dienstleistern, aus einem Anstellungsverhältnis mit Arbeit­nehmern oder der Einschaltung von Unterbeauftragten im Ausland kann sich die Frage einer Betriebs­stätte stellen. In dem Zusammenhang ist die internationale Staatengemeinschaft zunehmend der Auffassung, dass eine feste Geschäft­seinrichtung für sich genommen keine unbedingte Voraussetzung für ein Besteuerungsrecht sein muss. Die Erfordernis reduziert sich vielmehr auf die physische Präsenz von wie auch immer verfügbarem Personal (Stichwort „Homeoffice”) oder auf einen Teil der Wertschöpfung über eine faktische Präsenz im betreffenden Staat (Stichwort „Dienstleistungsbetriebsstätte”). 
 
Die EU-Kommission hat bereits konkrete Pläne zur Besteuerung einer sog. signifikanten digitalen Präsenz („digitale Betriebsstätte”) bzw. zur Einführung einer übergangsweisen Digitalsteuer vorgestellt (siehe EU-Richtlinienentwurf vom 21. März 2018). Hierdurch kann ein ausländisches Besteuerungsrecht losgelöst vom klassischen Betriebsstättenbegriff entstehen. Das weitere Vorgehen des Gesetzgebers hierzu sollte mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden. Davon unabhängig steht gleichwohl der umsatzsteuerliche Betriebs­stätten­begriff, der separat nach den länderspezifischen Besonderheiten zu definieren ist und sich gemäß der euro­päischen Recht­sprechung v.a. nach einem Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln sowie nach einer Struktur mit hinreichender Beständigkeit begründet. Beides ist an der wirtschaftlichen Tätigkeit (eingangs- und ausgangsseitig) zu beurteilen.
  

Vermeidbare Doppelbesteuerung

Eine Betriebsstätte unterliegt im betreffenden Staat selbständigen Registrierungs- und Steuer­erklärungs­pflichten. Die tatsächliche Steuerbelastung hängt neben der nach ausländischem Steuer­recht ermittelten Bemessungsgrundlage und der Höhe des ausländischen Steuersatzes zudem von der Rechtsform des Stamm­hauses in Deutschland ab: Bei einem Einzelunternehmer unterliegen die Gewinne im Betriebs­stätten­staat dem ausländischen Einkommensteuersatz. Ist das Stammhaus eine Kapital­gesell­schaft, unterliegen die Betriebsstättengewinne der ausländischen Körperschaftsteuer.
 
In Deutschland werden ausländische Betriebsstättengewinne i.d.R. von der Besteuerung unter Pro­gressions­vorbe­halt freigestellt, so dass es im Ergebnis grundsätzlich nur zu einer einmaligen Besteuerung der Betriebs­stättengewinne im Ausland kommt. Wenn aus deutscher steuerlicher Sicht aber keine Anhalts­punkte für die Annahme einer Betriebs­stätte bestehen, ist eine zusätzliche Besteuerung in Deutschland und damit eine Doppelbesteuerung der grenz­über­schreitenden Geschäfts­tätigkeit nicht auszuschließen.
 
Vor dem Hintergrund ist dringend zu empfehlen, im Vorfeld des Auslandsengagements die Begründung einer Auslandsbetriebsstätte sowohl nach deutschem als auch nach lokalem Steuerrecht – bspw. im Rahmen unseres „Betriebsstätten Quick Check” – zu analysieren. Qualifikationsunterschiede können dann idealerweise durch Sachverhaltsgestaltung oder aber in Abstimmung mit den beteiligten Finanzämtern vermieden werden.
 

Bedeutung für Expatbesteuerung und Rechnungsstellung

Ungeachtet der sog. 183-Tage-Regelung führt das Vorliegen einer Betriebsstätte im Ausland regelmäßig zur lokalen Steuer- und Sozialabgabenpflicht des Personals. Auch in dem Zusammen­hang gilt, dass die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen bspw. im Vorfeld einer Mitarbeiter­ent­sendung analysiert und ggf. gestaltet werden sollten.
 

Abgrenzung zur umsatz­steuerlichen Betriebsstätte

Als umsatzsteuerliche Betriebsstätte gilt nach eigenständiger Definition jede feste Geschäfts­einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmers dient. Das muss über einen ausreichenden Mindest­bestand an Personal- und Sachmitteln verfügen, die für die Erbringung der betreffenden Leistungen erforderlich sind.
   
Die feste Geschäfts­einrichtung oder Anlage muss zudem eine beständige Struktur aufweisen, d.h. z.B. über eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten verfügen, die Möglichkeit bzw. Befugnis haben, Verträge abzuschließen und bestimmte Entscheidungen zu treffen (vgl. Abschn. 3a. 1 Abs. 3 Satz 1 bis 3 UStAE). Die Finanzverwaltung hat sich hierbei an der Definition einer sog. festen Niederlassung im Sinne des Art. 11 MwStVO (Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011) orientiert.
 

Tendenzen – Kriterium „Mindestmaß an Personal- und Sachmittel”

Die ergangene Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Definition einer umsatz­steuer­lichen Betriebsstätte befasst sich insbesondere mit der Frage des erforderlichen Umfangs von Personal- und Sachmitteln.
 
So hat der EuGH mit Urteil vom 16. Oktober 2014 (Rs. C-605/12, Welmory) allgemein ent­schie­den, dass eine feste Niederlassung vorliegt, „wenn diese Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu empfangen und zu verwenden”.
 
In dem Zusammenhang ist das Urteil des FG Münster vom 5. September 2013 (Az. 5 K 1768/10 U) interessant, nach dem Windräder als ortsfeste Einrichtungen auch dann eine Zweignieder­lassung darstellen, wenn bei den Windkraftanlagen kein eigenes Personal tätig ist. Die fehlende personelle Ausstattung würde in dem Fall durch die stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert. Letztlich wäre abhängig vom jeweiligen Geschäft bzw. Tätigkeit entscheidend, ob zur Leistungs­erbringung bspw. überhaupt Personal benötigt würde, sodass bei Verneinung also nicht beide Kriterien „Personal” und „Sachmittel” vorliegen müssen.
 

Hinweise für die Praxis

Nach wie vor ist nicht klar, ob die Definition der umsatzsteuerlichen Betriebsstätte unabhängig von der geschäft­lichen Aktivität erfolgen kann. In der Rechtsprechung wurde bereits bestätigt, dass es sich nicht stets um eigene Personal- und Sachmittel handeln muss, die bspw. auch jeweils angemietet sein könnten.
 
Eine steuergebietsübergreifende einheitliche Definition einer Betriebsstätte existiert nicht. In Abgrenzung zur Definition einer ertragsteuerlichen Betriebsstätte ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer solchen grundsätzlich „weiter und anders gefasst” sind. Im Falle einer umsatzsteuerlichen Betriebstätte bestehen die umsatzsteuerlichen Konsequenzen insbesondere im abweichenden Leistungsort bei Erbringung oder Bezug einer Leistung durch eine Betriebsstätte und damit ggf. abweichender Rechnungsstellung, z.B. mit lokalem Umsatz­steuer­ausweis infolge nicht anwendbarem Reverse Charge-Verfahren (durch dann angenommene Inländereigenschaft).
 
Eine Abweichung zwischen dem Vorliegen einer ertrags- und umsatzsteuerlichen Betriebsstätte kann es also v.a. bei sog. Bau- und Montagebetriebsstätten geben.
  
Eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte bspw. liegt in Fällen von Bau- und Montageleistungen (im Ausland) oftmals mangels hinreichendem Grad an Beständigkeit oder Befugnis zum Abschluss von Verträgen nicht vor. Daher ist eine entsprechende Einzelfallprüfung empfehlenswert, um mögliche Fallgestaltungen vor Vertrags­abschluss zu ermöglichen und etwaige umsatzsteuerliche Registrierungs- und Erklärungspflichten im Ausland zu identifizieren bzw. zu vermeiden. Das gilt es v.a. deshalb zu beachten, da auch im Ausland – nicht nur im EU-Ausland, sondern auch und v.a. im Drittland – die umsatzsteuerliche Betriebsstätte wiederum abweichend zur deutschen bzw. europäischen Definition erfolgen kann und auch automatisch bei Vorliegen einer ertragsteuer­lichen behördenseitig angenommen und erfasst wird. Letzteres gilt im Übrigen auch für einige EU-Länder.
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