Die rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Commerce in der Türkei

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 4. April 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Digitale Dienstleistungen und Online-Marktplätze sind in einer globalen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Unternehmen wird die Möglichkeit eingeräumt, grenzüber­schrei­tenden Handel zu betreiben und den Kundenkreis zu erweitern. Bereits in den 90er Jahren wurden in der Türkei Online-Märkte geschaffen. Doch aufgeblüht ist der elektronische Handel zu Zeiten der COVID-19 Pandemie. Der Kauf einer Ware oder einer Dienstleistung über das Internet vereinfacht unseren Alltag, weshalb immer mehr Unternehmer und Verbraucher von den Vorteilen des E-Commerce profitieren. So ist es erforderlich, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Commerce fest­stehen, um alle Teilnehmer zu schützen. 


Denn im Zeitalter der Digitalisierung muss auch die rechtliche Lage den Herausforderungen der schnell­wach­senden Internetwirtschaft angepasst und eine Unsicherheit im Internet abgeschafft werden. Das E-Commerce-Gesetz bildet die rechtliche Grundlage des E-Commerce, welches bereits im Jahr 2014 in Kraft getreten ist. Als Meilenstein wird jedoch die umfassende Gesetzesänderung vom Jahr 2022 angesehen. Das Ziel der Gesetz­geb­ung ist die rechtssichere Funktion und Weiterentwicklung des Online-Handels. In diesem Sinne entwickelt die Türkei ständig neue Strategien und reformiert die gesetzlichen und regulativen Rahmenbedingungen, um den E-Commerce zu fördern und für Investoren attraktiv zu machen. Transparenz, regulierter Markt, Schutz vor unlauteren Wettbewerb sind dabei die Hauptziele. 

Neue Begrifflichkeiten

Erstmalig werden die Begriffe E-Commerce-Dienstanbieter („Dienstanbieter“) und E-Commerce-Vermittler („Vermittler“) sowie E-Commerce Marktplatz und E-Commerce Umfeld gesetzlich definiert. Während der Dienst­­anbieter für den Abschluss von Verträgen sorgt oder Bestellungen über E-Commerce Marktplätze oder im ei­gen­en E-Commerce Umfeld aufnimmt, ermöglicht der Vermittler Dienstanbietern das Angebot von Pro­dukten auf E-Commerce Marktplätzen und vermittelt den Abschluss von Verträgen oder Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen auf dem E-Commerce-Marktplatz. 

Für die reibungslose und rechtssichere Funktion des E-Commerce wurde dem Handelsministerium die Befugnis erteilt, Tätigkeiten der beiden Akteure zu beobachten, um ein effektives und lauteres Wettbewerbsumfeld zu schaffen. In diesem Zusammenhang agiert das Handelsministerium als Kontrollmechanismus und ist befugt, Maßnahmen gegen Rechtswidrigkeiten und Pflichtverletzungen einzuleiten und Bußgelder zu verhängen. 
 

Darstellung und Überprüfung der Informationen von Dienstanbietern

Dienstleister und Vermittler müssen auf E-Commerce-Plattformen bestimmte Informationen zwecks Identifi­kation zur Ver­füg­ung stellen, z. B. Informationen zur Firma, Steuernummer/Firmenregisternummer und Kom­muni­kations­informa­tionen, registrierte E-Mail-Adresse und Telefonnummer (vgl. „Impressumspflicht“ im deut­schen Recht). Ferner ist der Vermittler verpflichtet den Zugang zur technischen Einrichtung der Inform­ation von Dienstanbietern zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sind Vermittler verpflichtet, sowohl Eigen­inform­a­tion­en zur Verfügung zu stellen als auch die Informationen der Dienstleister zu überprüfen. Diese Informationen müssen jährlich vom Vermittler überprüft werden. Erweisen sich die Informationen als unwahr, so ist der Ver­mittler dazu verpflichtet, den Dienstanbieter aus dem E-Commerce-Umfeld auszuschließen.

Entfernung von unrechtlichem/illegalem Inhalt

Der Vermittler ist dazu verpflichtet, die vom Dienstanbieter zur Verfügung gestellten rechtswidrigen Inhalte innerhalb von 48 Stunden zu entfernen und den Dienstanbieter und die entsprechenden Einrichtungen zu benachrichtigen, sobald er von der Situation in Kenntnis gesetzt wird. Illegale Inhalte, Waren und Dienst­leis­tungen sollen damit bekämpft werden. Somit soll ein sicheres, transparentes und vertrauenswürdiges Umfeld für Verbraucher geschaffen werden. Händler, welche die elektronischen Plattformen missbrauchen, sollen ausgeschlossen werden.  

Einleitung von Maßnahmen gegen Verstöße gegen das Recht des geistigen Eigentums

Rechtsinhaber haben die Möglichkeit, Verstöße gegen Eigentumsrechte über ein internes Kommunikations­system oder über einen Notar oder eine eingeschriebene Postadresse nachweislich zu melden. In solchen Fällen entfernt der Vermittler die betroffenen Produkte innerhalb von 48 Stunden und informiert den Dienst­anbieter und Rechtsinhaber. Der Dienstanbieter kann dem schriftlich widersprechen und sofern keine Rechts­widrigkeit erfasst wird, die Wiedereinstellung des Produkts beanspruchen.   

Verbot des unlauteren Wettbewerbs

Es sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Unlauterer Geschäftspraktiken sind in der Regel nach­folgende Praktiken:
 
  • Praktiken, die die kommerziellen Aktivitäten der Anbieter von Dienstleistungen erheblich stören;
  • Praktiken, die die Fähigkeit der Dienstanbieter angemessene Entscheidungen zu treffen einschränken, oder
  • Praktiken, die eine Partei zu einer Geschäftsbeziehung oder bestimmten Entscheidungen zwingen, an der sie normalerweise nicht beteiligt wäre.
 
Diese Liste ist jedoch nicht abschließend. Vielmehr müssen die besonderen Umstände des Einzelfalls geprüft werden.    

Verbot des Verkaufes von Eigenmarken

Ab dem 1. Januar 2024 verbietet das Gesetz den Vermittlern den Verkauf, das Angebot und die Vermittlung von Waren und Produkten der Eigenmarke oder Marken von Personen, mit denen sie einer wirtschaftlichen Einheit unterliegen. Somit soll die Monopolisierung von Vermittlern in der Onlinewirtschaft vermieden werden.   

Verbot von Werbediensten auf Online-Suchmaschinen

Ohne eine schriftliche oder elektronische Genehmigung des Markeninhabers ist es dem Dienstanbieter oder dem Vermittler verboten, Werbe- oder Marketingtätigkeiten im E-Commerce Umfeld zu tätigen. Das betrifft nur Dienstanbieter oder Vermittler, die mit dem Markeninhaber keiner wirtschaftlichen Einheit unterliegen.  

Unterzeichnung eines Vermittlungsvertrages

Es muss ein Vermittlungsvertrag zwischen Vermittler und Dienstleister abgeschlossen werden. Das Gesetz gibt vor, welche Mindestanforderungen in dem jeweiligen Vertrag vereinbart werden müssen.    

Lizenzerfordernis

Ab dem 1. Januar 2025 müssen Vermittler, deren Nettoverkaufsvolumen mehr als 10 Milliarden TRY und mehr als 100.000 Transaktionen beträgt, eine Lizenz für elektronischen Handel beantragen. Sinn und Zweck ist, dass bestimmte Vermittler von bestimmter Größe durch die Behörde im Hinblick auf lauteren Wettbewerb be­obach­tet werden sollen.  
 
Weitere Pflichten werden für Vermittler je nach Höhe ihrer Nettoverkaufsvolumen verordnet. Diese Regelung gleicht den Verpflichtungen des „Gatekeepers“ im „Digital Market Act“. 
 
Die neue Gesetzesänderung unterscheidet zwischen folgenden Größen, gemessen am Nettoverkaufsvolumen: 
 
  • über 10 Mrd. TRY = mittelgroße Vermittler;
  • über 30 Mrd. TRY und Abschluss von mehr als 100.000 Transaktionen ohne Stornierungen und Erstattungen = große Vermittler;
  • über 60 Mrd. TRY und Abschluss von mehr als 100.000 Transaktionen ohne Stornierungen und Erstattungen = extragroße Vermittler.
 
Ferner finden die Pflichten des Vermittlers für den Dienstanbieter analoge Anwendung, sobald sie mehr als die Hälfte ihres Umsatzes von Verkauf durch den E-Commerce tätigen.  

Haftung

Der Vermittler haftet nicht für den illegalen Inhalt des Dienstanbieters, sobald nichts anderes im Gesetz vorge­sehen ist. In diesem Rahmen ist für den Vermittler ein Haftungsausschluss vorgesehen. Doch bei Verstoß gegen eigene Verpflichtungen kommen Geldbußen in Betracht. Ferner kommt sowohl für den Vermittler als auch für den Dienstleister ein Ausschluss vom E-Commerce in Betracht.     

Fazit

Die Gesetzesänderung und die neue Rechtsverordnung stellen im Grunde eine Anpassung an die heutigen Bedürfnisse dar. Sinn und Zweck ist die Schaffung eines transparenten E-Commerce-Umfelds und die Vermeidung eines un­lauteren Wettbewerbs durch Auferlegung von bestimmten Pflichten an die beiden Akteure des E-Commerce. Dem Handelsministerium kommt dabei eine Überwachungsfunktion zu. In diesem Sinne ähnelt die neue Gesetzeslage der europäischen Verordnung des „Digital Service Act“ und „Digital Market Act“. 
  
Abschließend sei gesagt, dass die Türkei in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte in der Digitalisierung gemacht hat. Der digitale Wandel dauert an. Es ist zu erwarten, dass mittelständische Unternehmen zur Digital­isierung gefördert werden, weshalb auch ausländischen Investitionen eine besondere Bedeutung zukommen wird.  

Kontakt

Contact Person Picture

Selin Karakaş

+90 212 3101 412

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Mehr lesen?

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu