Änderung bei Mangelansprüchen im Bau- und Architektenrecht: Der Mangel ist nicht mehr zwingend der Schaden

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veröffentlicht am 25. April 2019


Bisher war es im Werkvertragsrecht – insbesondere auch im Bau- und Architektenrecht – geregelt, dass der Besteller einer Werk- oder Bauleistung den voraussichtlichen Mangelbeseitigungsaufwand als Schadenersatz geltend machen konnte, wenn das Werk mit einem Mangel behaftet war. In der Praxis wurden die Mangelbeseitigungskosten meistens gutachterlich festgestellt. Bei Zuerkennen des Anspruchs konnte der Besteller frei entscheiden, ob er mit den ihm zur Verfügung gestellten Geldmitteln den Mangel beseitigen lässt oder die Gelder anderweitig verwendet. Anders als beim sog. Vorschussanspruch gab es keinerlei Abrechnungspflichten. Der Besteller konnte mit den Schadener­satzzahlungen frei disponieren und die Gelder – überspitzt gesagt – auch für eine Urlaubsreise nach Mallorca verwenden.


   

Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung

Mit einem aufsehenerregenden Urteil vom 22. Februar 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: VII ZR 46/17) diese jahrzehntelange Praxis aufgegeben und die Schadenersatzansprüche gegen Werkunternehmer bei Werkmängeln und auch gegen Architekten bei sich im Bauwerk bereits verwirklichten Planungs- und Über­­wachungs­­fehlern neu geregelt. Mit Erlass der Entscheidung ist es nunmehr nicht mehr möglich, bei Vorlage eines Werkmangels den Schaden anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten zu bemessen.

In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die mangelhafte Herstellung eines Natursteinbelages für ein Einfamilienhaus der Kläger. Diese nahmen sowohl den Werkunternehmer als auch den Architekten wegen der Mängel im Terrassenbelag in Haftung und forderten von beiden Schadenersatz i.H.v. ca. 120.000 Euro.

Während des Gerichtsverfahrens wurde das Objekt der Klägerin veräußert und sie hat insoweit die ursprünglich auf Vorschuss gerichtete Klage umgestellt und verlangt nunmehr Schadenersatz in Höhe der fiktiven Mangel­beseitigungs­kosten. Das Berufungsgericht hat einen Schadenersatzanspruch zuerkannt und die Bemessung auf Basis der fiktiven Mangelbeseitigungskosten entsprechend der bisherigen Sach- und Rechtslage zugelassen.

Auf die Revision hin hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung aufgehoben und an das Berufungs­gericht zur weiteren Feststellung zurückverwiesen. In seinem Urteil stellte der Bundesgerichtshof fest, dass künftig – unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung – die Bemessung eines Vermögensschadens in Form und Höhe fiktiver Aufwendungen nicht mehr zulässig ist. Begründet wird das insbesondere mit einer häufigen Überkompensation und damit einer nach schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bestellers.

Tatsächlich konnte nämlich eine Mangelbeseitigung durch die anspruchsberechtigte Klägerin nicht mehr stattfinden, da sie nicht mehr Eigentümerin des Objekts gewesen ist. Gleichwohl hätten der Werkunter­neh­mer und auch der Architekt Schadenersatz zu leisten gehabt, da eben das ursprünglich bestellte Werk im Nachhinein unstreitig mangelhaft gewesen ist und insoweit ein Anspruch dem Grunde nach bestanden hat. Im vorliegenden Fall war offen, ob und inwieweit der Mangel an dem Terrassenbelag zu einer Minderung des Kaufpreises geführt hat. Unterstellt, eine derartige Minderung hat es nicht oder nur in geringer Höhe gegeben, wäre es folglich zu einer Überkompensation gekommen. Die Klägerin hätte eventuell bei einer bestandskräftigen Verurteilung mehr erhalten als bei einer mangelfreien Herstellung des Terrassenbelages – einmal den eventuell nicht oder nur gering verminderten Kaufpreis und zudem den Schadenersatzanspruch in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten.


Rechtslage nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof hat insoweit festgestellt, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten nunmehr ausscheidet und das sowohl für den BGB als auch den VOB/B-Vertrag festgestellt.


Welche Möglichkeiten hat der Besteller einer mangelhaften Werkleistung noch?

Es bleibt dabei, dass sämtliche Ansprüche, die darauf abzielen, den Mangel zu beseitigen, nach wie vor erhalten bleiben. Das bedeutet, dass neben der tatsächlichen Nacherfüllung durch den Werkunternehmer der Besteller weiterhin einen Vorschuss verlangen kann, um den Mangel selbst zu beseitigen oder bei bereits stattgefundener eigener Mangelbeseitigung die Ersatzvornahmekosten geltend machen kann.

Der Auftraggeber kann, wenn er eine Mangelbeseitigung nicht oder nicht sofort durchführen möchte, auch den Schaden nach einem konkreten Minderwert des nunmehr mangelhaften Bauwerks oder Werkstücks bemessen.

Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Klägerin einen Schadenersatzanspruch ohne die Durchführung einer Mangelbeseitigung nur dann verlangen kann, wenn sie nachweist, dass der Wert der mangelbehaf­teten Sache unterhalb des Wertes der mangelfreien Sache liegt.

Im Rahmen der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die schadensrechtlichen Grundsätze auch auf die Haftung des planenden bzw. bauüberwachenden Architekten übertragen. Dieser Dienstleister kann naturgemäß regelmäßig einen Baumangel nicht selbst beseitigen und haftet daher i.d.R. auf Schadenersatz – also auf eine Geldleistung zur Kompensation seiner mangelhaften Arbeiten. Auch hier gilt, dass die bisherige fiktive Berechnung auf Basis von meist gutachterlich festgestellten Mangelbeseitigungskosten dem Architekten gegenüber nicht mehr stattfinden kann. In dem Fall bleibt es bei den Ansprüchen, die auch gegenüber dem Werkunternehmer gelten – also denen, die infolge einer Mangelbeseitigung entstan­den sind sowie dem Anspruch auf Minderwert des Grundstücks.

Dem Bundesgerichtshof ist klar, dass eine Vielzahl laufender Prozesse insoweit neu aufgerollt werden müssen. Alle laufenden Verfahren, in denen fiktive Mangelbeseitigungskosten eine Rolle spielen, müssen rechtlich neu beurteilt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung jederzeit zwischen den Rechnungsmethoden für eine Mangelbe­seitigung gewechselt werden kann. Das war in der Vergangenheit oft eingeschränkt. Jetzt aber gilt, dass jederzeit zwischen einem Anspruch auf Vorschuss oder Ersatzvornahmekosten und einem Schadenersatz­an­spruch hin und her gewechselt werden kann, da – so der Bundesgerichtshof – alle Ansprüche letztendlich auf eine Kompensation des vom Werkunternehmer bzw. Architekten verursachten Schadens abzielen.


Auswirkungen der Entscheidung auf die baurechtliche Praxis

Der Bundesgerichtshof hat – und das wird in Äußerungen der Mitglieder des Spruchkörpers deutlich – aus­drücklich den Fokus auf die Beseitigung von Werkmängeln gelegt. In der Zukunft wird es folglich häufiger als bisher darauf ankommen, einen erkannten Werkmangel auch tatsächlich beseitigen zu lassen. Sich insoweit auf einen Schadenersatzanspruch zu verlassen, der ggf. anhand eines Minderwertes des bearbeiteten Gebäudes oder Werkstückes feststellbar ist, ist ein risikoreiches Vorgehen.

Dass das je nach Lage des Bauobjektes vordergründig zu Ungerechtigkeiten führen kann, haben die Protagonisten des Bundesgerichtshofes erkannt. Sie teilen aber auf Nachfrage ausdrücklich mit, dass das hinzunehmen ist. Es kommt immer auf die konkrete Vermögensverschlechterung an. Wenn diese fehlt, gibt es auch keinen Grund, dem Besteller einen fiktiven Schadenersatzanspruch zuzuerkennen. Insoweit sind die Fälle – je nach Lage des Grundstücks – auch unterschiedlich zu beurteilen, so die Mitglieder des 7. Zivilsenates des BGH.

In der Praxis dürfte das – wenn man weiter gleichwohl eine Kompensation des Werkmangels in Geld haben möchte – dazu führen, dass Bauprozesse deutlich aufwendiger werden. Zunächst einmal muss i.d.R. durch einen Bausachverständigen der Mangel und der Mangelbeseitigungsaufwand festgestellt werden. In einem zweiten nunmehr weiteren Schritt müsste dann ein anderer Sachverständiger – nämlich ein Sachver­ständiger für die Bemessung des Wertes von Grundstücken und Gebäuden – feststellen, ob der vom ersten Sachverständigen festgestellte Mangel im konkreten Fall zu einem Minderwert des Gebäudes führt. Dieser Minderwert müsste dann bemessen werden.


Fazit

Die Erwägungen des Bundesgerichtshofes sind selbstverständlich zunächst einmal richtig, da es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen völlig ungerechtfertigt hohe Geldbeträge vermeintlich geschädigten Bauherren zuerkannt worden sind, die insoweit eine Überkompensation ihrer Schäden erfahren haben. Gleichwohl – und darauf ist auch ausdrücklich hinzuweisen – führt die neue Rechtslage zu nicht unerheblichen Problemen und zu einer starken Aufblähung der ohnehin nicht gerade kurzen Bauprozesse. Zudem gilt die vorgenannte Sach- und Rechtslage nur für den Werkmangel. Alle anderen Rechtsgebiete bleiben von der Neuregelung verschont. In anderen Rechtsgebieten, insbesondere bei Kaufverträgen aber auch bei Schadenersatzansprüchen wegen Beschädigung fremden Eigentums, also etwa im Rahmen eines Verkehrsunfalls kann nach wie vor auf Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten eine Schadensberechnung stattfinden. Dieser Grundsatz erfährt allerdings gerade, zumindest bei Immobilien­kaufverträgen durch eine neuere Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt eine Einschränkung. Insoweit bleibt abzuwarten, wie künftig in anderen Rechtsgebieten entschieden wird und inwieweit die Entscheidung des für Bau- und Werkvertragsrecht zuständigen 7. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes hier eine Rolle spielen wird. Begründet wird das damit, dass hier tatsächlich das Eigentum als solches geschädigt worden ist und insoweit nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen eben eine fiktive Berechnung des Schadens stattfinden kann. Beim Werkmangel verhält es sich jedoch anders, da in dem Fall das vom Unternehmer bzw. Architekten übergebene Werk mangelhaft ist, nicht das sonstige Eigentum des Bestellers.

Wie die Praxis nunmehr mit den neuen Grundsätzen umgeht, bleibt abzuwarten. Erste Versuche, über Minderwertgutachten zu einem Ergebnis zu kommen, sind bereits auf dem Weg.

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