Early Tax Birds 3/2024: Einführung der E-Rechnung – Entwurf eines BMF-Schreibens

PrintMailRate-it
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 3/2024 (10. Juni – 16. Juni 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. Juni 2024 | Lesedauer ca. 10 Minuten
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde von Rödl & Partner,

wir hoffen, Sie hatten Freude mit den bisherigen Ausgaben unseres neuen Early Tax Birds Newsletters und sind bereits gespannt, was Ihnen heute in das digitale Postfach flattert. Unser dieswöchiger Newsletter ist wieder voll gepackt und bietet mir als Gastautorin erstmalig die Gelegenheit, auf Highlights im Umsatzsteuerrecht hinzuweisen. 

Im Fokus steht nämlich der Entwurf des BMF-Schreibens zur sog. E-Rechnung, der am 14. Juni 2024 veröffentlicht wurde. Hier geht es um die Ausstellung von Rechnungen nach § 14 UStG und "das Umsatzsteuerthema" schlechthin in Zeiten der Digitalisierung im Rechnungsausgang und vor allem mit zeitlicher Brisanz im Rechnungseingang: Die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern ab dem 1. Januar 2025. 

Mit dem Entwurf des BMF werden bereits einige Fragen geklärt und wichtige neue Punkte aufgegriffen, die es in die eigenen Umsetzungsstrategien einzubeziehen gilt. Wir haben Ihnen dazu unsere Highlights und die damit verbundenen Auswirkungen zusammengetragen. Lesen Sie zudem gerne auch Zusammenfassungen zu einer Vielzahl weiterer BMF-Schreiben, zum AdV-Beschluss des BFH zur Grundsteuer und zu einer spannenden Vorlage des BFH an das BVerfG. ​
 
Wenn Ihnen der Newsletter gefällt, sagen Sie es gerne w​eiter​ – wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns. Schreiben Sie dazu gerne eine E-Mail an: earlytaxbirds@roedl.com​.

Beste Grüße
Dr. Heidi Friedrich-Vache und das Redaktionsteam
  

​​Aktuelle Gesetzgebung​​

Gesetz zur Anwendung des Mehrseitigen Übereinkommens vom 24. November 2016 und zu weiteren Massnahmen vom Bundesrat beschlossen

Am 14. Juni 2024 hat der Bundesrat dem bereits vom Bundestag zugestimmten Gesetz zur Anwendung des Mehrseitigen Übereinkommens (MLI) vom 24. November 2016 und zu weiteren Maßnahmen zugestimmt. Mit dem MLI sollten die abkommensbezogenen Maßnahmen des BEPS-Projekts der OECD in die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) transformiert werden. Damit wurde der nächste Schritt in der Umsetzung und Anwendung des MLI genommen. In einem letzten Schritt ist es nun erforderlich, dass Deutschland der OECD die DBA notifiziert, welche durch das MLI geändert werden sollen. Sofern dies zügig geschieht, könnten die Änderungen der erfassten DBA mit Kroatien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Japan, Malta, der Slowakei und Spanien bereits Anfang 2025 in Kraft treten. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland gegenwärtig über 90 DBA geschlossen hat und vor dem Hintergrund des ursprünglichen Anspruchs der OECD, möglichst viele der weltweit vermutlich ca. 3000 in Kraft befindlichen DBA insgesamt zu ändern, bleibt das Vorhaben allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück. Für die Praxis hilfreiche Synopsen für die zu ändernden DBA sollen nach Auskunft des BMF kurzfristig auf deren Website zur Verfügung gestellt werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

​Neues aus der Finanzverwaltung 

E-Rechnung in Deutschland – Entwurf eines BMF-Schreibens

Ab dem 1. Januar 2025 wird – begleitet von Übergangsvorschriften – bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmen verpflichtend eine elektronische Rechnung (E-Rechnung) zu verwenden sein. Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes am 22. März 2024 und der Veröffentlichung im BGBl. zum 27. März 2024 wurde dies auch für Deutschland umgesetzt. Seither wird allseits in Unternehmen daran gearbeitet, die Betroffenheit und die "Readiness" zur E-Rechnung festzustellen und Umsetzungsstrategien passend für den jeweiligen Rechnungseingang und Rechnungsausgang festzulegen. Auch in unseren bisherigen zahlreichen Workshops mit Mandanten zur Begleitung des Themas aus umsatzsteuerlicher, prozess- / Accounting-technischer sowie IT-systemseitiger Sicht sind vielzählige Fragen aus den verschiedenen Disziplinen adressiert worden, die bei der Umsetzung der E-Rechnung einzubeziehen sind. Von verschiedenen Verbänden wurden bereits Fragenkataloge an das BMF gesendet. Es gab zudem Vorab-Hinweise des BMF​ zu ersten großen technischen Fragen, und insbesondere den Hinweis, dass z.B.

  • Rechnungen nach dem XStandard sowie nach dem ZUGFeRD-Format ab Version 2.0.1 grundsätzlich einer E-Rechnung gemäß UStG ab 1. Januar 2025 entsprechen sollen und 
  • der Empfang einer solchen Rechnung im XML-Format dann potenziell ab 1. Januar 2025 möglich sein muss: „Wenn der Rechnungsaussteller sich für die Verwendung einer elektronischen Rechnung entscheiden sollte, muss der Rechnungsempfänger diese daher auch entgegennehmen.“

Das BMF plant nun in diesem Zuge ein BMF-Schreiben zu veröffentlichen, welches am 14. Juni 2024 bereits im Entwurf auf der Internetseite des BMF zur Verfügung gestellt wurde. Dies ist überaus zu begrüßen, da damit bereits allgemeine und konkretere Fragen frühzeitig aus Sicht der Finanzverwaltung beantwortet werden, die zur weiteren Orientierung und Umsetzung sehr hilfreich sind. Aufgrund der großen Bedeutung des Themas für die Wirtschaft wird der Entwurf bereits in diesem Stadium zu Informationszwecken allgemein veröffentlicht. Eine Stellungnahme hierzu kann ggf. über die Verbände erfolgen. Die endgültige Veröffentlichung des BMF-Schreibens ist laut BMF für den Beginn des 4. Quartals 2024 geplant. In unserem aktuellen Beitrag zu diesem Thema haben wir nach erster Sichtung Auszüge und erwähnenswert erscheinende Highlights dargestellt, die aus unserer Sicht Antworten und neue wichtige Punkte – etwa die potenzielle Weiternutzungsmöglichkeit von EDI bei Interoperabilität – liefern. Lesen Sie doch gerne, was die Praxis nach dem Entwurf in dieser Thematik in den nächsten Monaten bewegen wird.

Umsatzsteuerliche Behandlung von Zuschüssen und Bedeutung des mit Zahlungen verbundenen Zwecks

Mit BMF-Schreiben vom ​11. Juni 2024 wird Abschnitt 10.2 UStAE im Anschluss an die BFH-Entscheidung vom 18. November 2021, V R 17/20, um Ausführungen zur Abgrenzung zwischen einem Entgelt für eine Leistung an den Zuschussgeber und einem nicht steuerbaren „echten“ Zuschuss ergänzt. Demnach soll die Abgrenzung zwischen einem Entgelt für eine Leistung an den Zahlenden und einem nicht steuerbaren echten Zuschuss vor allem nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorzunehmen sein. Dies hat zur Folge, dass bei Zuschüssen entscheidend ist, ob dem Zuschussgeber eine bestimmte Leistung zugewendet werden soll oder ob vielmehr die Tätigkeit des Zuwendungsempfängers nicht für den Zahlenden als Leistungsempfänger bestimmt ist, wobei als Indiz u.a. der vom Zahlenden verfolgte Zweck dient. In den UStAE werden hierzu Beispiele zur schädlichen und unschädlichen Nutzungsüberlassung von Sporthallen an Vereine aufgenommen. Trotz dieser begrüßenswerten Klarstellung bleibt es jedoch dabei, dass die Abgrenzung von echten und unechten Zuschüssen sowie Entgelten von dritter Seite im Einzelfall schwierig ist und nach Möglichkeit vorab mit der Finanzverwaltung verbindlich abgestimmt werden sollte. 

Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand nach § 2b UStG

Bereits zum 1. Januar 2017 wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) neu gefasst. § 2 Abs. 3 UStG wurde aufgehoben und § 2b UStG neu eingefügt. Die Neuregelung wird von einer Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG begleitet, auf deren Grundlage eine jPöR dem Finanzamt gegenüber erklären konnte, das bis zum 1. Januar 2017 geltende Recht für sämtliche vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anzuwenden. Diese Regelung wurde bereits zweimal um jeweils zwei Jahre erweitert und soll nun durch das Jahressteuergesetz 2024 wiederum um zwei Jahre erweitert werden, d.h. bis zum 31. Dezember 2026. 

Besonderheit der Neuregelung ist, dass jPöR, die den allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG erfüllen, nicht als Unternehmer gelten, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG). Dies setzt voraus, dass eine Behandlung der jPöR als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG). Diese sich in § 2b UStG widerspiegelnde, besondere Aufgaben- und Tätigkeitsstruktur der jPöR als umsatzsteuerlicher Unternehmer mit einer i.d.R. umfangreichen nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne macht besondere Regelungen beim Vorsteuerabzug erforderlich.

Dazu hat sich das BMF nun mit Schreiben vom 12. Juni 2024 geäußert und nimmt zum Vorsteuerabzug bei unternehmerisch tätigen jPöR Stellung. Insbesondere sind dabei die besonderen Regelungen zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei jPöR zu beachten, welche sich an einem Einnahmenschlüssel für teilunternehmerisch verwendete Leistungsbezüge orientieren und darüber hinaus Regelungen für Grundstücke und einen pauschalen Vorsteuersatz für jPöR mit einem geringen unternehmerischen Bereich benennen. Die Grundsätze des BMF-Schreibens gelten erstmals für Besteuerungszeiträume unter Geltung von § 2b UStG, die nicht der Erklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG unterliegen und damit für alle jPöR, die die Übergangsregelung nicht mehr nutzen ab sofort. 

Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Mit BMF-Schreiben vom 14. Juni 2024 wurden die finalen Verwaltungsgrundsätze zum Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) veröffentlicht. Damit nimmt das BMF Bezug zum Entwurf vom 30. November 2023, der nochmals deutlich überarbeitet wurde. Hervorzuheben ist, dass das BMF-Schreiben leider weiterhin keine eindeutigen und konkreten Aussagen hinsichtlich der Anwendung des StAbwG auf die erfassten Staaten im Einzelnen trifft. Vielmehr wird nur ganz grundsätzlich auf die Anwendungsfragen des StAbwG eingegangen. Als Abweichungen zum bisherigen Entwurf fallen auszugsweise insbesondere in den Blick:

  • Betroffene Geschäftsvorgänge (§ 7 StAbwG): Die Ausführungen wurden erweitert und mit Beispielen erläutert. So soll u.a. eine rechtsfähige Personengesellschaft Geschäftsvorgänge in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhalten können. 
  • Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG): Auch diesbezüglich wurden die Ausführungen erweitert und teilweise konkretisiert. So ist nun eindeutig klargestellt, dass hinsichtlich des Abzugsverbots auf den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts abzustellen ist. Dies hat zur Folge, dass vor Erklärung eines Steuerhoheitsgebiets zu einem nicht kooperativen Gebiet die Aufwendungen nicht dem Abzugsverbot unterfallen. 
  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG): Eigene Ausführungen sind hier nun entbehrlich und es wird vollumfänglich auf den AEAStG vom 22. Dezember 2023 in den Rn. 201 bis 209 verwiesen.

Automatischer Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen ​

Nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem BZSt und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates i.S.d. § 1 Abs. 1 FKAustG automatisch ausgetauscht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2024​ hat das BMF nun die finale Staatenaustauschliste für den automatischen Austausch bis zum 30. September 2024 bekanntgegeben. Die derzeitige Liste umfasst 111 Staaten und gilt bis zum 30. September 2025. Dann soll eine neue FKAustG-Staatenaustauschliste bekanntgegeben werden soll.

Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO​

Vereinte Nationen (UN) kündigen Einleitung einer Konsultation über Rahmenübereinkommen ZUR internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich an

Das beabsichtige UN-Rahmenübereinkommen über die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich soll nach Auffassung der UN die Grundprinzipien festlegen, die die volle Einbeziehung und Wirksamkeit der internationalen Steuerzusammenarbeit gewährleisten. Zudem soll ein Governance-System für die internationale Steuerzusammenarbeit geschaffen werden, das in der Lage ist, auf bestehende und künftige steuerliche und steuerbezogene Herausforderungen kontinuierlich zu reagieren, wobei die Steuerhoheit der einzelnen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben soll. Weiterhin ist geplant, ein inklusives, faires, transparentes, effizientes, gerechtes und effektives internationales Steuersystem für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen, um die Legitimität, Sicherheit, Widerstandsfähigkeit und Fairness der internationalen Steuervorschriften zu verbessern und gleichzeitig gegen steuerlich bedingte illegale Finanzströme und andere Herausforderungen bei der Stärkung der Mobilisierung inländischer Ressourcen vorzugehen.

Vorgesehen sind nach Auffassung der UN Verpflichtungen zur gerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte, einschließlich einer gerechten Besteuerung multinationaler Unternehmen, eine effektive Besteuerung von vermögenden Privatpersonen, die Sicherstellung, dass steuerliche Maßnahmen zur Bewältigung von Umweltproblemen beitragen, Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke und wirksame Prävention und Beilegung von Steuerstreitigkeiten. Aufgrund der Vielzahl der Themen soll sich zunächst auf die Themen zur Besteuerung der digitalisierten und globalisierten Wirtschaft, die Besteuerung von Einkünften aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen, die steuerbezogenen illegalen Finanzströme, die Verhinderung und Beilegung von Steuerstreitigkeiten und die Besteuerung von sehr vermögenden Personen konzentriert werden. Wir halten Sie an dieser Stelle über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden! Insbesondere wird zu beobachten sein, wie sich die Bemühungen und konkreten Ausarbeitungen der UNO zu den fortlaufenden Arbeiten der OECD im Bereich des Internationalen Steuerrechts verhalten. Immerhin sind, anders als in der OECD, in der UNO auch Entwicklungsländer stark vertreten, und Letztere drängten zuletzt massiv zu einer für sie gerechteren Neuordnung der internationalen Besteuerungsrechte.
    

​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

Verfassungsmässigkeit der Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG für Auslandsdividenden aus Streubesitz im Erhebungszeitraum 2001

Unser Urteil der Woche befasst sich mit der Entscheidung des BFH vom 7. Februar​ 2024, I R 36/23 (I R 5/18)​, die dem BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG für Auslandsdividenden aus Streubesitz im Erhebungszeitraum 2001 zur Prüfung vorgelegt hat. Die Klägerin ist eine der KSt und der GewSt unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Streitjahr 2001 war die Klägerin unter anderem an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften mit Beteiligungsquoten von jeweils weniger als 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt. Von diesen Gesellschaften erhielt sie im Streitjahr Dividenden. Des Weiteren war die Klägerin an verschiedenen Wertpapier-Sondervermögen (Investmentfonds) beteiligt, von denen sie im Streitjahr ebenfalls Ausschüttungen erhielt. Die Dividenden aus den ausländischen Streubesitzbeteiligungen unterlagen einer anteiligen Freistellung nach § 8b Abs. 1 und 8 KStG a.F. und aufgrund der niedrigen Beteiligungsquote sodann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG kam aufgrund fehlender Voraussetzungen des Schachtelprivilegs im Streitfall entsprechendnicht in Betracht. Somit unterlagen die ausländischen Streubesitzdividenden der vollen Gewerbesteuer. 

Die Klägerin war der Auffassung, die Anwendung des § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG für den Erhebungszeitraum 2001 sei wegen Verstoßes gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit ausgeschlossen. Außerdem hält die Klägerin die durch § 36 Abs. 4 GewStG angeordnete Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG bereits ab dem Erhebungszeitraum 2001 wegen Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz für verfassungswidrig, soweit von der Hinzurechnung auch Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an die Klägerin oder die Investmentfonds erfasst werden, die bis zum 11. Dezember 2001 (Zeitpunkt der Vermittlungsempfehlung bezüglich § 8 Nr. 5 GewStG im Gesetzgebungsverfahren) erfolgt waren.

Mit Blick auf den möglichen Verstoß gegen das Unionsrecht hatte der BFH das Verfahren zunächst ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des EuGH in der Frage eingeholt, ob die Regelungen der Kapitalverkehrsfreiheit der Hinzurechnung entgegenstehen. Mit Urteil vom 22. Juni 2023 (C-258/22) hatte der EuGH entgegen der Auffassung der Klägerin entschieden, dass die betreffenden Regelungen nicht der Kapitalverkehrsfreiheit entgegenstehen und folglich nicht gegen das Unionsrecht verstoßen.

Im Hinblick auf die mögliche Verfassungswidrigkeit hat der BFH dem BVerfG nun die Frage vorgelegt, ob die rückwirkende Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG durch § 36 Abs. 4 GewStG zur erstmaligen Anwendung für den gesamten Erhebungszeitraum 2001 zu einer unzulässigen unechten Rückwirkung führt. Dabei ist eine unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig. Sollte eine unechte Rückwirkung zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich sein, kann diese zulässig sein. Nach Einschätzung des BFH führt die Gesamtabwägung des Sachverhalts jedoch zu dem Ergebnis, dass § 36 Abs. 4 GewStG mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar ist, als er § 8 Nr. 5 GewStG auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Erhebungszeitraum 2001 für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor Einführung des § 36 Abs. 4 GewStG verbindlich beschlossen wurden und erst danach ausgezahlt werden. 

Da Gegenstand der Vorlage die Verfassungsmäßigkeit einer rückwirkenden Gesetzesanordnung ist, ist nicht damit zu rechnen, dass im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung das BVerfG zunächst die weitere Anwendung des bisherigen Rechts angeordnet werden könnte. Vielmehr wäre im Falle einer Unvereinbarkeit davon auszugehen, dass das BVerfG die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG sofort für nichtig erklärt. Gespannt kann daher auf die Entscheidung des BVerfG gewartet werden. 

BFH bestätigt AdV hinsichtlich Grundsteuer im Bundesmodell - Nachweis eines niedrigeren Wertes muss möglich sein

Das FG Rheinland-Pfalz hatte zum Bundesmodell in zwei Einspruchsfällen Aussetzung der Vollziehung (AdV) wegen einer Vielzahl von Bedenken gegen das Bundesmodell und die Verwendung der Bodenrichtwerte gewährt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Finanzverwaltung hat der BFH mit Beschlüssen vom 27. Mai 2024 zurückgewiesen (II B 78/23 und II B 79/23). 

Die Begründung für die Gewährung der AdV weicht allerdings von den Bedenken des FG Rheinland-Pfalz ab. Der BFH geht davon aus, dass bei verfassungskonformer Auslegung der Regelungen zum Bundesmodell der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben müsse, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstückes nachzuweisen, um im Einzelfall eine mögliche Übermaßbesteuerung abwenden zu können. Die Steuerpflichtigen hatten in den Verfahren jeweils Argumente vorgebracht, die es möglich erscheinen ließen, dass der tatsächliche gemeine Wert in ihrem Einzelfall deutlich unter dem festgestellten Grundstückswert liegen könnte. Bei summarischer Prüfung hielt dies der BFH für ausreichend, um ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Wertfeststellung zu begründen. 

Ob darüber hinaus die weiteren Zweifel des FG an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Bundesmodells durchgreifen, hat der BFH ausdrücklich offen gelassen. Nunmehr stellt sich die Frage, welche Schlüsse daraus für die Praxis zu ziehen sind:
  • In allen Fällen der Anwendung des Bundesmodells sollten die maßgeblichen Bescheide weiter offen gehalten werden. Geht es nach dem BFH, scheinen die Vorschriften zumindest um einen abweichenden Wertnachweis ergänzungsbedürftig. 
  • Ein AdV-Antrag erscheint dann sinnvoll, wenn aufgrund der Umstände im Einzelfall (z.B. Alter der Immobilie mit Ansatz einer Mindestnutzungsdauer, Instandhaltungsrückstand, eingeschränkte Bebaubarkeit u.ä.) eine erhebliche Abweichung des tatsächlichen gemeinen Wertes vom festgestellten Grundstückswert möglich erscheint. Das muss individuell dargelegt werden. Jedoch kann nicht jede Wertabweichung eine niedrigere Wertfeststellung und damit im Vorfeld eine AdV begründen. Der BFH nennt mit 40 % Wertabweichung einen relativ hohen Richtwert, bei dem eine abweichende Wertfeststellung in Betracht kommen kann. Dieser Grad der Wertabweichung muss aber im AdV-Verfahren noch nicht nachgewiesen werden.
  • Diese Überlegungen gelten nicht nur für Fälle in Rheinland-Pfalz, sondern auch für alle anderen Bundesländer mit Bundesmodell. 
  • Für Bundesländer mit anderen Modellen muss die Bedeutung der BFH-Entscheidung im Einzelfall geprüft werden. Hinsichtlich des Beispiels Baden-Württemberg gilt zu konstatieren, dass in § 38 Abs. 4 LGrStG BW eine von den hier maßgebenden Bodenrichtwerten abweichende Bewertung vorgesehen ist, wenn der qualifiziert nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens den Bodenrichtwert um mind. 30 % unterschreitet. Diese Regelung dürfte wohl den Anforderungen des BFH genügen. Indes ist hinsichtlich des Beispiels Bayern festzuhalten, dass hier nicht die Grundstückswerte maßgebend sind, sondern ein Äquivalenzzahlenmodell angewandt wird. Daher sollte sich die nun vorliegende Rechtsprechung des BFH u.E. nicht ohne weiteres übertragen lassen, da sie maßgeblich aus der Bemessung der Grundsteuer anhand des gemeinen Wertes abgleitet wird.


Erste Klagen gegen die Grundsteuer in Baden-Württemberg abgewiesen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat mit Urteilen vom 11. Juni 2024 entschieden, dass das Landesgrundsteuergesetz vom 4. November 2020 verfassungsgemäß ist. Damit wurden die ersten beiden Klagen (Az. 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23) gegen die neue Grundsteuer abgewiesen worden. Die Revision gegen die Urteile an den Bundesfinanzhof wurde jedoch zugelassen. In Baden-Württemberg wird ein modifiziertes Bodenwertverfahren auf Basis der Bodenrichtwerte angewandt. Die Kläger, die vom Steuerzahlerbund und vom Verband Haus & Grund unterstützt werden, haben bereits angekündigt, in die nächste Instanz gehen zu wollen. 

 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH und EuGH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
IX R 20/23
​20. Februar 2024
Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175b Abs. 1 AO
 ​​VII R 19/20 (VII R 24/20VII R 28/20, VII R 29/20VII R 30/20VII R 31/20)
​17. Oktober 2023
Zur Verletzung des Steuergeheimnisses
​ XI R 11/23 (XI R 34/20)

10. Januar 2024
​EuGH-Vorlage zum Aufteilungsgebot beim ermäßigten Steuersatz bei unselbständiger Nebenleistung zur Beherbergung (hier: Parkplätze)
XI R 13/23 (XI R 7/21)

​10. Januar 2024
​EuGH-Vorlage zum Aufteilungsgebot beim ermäßigten Steuersatz bei unselbständiger Nebenleistung zur Beherbergung (hier: Frühstücksleistungen)
​ XI R 14/23 (XI R 22/21)
​10. Januar 2024
​EuGH-Vorlage zum Aufteilungsgebot beim ermäßigten Steuersatz bei unselbständiger Nebenleistung zur Beherbergung (hier: Parkplätze, Fitness- und Wellnesseinrichtungen, W-LAN)
 ​I R 30/21
13. März 2024
​Zum wirtschaftlich einheitlichen Erwerb nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG
​ XI R 18/20
15. Oktober 2023
Steuerfreie ambulante Heilbehandlungen durch ein Krankenhaus in Räumen eines anderen Krankenhauses (als Subunternehmer)
​ IX B 83/23

​29. Mai 2024

Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Verfahrensfehler wegen unterlassener Beiladung des Mieters und Verletzung der Hinweispflicht
C-533/22

​13. Juni 2024
​Ort der Dienstleistung – Begriff der festen Niederlassung – Eignung, von der personellen und technischen Ausstattung her Dienstleistungen für den eigenen Bedarf zu empfangen und zu verwenden – Dienstleistungen der Herstellung von Sitzverkleidungen für Kraftfahrzeuge, die von einer Gesellschaft für Rechnung einer anderen Gesellschaft erbracht werden, die zum selben Konzern gehört und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist
C-243/23
​6. Juni 2024
​Vorsteuerabzug – Grundstücke, die als Investitionsgut erworben wurden – Berichtigungszeitraum – Nationale Rechtsvorschriften, wonach der Zeitraum bei bestimmten Umbauarbeiten 15 Jahre beträgt – Erfordernis, dass ein umgebautes Gebäude als neues Gebäude einzustufen ist – Statthaftigkeit – Unmittelbare Wirkung



Aus dem Newsletter

 


 Early Tax Birds​​

Kontakt

Contact Person Picture

Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater

Partner, Niederlassungsleiter

+49 40 2292 975 20

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Philip Nürnberg

Dipl. Finanzwirt (FH), Master of International Taxation (M.I.Tax), Steuerberater

Associate Partner

+ 49 40 2292 975 17

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Dr. Heidi Friedrich-Vache

Diplom-Kauffrau, Steuerberaterin, Umsatzsteuerberatung | VAT Services

Partner

+49 89 9287 80 570

Anfrage senden

Profil

​​Haben Sie Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie uns.

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu