Early Tax Birds 26/2024: JStG 2024 passiert Bundesrat und Entwurf eines Anwendungsschreibens zu § 6e EStG

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 26/2024 (18. – 24. November 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 25. November 2024 | Lesedauer ca. 9 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

kennen Sie das auch? Das Jahresende naht, die Weihnachtsmärkte öffnen ihre Pforten, im Fernsehen laufen die ersten Jahresrückblicke, und überall erscheinen Artikel mit Tipps, wie Sie kurz vor knapp noch Steuern sparen können – oft mit fünf, acht oder sogar zehn "legalen Tricks". Jahr für Jahr gleichen sich diese Beiträge, und doch scheinen sie ihre Leserinnen und Leser zu finden, sonst würden nicht auch renommierte Medien regelmäßig auf diesen Zug aufspringen.

Aber warum gerade zum Jahresende? Liegt es an den vielen Geschenken, die wir für unsere Lieben kaufen, oder vielleicht am allseits steigenden Glühweinpreis? Immerhin ist laut Der Westen inzwischen sogar die "5-Euro-Schallmauer für einen Becher Glühwein durchbrochen".

Für Sie, geneigte Leserinnen und Leser unseres kleinen Newsletters, dürfte das jedoch kein Grund zur Sorge sein. Denn wer uns regelmäßig liest und bei steuerlichen Fragen direkt kontaktiert, ist bestens vorbereitet – nicht nur auf explodierende Glühweinpreise, sondern auch auf das steuerliche Jahresende. So können Sie entspannt die Adventszeit genießen, während andere noch ihre Steueroptimierungslisten abarbeiten.​

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Philip Nürnberg und das Redaktionsteam​​

  
 
Aktu​elle Gesetzgebung​​
  

Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) passiert den Bundesrat

Am 22. November 2024 hat der Bundesrat dem JStG 2024 zugestimmt. Im September 2024 hatte der Bundesrat bereits zum Gesetzesentwurf ausführlich Stellung genommen. Dazu hatten wir Ihnen bereits in unserer Ausgabe 18/2024​ berichtet. Eine Vielzahl der Empfehlungen des Bundesrats wurden noch ins JStG 2024 aufgenommen. Als Maßnahmen seien beispielhaft genannt:
  • Vereinheitlichung der Steuerbefreiung für kleine Photovoltaikanlagen: Für alle Gebäudearten gilt eine maximal zulässige Bruttoleistung von 30 kW (peak)
  • Erhöhung der als Sonderausgaben zu berücksichtigen Kinderbetreuungskosten auf 80 % (Erhöhung des Höchstbetrages auf 4.800 Euro)
  • Steuerermäßigungen für Pflege- und Betreuungsleistungen nur bei Vorliegen einer Rechnung und Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers
  • Weiterleitung an Strafverfolgungsbehörden bei Informationen über zu Unrecht aus öffentlichen Mitteln erlangte Zahlungen von Bewilligungsbehörden 
  • Elektronische Beantragung von Kindergeld
  • Gewerbesteueraufkommen für die Standortgemeinden von Stromspeichern

Bundesrat beschliesst Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024

Zudem wurde dem Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 vom Bundesrat zugestimmt. Mit diesem wird der Grundfreibetrag um 108 Euro auf 11.784 Euro erhöht. Zu dem Gesetzesentwurf hatten wir Ihnen bereits in unserer Ausgabe 18/2024​ berichtet. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1. Januar 2024 in Kraft.

Entschliessung zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft

Neben der Zustimmung zu den beiden vorstehenden Gesetzen weist der Bundesrat in einer begleitenden Entschließung darauf hin, dass durch die abgesenkten Durchschnittssätze für pauschalierende Landwirte Nachteile für kleinere und mittlere Betriebe bestehen. Durch die Absenkung des Durchschnittssatzes verdopple sich der bürokratische Aufwand für Landwirte. Daher wird vom Bundesrat gefordert,​ auf eine unterjährige Absenkung des Durchschnittssatzes zu verzichten. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden, wenn es Neuigkeiten gibt!


Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Ent​wurf eines BMF-Schreibens zu Zweifelsfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von FondSetablierungskosten als Anschaffungskosten (§ 6e EStG)

Das BMF hat am 15. November 2024 einen Entwurf eines BMF-Schreibens zu Zweifelsfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten (§ 6e EStG)​ veröffentlicht. Dieser Entwurf wurde am 14. November 2024 vom BMF an bestimmte Verbände zur Stellungnahme gesendet. Bis zum 12. Dezember 2024 besteht die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Entwurf per E-Mail.​

Programmablaufplan für die Berechnung der Lohnsteuer für 2025​

Das BMF hat am 22.11.2024 die Programmablaufpläne für die Berechnung der Lohnsteuer für 2025 bekanntgemacht. Im Vergleich zu den am 10.10.2024 veröffentlichten Entwürfen haben sich einige Änderungen ergeben. Die Entwürfe vom Oktober enthielten die im Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes vorgesehene Erhöhung des Grundfreibetrags und der Kinderfreibeträge. Da das Gesetzgebungsverfahren in diesem Jahr wohl nicht mehr abgeschlossen werden kann bzw. wird, ist die Lohnsteuer im nächsten Jahr vorerst mit den Beträgen zu berechnen, die im Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 festgelegt wurden (Grundfreibetrag in Höhe von 11.784 € und Kinderfreibetrag inkl. Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes in Höhe von 9.540 €).

Eingearbeitet wurden aber die für 2025 geltenden Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherung, der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung von 2,5 %, ein bundeseinheitlicher Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung von 3,6 % und die sich aus dem Wachstumschancengesetz ergebenden Änderungen (langsamere Abschmelzung der Freibeträge für Versorgungsbezüge und des Altersentlastungsbetrags und Wegfall der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren).

Der Programmablaufplan für die Erstellung von Lohnsteuertabellen zur manuellen Berechnung der Lohnsteuer für 2025 soll erst nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerfortentwicklungsgesetz erstellt werden. Arbeitgeber mit manueller Ermittlung der Lohnsteuer dürfen die Lohnsteuer bis dahin nach den bisher veröffentlichten Lohnsteuertabellen ermitteln, wenn der Mitarbeiter nicht ausdrücklich widerspricht.

Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
OECD veröffentlicht weitere Berichte zum internationalen Steuerwesen

Die OECD hat am 21. November 2024 zwei weitere Berichte zum internationalen Steuerwesen veröffentlicht, die im Internet frei abrufbar sind. Der erste Bericht, „Revenue Statistics 2024“, enthält international vergleichende Daten über Steuerniveaus und Steuerstrukturen in den Mitgliedsländern der OECD. Die in den einzelnen Ländern erhobenen Steuern werden in einem standardisierten Rahmen dargestellt, der auf der OECD-Klassifikation der Steuern und dem dazugehörigen Auslegungsleitfaden basiert, der in Anhang A des Berichts enthalten ist. Die Daten für den Bericht wurden größtenteils von den Delegierten der Arbeitsgruppe Nr. 2 (WP2) „Steuerpolitische Analyse und Steuerstatistik“ des OECD-Ausschusses für Steuerfragen bereitgestellt. Der zweite Bericht, „Consumption Tax Trends 2024“​, befasst sich mit Informationen über Mehrwert-/Waren- und Dienstleistungssteuern (VAT/GST) und Verbrauchsteuersätze in den OECD-Mitgliedsländern. Er enthält auch Informationen über internationale Aspekte der Mehrwertsteuer- und Dienstleistungsentwicklung und die Effizienz dieser Steuerarten. Er beschreibt zudem eine Reihe von anderen Verbrauchsteuerbestimmungen für Tabak, alkoholische Getränke, Kraftfahrzeuge und Flugkraftstoffe.

EU-Kommission hält am Kurs zu Pillar 1 fest

Die Wahl in Amerika hat eine erste steuerpolitische Reaktion seitens der EU ausgelöst. Ein hochrangiger Beamter der Europäischen Kommission, Benjamin Angel, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass das von der OECD vermittelte globale Steuerabkommen, das als Zwei-Säulen-Lösung bekannt ist, immer noch besser sei als die Einführung eigener Steuern (gemeint sind Digitalsteuern) durch die einzelnen Staaten. „Wir sind nicht gewillt, die Hoffnung zu verlieren oder aufzuhören, auf die erste Säule zu drängen“, sagte der leitende Beamte der Kommission für direkte Steuern während einer Anhörung des Unterausschusses für Steuern im Europäischen Parlament am 21. November 2024 und bezog sich dabei auf den Teil des Abkommens, der es multinationalen Unternehmen ermöglichen würde, ihre überschüssigen Gewinne in dem Land zu besteuern, in dem sie erwirtschaftet werden (sog. Marktstaat). Nach wie vor ist unklar und nach der Wahl möglicherweise unklarer als je zuvor, wie sich die USA final in dieser Angelegenheit verhalten werden. Es wird aber erwartet, dass die neue „Trump Administration“ dem internationalen Steuerdeal eine Absage erteilen wird.

EU-Parlament segnet überarbeiteten FASTER-Entwurf ab 

Am 14. November 2024 stimmte das Europäische Parlament über die Richtlinie zur schnelleren und sichereren Entlastung von Quellensteuern (FASTER-2023/0187), auch bekannt als FASTER-Richtlinie, ab, die darauf abzielt, die Quellensteuerverfahren innerhalb der Europäischen Union zu modernisieren und zu digitalisieren. Unter anderem soll eine elektronische Ansässigkeitsbescheinigung für Unternehmen eingeführt werden. Nach einer ersten Entschließung des Parlaments im Februar 2024 und einer Überarbeitung des Entwurfs durch den Rat der Europäischen Union im Mai 2024 wurde nun die neueste Fassung der Richtlinie angenommen. Aufgrund wesentlicher Änderungen durch den Rat wurde eine neue Konsultation des Europäischen Parlaments beantragt, die am 14. November stattfand. Die aktualisierte Richtlinie wurde mit 555 von 645 Stimmen angenommen. Aufgrund dieses Stimmverhältnisses werden der Richtlinie inzwischen etwas höhere Chancen eingeräumt als noch vor wenigen Monaten. Über die weitere Entwicklung halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden.

Absichtserklärung der EU-Mitgliedstaaten zum Bürokratieabbau​

Die Staatenlenker der EU haben am 8. November 2024 eine Absichtserklärung zur He​rstellung der Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der EU veröffentlicht. Die Nummer 4 der sog. „Budapester Erklärung“ enthält auch explizite Hinweise zum Bürokratieabbau, insbesondere im Bereich der Compliance-Pflichten. Man würde sich wünschen, dass auch der deutsche Steuergesetzgeber bzw. die deutsche Finanzverwaltung den folgenden Wortlaut zur Kenntnis nehmen und für das Steuerrecht beherzigen würden: „Launching a simplification revolution, ensuring a clear, simple and smart regulatory framework for businesses and drastically reducing administrative, regulatory and reporting burdens, in particular for SMEs. We must adopt an enabling mindset based on trust, allowing business to flourish without excessive regulation. Key objectives to be implemented by the Commission without delay include making concrete proposals on reducing reporting requirements by at least 25 % in the first half of 2025, and including red-tape and competitiveness impact assessments in its proposals."​​
  
    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Änderungsantrags zur Vermeidung widerstreitender Steuerfestsetzung bei Organschaft 

Unser Urteil der Woche befasst sich mit der Entscheidung  vor dem BFH vom 5. September 2024, V R 5/23. Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, betrieb den Handel sowie die Vermietung von Geräten. Im Jahr 2016 erwarb sie Fahrzeuge von einer GmbH, der späteren Organträgerin, und machte einen in der Rechnung ausgewiesenen Vorsteuerbetrag geltend. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde der Vorsteuerabzug jedoch nicht anerkannt, da das zugrunde liegende Geschäft als rechtsmissbräuchlich eingestuft wurde. Ein entsprechenden Einspruch gegen diese Entscheidung wies das Finanzamt zurück. Im Weiteren schätzte das Finanzamt die umsatzsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für das Jahr 2016 mit einer Zahllast. Auch hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und reichte zudem eine Umsatzsteuerjahreserklärung ein, welche die zuvor in der Betriebsprüfung abgewiesenen Vorsteuerbeträge beinhaltete. Diesen Einspruch wies das Finanzamt ebenfalls zurück. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die GmbH & Co. KG Klage vor dem FG. Im Rahmen des Verfahrens stornierte die Klägerin die maßgebliche Rechnung und korrigierte die damit verbundenen Vorsteuerbeträge. Unter Bezugnahme auf ein EuGH-Urteil (C-868/19) machte die Klägerin vor dem Gericht geltend, dass der Umsatzsteuerjahresbescheid 2016 ersatzlos aufzuheben sei. Dies begründete sie damit, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestand. Das Vorliegen einer Organschaft bestätigte das FG.


Das Finanzamt ​legte Revision ein und beantragte, das Urteil des FG aufzuheben. Es verwies dabei auf BFH-Rechtsprechung, in der die Organschaftsfrage für eine KG verneint wurde. Die Klägerin verteidigte die Entscheidung der Vorinstanz jedoch damit, dass der BFH die Rechtsprechungslinie des Urteils vom 2. Dezember 2015 (V R 25/13) mit Urteil vom 16. März 2023 (V R 14/21​) aufgegeben hat. Der BFH entschied nun im vorliegenden Sachverhalt, dass das FG bei seiner Entscheidung das noch nicht veröffentlichte BFH-Urteil vom 16. März 2023 nicht berücksichtigt habe. Folglich sei auch unzutreffend ein Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung für die Klägerin aufgrund ihrer Stellung als Organgesellschaft bejaht worden. Die Revision des Finanzamtes ist somit begründet und das Urteil des FG aufzuheben. Zudem begründete der BFH seine Entscheidung damit, dass eine KG aufgrund geänderter BFH-Rechtsprechung für Zwecke der Umsatzsteuer als Organgesellschaft angesehen werden kann. Die Aufhebung einer gegenüber der KG ergangenen Steuerfestsetzung setzt jedoch voraus, dass der Organträger zur Vermeidung eines widersprüchlichen Verhaltens in Bezug auf § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen Antrag auf Änderung der für ihn vorliegenden Steuerfestsetzung stellt, um widersprüchliches Verhalten zu vermeiden. Dieser Antrag dient der Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben, nach dem sich das Steuerrechtsverhältnis auf die Organgesellschaft erstreckt, die keine eigenständige Steuerrechtsfähigkeit hat.


Das Antragserfordernis wird weiter mit der Haftung des Organträgers gemäß § 73 AO begründet. Verzichtet der Organträger auf den Antrag, könnte dies zu einer Haftungslücke führen, da dem Organträger gegenüber keine Steuerfestsetzung ergehen würde. Das Antragserfordernis steht im Einklang mit dem Unionsrecht und mit der Mehrwertsteuerrichtlinie, insbesondere mit Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG, die eine einheitliche Steuerpflicht für den Organträger vorsieht. Auch wenn es Einwände seitens der Klägerin gibt, hält der BFH an der Notwendigkeit eines Antrags fest. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie nicht erkennen konnte, dass ein Antrag erforderlich ist. Das Antragserfordernis ist bereits in früherer Rechtsprechung verankert, und die Änderung der Rechtsprechung eröffnet der Klägerin nur die Möglichkeit, eine günstigere Rechtsposition zu erlangen. Es wird klargestellt, dass die Klägerin ihre Steuerfestsetzung nun auf Basis der geänderten Rechtsprechung überprüfen lassen kann.


Die Sache ist noch nicht spruchreif, da das FG nicht alle relevanten Feststellungen getroffen hat. Insbesondere muss im zweiten Rechtsgang geprüft werden, ob eine wirtschaftliche Eingliederung zwischen den Unternehmensbereichen vorliegt. Hierzu fehlen noch ausreichende Feststellungen. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist nicht erforderlich, da das Antragserfordernis im Einklang mit dem Unionsrecht steht.​


Besteuerungsrecht für einen in der Schweiz ansässigen Piloten im internationalen Luftverkehr

Der BFH entschied im Urteil vom 1. August 2024 (VI R 32/21), dass das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn eines in der Schweiz ansässigen Piloten, der für einen Arbeitgeber mit Geschäftsleitung in Deutschland an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Luftverkehr tätig ist, Deutschland nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz zusteht und dass der Pilot eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr kein Grenzgänger Art. 15a DBA-Schweiz sein kann. Grenzgänger i.S.d. DBA-Schweiz sind Person, die in einem Vertragsstaat ansässig sind, im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort haben und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehren. Eine Nichtrückkehr an den Wohnsitz aufgrund der Arbeitsausübung ist nur dann unschädlich, wenn sie bei ganzjähriger Beschäftigung an nicht mehr als 60 Arbeitstagen im Kalenderjahr erfolgt. Im Urteilsfall scheiterte die Grenzgängereigenschaft nach Auffassung des BFH schon daran, dass ein Pilot, der im internationalen Luftverkehr tätig ist, abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in Deutschland hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehren könnte. Denn Arbeitsort i.S.d. Art. 15a DBA Schweiz ist grundsätzlich der Ort, wo sich der Mitarbeiter zur Arbeitsausübung tatsächlich physisch aufhält, das ist beim Piloten an Bord des Flugzeugs. Der Mitarbeiter war daher nicht in Deutschland tätig und kehrte auch nicht regelmäßig von Deutschland aus zu seinem Wohnort in der Schweiz zurück. 

Im Urteilsfall hatte der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug in voller Höhe vorgenommen und der Mitarbeiter hatte beim Finanzamt einen Antrag auf Erstattung der Lohnsteuer gestellt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des I. Senats (BFH-Urteil vom 21. Oktober 2009, I R 70/08) kann abkommenswidrig einbehaltene Lohnsteuer in analoger Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. (inzwischen § 50c Abs. 3 Satz 1 EStG) an den Mitarbeiter erstattet werden, auch wenn die Lohnsteuer-Anmeldung, mit der die Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden war, bestandskräftig ist. In der vorliegenden Entscheidung konnte es der VI. Senat des BFH offen lassen, ob er sich dieser Auffassung anschließt, denn der Lohnsteuerabzug war vom Arbeitgeber materiell-rechtlich zutreffend vorgenommen worden.

Nur punktuelle Änderungsmöglichkeit nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG

Nach § 50d Abs. 8 EStG wird bei unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung eine Steuerfreistellung nach einem DBA nur gewährt, soweit der Mitarbeiter nachweist, dass der betreffende Arbeitslohn im anderen Staat tatsächlich besteuert wurde oder dass der andere Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat. Wird dieser Nachweis erst geführt, nachdem die deutsche Einkommensteuerveranlagung schon durchgeführt wurde, ist der Steuerbescheid insoweit zu ändern (§ 50d Abs. 8 Satz 2 EStG). § 175 Abs. 1 Satz 2 AO ist entsprechend anzuwenden, d.h. die Festsetzungsfrist beginnt erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Nachweis nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG geführt wird. Der BFH entschied nun mit Urteil vom 1. August 2024 (VI R 34/21), dass die Änderung eines Steuerbescheids nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG nur möglich ist, wenn der Arbeitslohn wegen Verletzung der Nachweispflichten (§ 50d Abs. 8 Satz 1 EStG) abkommenswidrig in die Einkommensteuerveranlagung einbezogen worden ist. 

§ 50d Abs. 8 Satz 2 EStG beinhaltet eine eigenständige Korrekturnorm. Kommt diese zur Anwendung, erfolgt keine vollumfängliche abkommensrechtliche Überprüfung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung auf ihre materielle Richtigkeit, sondern nur eine punktuelle Änderung insoweit, als der Nachweis über die Versteuerung im Ausland bzw. den Besteuerungsverzicht im Ausland erst nachträglich geführt wird. Ist der Steuerpflichtige bei Abgabe der Einkommensteuererklärung zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Besteuerungsrecht für die jeweiligen Einkünfte Deutschland zusteht, kann ein bestandskräftiger Steuerbescheids nicht nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG geändert werden. Es gelten vielmehr die allgemeinen Korrekturvorschriften der AO. Im Urteilsfall hatte der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Mitarbeiter in seiner Einkommensteuererklärung eine Abfindungszahlung, die er als Soldat von der britischen Armee bekommen hatte, in Deutschland versteuert, da er davon ausgegangen war, dass das Besteuerungsrecht wegen der Rückfallklausel in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a des DBA-Großbritannien Deutschland zusteht. Nachdem die britische Steuerbehörde ihm mitgeteilt hatte, dass die Abfindung nicht in Großbritannien besteuert worden ist, beantragte er ohne Erfolg die nachträgliche Freistellung der Abfindung gem. Art. 18 Abs. 1 DBA-Großbritannien.

 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH und EuGH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
III R 19/22
​8. August 2024
Vereinbarkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG mit höherrangigem Recht
V R 43/21


​29. August 2024
Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art (BgA) gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)
V R 19/22​
29. August 2024
Korrektur einer jahresübergreifenden Umsatzveranlagung
V B 53/23
31. Oktober 2024
Darlegungsanforderungen bei grundsätzlicher Bedeutung
V R 20/23
29. August 2024
Keine Entgeltminderung bei Zentralregulierung
C-624/23​
​21. November 2024
​Vorlage zur Vorabentscheidung - Rechnung, in der die Vorsteuer nicht ausgewiesen ist - Auf der Grundlage eines Protokolls berechnete Steuer - Fehlen einer berichtigten Rechnung - Recht auf Vorsteuerabzug
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