Die EU-Taxonomie in der Praxis: Was Unternehmen über die neuen Umweltziele wissen sollten

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zuletzt aktualisiert am 13. September 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Als Klassifizierungssystem für „grüne“ Investitionen ist die EU-Taxonomie ein wich­tiges Instrument des innerhalb des Europäischen Green Deals verabschiedeten Aktionsplans „Sustainable Finance“. Ziel der Taxonomie ist es, künftige Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken und so einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 zu leisten. Mit der Veröffentlichung des delegier­ten Rechtsakts zu den vier verbleibenden Umweltzielen am 13. Juni 2023 hat die Europäische Kommission der EU-Taxonomie eine Reihe neuer Sektoren und Aktivi­täten hinzugefügt. Damit einher geht zwangsläufig eine weitere Erhöhung der Umset­zungs­auf­wands für betroffene Unternehmen.



Klimaneutralität bis 2050 – dieses ehrgeizige Ziel hat sich die Europäische Union im Rahmen des European Green Deals gesetzt und hierfür in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Umfangreiche Kapitalflüsse sollen demnach künftig in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden, um das Wirtschaftswachstum der EU von der Ressourcennutzung zu entkoppeln und somit den Umbau zu einer grünen, klimaneutralen Wirtschaft zu finanzieren. Aber was genau ist eine „ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivität“? An dieser Stelle kommt die EU-Taxonomie ins Spiel, ein Regelwerk, das von den EU-Gremien bereits seit 2018 entwickelt wurde und einheitliche Standards für ökologisches Wirtschaften festlegen sowie Unternehmen dazu bringen soll, Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) verstärkt in ihr Ri­si­ko­management einzubeziehen. 2022 ist die EU-Taxonomie in Kraft getreten – und stellt Unternehmen mitunter vor große Herausforderungen.


Die Ziele im Überblick

Übergeordnetes Ziel der Verordnung ist die Neuausrichtung künftiger Kapitalflüsse hin zu „grünen“ Inves­ti­tionen, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu schaffen. Die EU-Taxonomie soll es Investoren als einheitliches und transparentes Klassifizierungssystem ermöglichen, Unternehmen hinsichtlich ihrer Nach­hal­tig­keits­per­formance unmittelbar miteinander zu vergleichen und ihre Finanzmittel gezielt in ökologisch wirtschaftende Unternehmen zu lenken. Hierbei stellt die Taxonomie keine Verpflichtung zu nachhaltigen Investitionen oder Wirtschaftsaktivitäten dar, sondern dient primär der Kennzeichnung „grüner“ Aktivitäten. Welche Aktivitäten genau zur Umstrukturierung der Wirtschaft beitragen und somit als „grün“ zählen, wird durch die sechs von der EU definierten Klima- und Umweltziele festgelegt:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.


Ob eine Wirtschaftsaktivität als nachhaltig gilt oder nicht, wird anhand der technischen Bewertungskriterien entschieden, die für jede Aktivität und jedes Umweltziel zu erreichende Leistungsschwellen festlegen. Es reicht allerdings nicht, wenn eine Wirtschaftsaktivität einen durch die technischen Bewertungskriterien definierten wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der benannten Umweltziele leistet. Zusätzlich darf sie keines der anderen Umweltziele beeinträchtigen und muss unter Einhaltung des Mindestschutzes („Minimum Social Safeguards“) ausgeübt werden. 


Wen betrifft die Taxonomie?

Grundsätzlich sind alle Unternehmen, die unter die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fallen (vgl. §§ 289b, 315b HGB), auch dazu verpflichtet, Angaben zur Konformität ihrer Geschäftsaktivitäten mit der EU-Taxonomie offenzulegen. Dementsprechend betrifft die EU-Taxonomie seit dem Geschäftsjahr 2021 bereits diejenigen kapitalmarktorientierten Unternehmen, die in Deutschland nach der NFRD seit 2017 zur Veröffent­lichung nichtfinanzieller Angaben verpflichtet sind. Ab dem 01. Januar 2024 wird die NFRD durch die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) abgelöst, wodurch sich der Kreis der berichtspflichtigen und somit von der EU-Taxonomie betroffenen Unternehmen sukzessive erheblich erweitert. Gerade mittel­ständischen Unternehmen ist oft nicht bewusst, dass auch sie somit schon ab dem Geschäftsjahr 2025 unter die Berichtspflicht fallen könnten. Es ist daher essenziell, sich frühzeitig mit den Anforderungen und der Umsetzung der EU-Taxonomie zu befassen.

Zusammenfassend ergeben sich folgende Fristen für die Umsetzung:

  • 1. Januar 2021 für große Unternehmen, die bereits nach der NFRD berichten müssen (Berichterstattung im Jahr 2022 auf der Grundlage der Daten aus dem Jahr 2021)
  • 1. Januar 2025 für alle anderen großen Unternehmen (Berichterstattung im Jahr 2026 auf der Grundlage der Daten aus dem Jahr 2025)
  • 1. Januar 2026 für alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen mit der Ausnahme von Kleinstunternehmen (Berichterstattung im Jahr 2027 auf der Grundlage der Daten aus dem Jahr 2026).


Welche Inhalte müssen offengelegt werden?

Grundsätzlich sieht die Verordnung für die Berichterstattung die Angabe des Anteils „grüner“ Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) im Sinne der Taxonomie für jede einzelne taxo­no­mie­fähige Wirtschaftstätigkeit und für jedes der Umweltziele vor. Mittels dieser Kennzahlen soll die Taxonomie eine Grundlage für Investitionsentscheidungen schaffen und die Aussagekraft der Berichterstattung erhöhen, indem zum Beispiel dargelegt wird, wie viel Prozent des Umsatzes eines Unternehmens aus nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten stammt.

Für das Berichtsjahr 2021 galten noch einige Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen. So mussten zum einen mit den Zielen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ nur zu zwei der insgesamt sechs Umweltziele Angaben erfolgen. Zum anderen mussten Unternehmen zunächst nur Kennzahlen zu Wirtschaftsaktivitäten, die grundsätzlich von der Taxonomie abgedeckt sind, veröffentlichen („taxo­no­mie­fähige“ Aktivitäten).

Erst für das Geschäftsjahr 2022 wurden somit Angaben zu den Anteilen der Wirtschaftsaktivitäten, die tatsächlich ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie sind, fällig („taxonomiekonforme“ Aktivitäten). Die erste vollständige Offenlegung zur Taxonomiekonformität aller sechs Umweltziele erfolgt im Geschäftsjahr 2024, da die EU-Kommission auch für die kürzlich veröffentlichten Umweltziele 3 bis 6 sowie für die neu hinzugefügten Aktivitäten des Klimarechtsakts im ersten Anwendungsjahr Erleichterungen gewährt (siehe Grafik).


Quelle: Eigene Darstellung


Welche Änderungen ergeben sich aus der Veröffentlichung der Umweltziele?

Mit der Verabschiedung der Aktivitäten zu den verbleibenden vier Umweltzielen hat die EU-Kommission das Regelwerk wie geplant deutlich erweitert. Der entsprechende delegierte Rechtsakt wurde am 13. Juni 2023 genehmigt und am 27. Juni 2023 endgültig verabschiedet. Er fügt der Taxonomie weitere Sektoren und Wirtschaftsaktivitäten hinzu, die maßgeblich zu den verbleibenden Umweltzielen und damit einer nachhaltigen Nutzung und dem Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, der Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie dem Schutz und der Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen beitragen. Die Aktivitäten sind hierbei den Sektoren Herstellung und Verar­bei­tung, Wasserwirtschaft und Beseitigung von Umweltverschmutzungen, Information & Kommunikation, Katas­trophenmanagement, Baugewerbe & Immobilien, Dienstleistungen, Unterkunftstätigkeiten sowie Umweltschutz und Wiederherstellung zuzuordnen. Die veröffentlichten Bewertungskriterien adressieren somit auch Sektoren, die bislang noch nicht von der EU-Taxonomie abgedeckt waren.

Zusätzlich zur Ergänzung der Umweltziele wurden den beiden Klimazielen weitere Wirtschaftsaktivitäten hinzu­gefügt, die wesentlich zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Herstellung von Automobil- und Mobilitätskomponenten oder Aktivitäten im Bereich Luftfahrt. Weiterhin wurden punktuelle Anpassungen der technischen Bewertungskriterien bereits bestehender Aktivitäten vorgenommen.


Welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen?

In der Praxis bereitet die EU-Taxonomie aktuell vielen Unternehmen Kopfzerbrechen, nicht zuletzt wegen ihrer vielfältigen Auslegungs- und Interpretationsspielräume. Eine immer stärkere Verknüpfung der Nachhaltig­keits­berichterstattung mit der Finanzberichterstattung wird durch die Taxonomie zwingend. Durch die hohe Anzahl an Daten und den geforderten Detailgrad der Kennzahlen steigt jedoch die Komplexität der Offenlegung und der damit einhergehende Umsetzungsaufwand sollte keinesfalls unterschätzt werden. Die erforderlichen Daten dürften den meisten Unternehmen aktuell noch nicht in der benötigten Form vorliegen. Interne Prozesse, IT-Systeme und Kontrollmechanismen müssen dementsprechend an die neuen Anforderungen angepasst werden. Gerade deshalb empfiehlt sich eine frühzeitige interne Erhebung, Verarbeitung und Analyse taxonomie­re­le­vanter Daten und Kennzahlen, selbst wenn das Unternehmen nach jetzigem Stand noch nicht dazu verpflichtet ist. Zu beachten ist hierbei unbedingt die oben beschriebene Unterscheidung zwischen „taxonomiefähigen“ (eligible) und „taxonomiekonformen“ (aligned) Wirtschaftstätigkeiten, die unabhängig von den zunächst gewährten Erleichterungen weiterhin getroffen werden muss. Im Hinblick auf die Ausweitung des Anwender­kreises der CSRD und somit der EU-Taxonomie ist zudem von einem in den nächsten Jahren rapide steigenden Qualifikations- und Personalbedarf auszugehen. Aus Unternehmenssicht lohnt es sich daher, bereits jetzt ausreichend personelle Ressourcen und Kapazitäten zu schaffen, Weiterbildungsangebote zu etablieren und qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.


Fazit

Es ist wichtig, sich als Unternehmen über die Tragweite der Taxonomieverordnung bewusst zu werden. Durch die angestrebte Ausrichtung sämtlicher künftiger Kapitalströme auf Nachhaltigkeit müssen sich Unternehmen diesem Wandel anpassen, um ihre Finanzierung langfristig zu sichern. Veränderte Stakeholder-Erwartungen und das gesellschaftliche Interesse an Nachhaltigkeit sprechen aber auch für einen freiwilligen Bericht zur Taxonomieverordnung, selbst wenn das Unternehmen noch nicht von der Taxonomie betroffen ist. Unter­neh­men mit hohen Anteilen an taxonomiekonformen Aktivitäten können dann von höherer Nachfrage am Kapital­markt, aber auch von günstigeren Finanzierungsbedingungen bei öffentlichen Förderungs- und Investi­tions­pro­grammen profitieren.

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