Mobiles Arbeiten: Chance und Herausforderung zugleich

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zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten
  

Nicht zuletzt bedingt durch die Corona-Pandemie verliert das Büro als regelmäßiger Arbeitsort in vielen Branchen – insbesondere in der Start-up-Szene – mehr und mehr an Bedeutung. Gleichzeitig wird Arbeitnehmern Flexibilität zunehmend wichtiger, weshalb die mobile Arbeit ein beliebtes Konstrukt ist. Auch aus Kostengesichts­punk­ten kann die Einräumung mobiler Arbeit für den Arbeitgeber, bspw. im Hinblick auf etwaige entfallende Mietkosten für Büros, eine interessante Alternative sein. Dabei wird oftmals nicht nur die Möglichkeit eingeräumt, die mobile Arbeit im Inland, sondern auch im Ausland auszuüben.
 

 

In dem Zusammenhang ist z.B. die Erscheinungsform „Workation“ entstanden. Darunter versteht man die Ver­schmelzung von Arbeit und Urlaub. Arbeitnehmer suchen sich ein Urlaubsziel ihrer Wahl aus und verrichten dort ihre Arbeit. Der Arbeitnehmer erfährt dabei eine besondere Wertschätzung und zugleich wird seinem Bedürfnis nach Flexibilität Rechnung getragen. Reiseanbieter haben Unterkünfte, die Workation ermöglichen, bereits in ihr Repertoire aufgenommen. Solche Gestaltungsmöglichkeiten sind insbesondere vor dem Hinter­grund des aktuell vorherrschenden arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktes ein interessantes Marketing­instrument für viele Arbeitgeber.

Allgemeine Begriffsbestimmung der mobilen Arbeit

Zunächst einmal muss geklärt werden, was genau unter mobiler Arbeit zu verstehen ist und welche Erschei­nungs­formen nicht darunter fallen. Unter mobiler Arbeit versteht man die Möglichkeit des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitsstätte unter Nutzung von stationären oder tragbaren Computern und/oder anderen End­geräten seine Arbeit zu verrichten. Der Arbeitnehmer kann dabei von einem Ort seiner Wahl, wie aus einem Café oder einem Zug tätig werden.
 

Telearbeit als Sonderform

Die mobile Arbeit ist von der Telearbeit abzugrenzen. Die Telearbeit ist im Gegensatz zum Oberbegriff des mobilen Arbeitens in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (nachfolgend: „ArbStättV“) gesetzlich geregelt. Danach erfordert Telearbeit einen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Arbeitnehmers durch Mobiliar, Arbeitsmittel sowie Kommunikationseinrichtungen, für die der Arbeitgeber eine mit dem Arbeitnehmer festgelegte wöchentliche Arbeitszeit und Dauer der Einrichtung vereinbart.
 

Homeoffice als Unterfall der mobilen Arbeit

Das Homeoffice kann als eine Unterform des mobilen Arbeitens angesehen werden. Darunter versteht man die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Möglichkeit des Arbeitnehmers im Privatbereich, z.B. unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zum Beispiel Notebooks) oder Datenträger, die Arbeit zu verrichten.
Darunter kann Telearbeit fallen, wenn eben ein nach § 2 Absatz 7 ArbStättV vom Arbeitgeber eingerichteter Arbeitsplatz besteht. Dies muss aber nicht der Fall sein. Bereits die nur gelegentliche Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, fällt unter den Begriff Homeoffice, ohne, dass vom Arbeitgeber ein fester Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer eingerichtet wurde.
 
Zu beachten ist, dass Homeoffice grundsätzlich nicht ohne weiteres einseitig vom Arbeitgeber mittels seines Direktionsrechts angeordnet werden kann. Dies ist auf den Schutz der Wohnung gemäß Artikel 13 Grundgesetz (nachfolgend: „GG“) zurückzuführen, worüber der Arbeitgeber nicht einseitig disponieren kann. Es muss eine arbeitsvertragliche Regelung und/oder ggf. eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden.
 

Arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Auswirkungen

Arbeitsrechtlich ergeben sich keine Besonderheiten zur herkömmlichen Betriebsstätte. Insbesondere sind auch im Falle der mobilen Arbeit die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (nachfolgend: „ArbZG“) einzuhalten. Demnach muss die grundsätzlich vorgesehene tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden sowie die Ruhe­pausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden bzw. in Höhe von 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden pro Tag eingehalten werden. Entsprechende Betriebs­ver­ein­ba­rungen bzw. Tarifverträge gelten ebenso für die mobile Arbeit.

 
Ferner ist der Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (nachfolgend: „SGB VII“) weiterhin unfallversichert.
 
Unabhängig von der jeweiligen Form des mobilen Arbeitens müssen die allgemeinen Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz (nachfolgend: „ArbSchG“) beachtet werden. Nach § 3 und § 4 ArbSchG hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die betriebliche Sicherheit zu gewährleisten. Um festzustellen, welche Maßnahmen zu treffen sind, hat der Arbeitgeber nach § 5 Absatz 1 ArbSchG eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Den Arbeitgeber trifft eine Pflicht zur Unterweisung der Beschäftigten bezüglich Gesundheitsgefahren und Schutzmaßnahmen nach § 12 ArbSchG.

 
Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber im Falle der Telearbeit zusätzlich die strengen Schutzvorkehrungen der ArbStättV einzuhalten hat.
 

Datenschutz

Unterschiedliche rechtliche Anforderungen können sich im Bereich des Datenschutzrechts ergeben. Im Gegensatz zum Homeoffice und zur Telearbeit hat der Arbeitgeber im Falle der mobilen Arbeit von andernorts, z.B. im Café, kaum Kontroll- und Zugriffmöglichkeiten hinsichtlich der Datennutzung. Aus diesem Grund empfiehlt es sich aus Sicht des Arbeitgebers für die mobile Arbeit außerhalb des Homeoffice strengere Regelungen zum Datenschutz mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren und diesen entsprechend zu unterrichten und zu schulen, um einen Datenmissbrauch zu vermeiden.
 

Mobiles Arbeiten im Ausland

Insbesondere bei der Ermöglichung der mobilen Arbeit im Ausland müssen einige rechtliche Besonderheiten beachtet werden.
 
Es stellt sich bei einer Tätigkeit im Ausland immer die Frage, welches Recht auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Weiterhin müssen sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Punkte berück­sichtigt werden.
 

Anwendbares Recht

Sofern die Parteien keine Rechtswahl im Arbeitsvertrag getroffen haben, findet grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem die Arbeit gewöhnlich ausgeführt wird. Dies ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuld­verhältnisse anzuwendende Recht („Rom-I-VO“). Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit bspw. gewöhnlich in Spanien, so wäre grundsätzlich nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO spanisches Arbeitsrecht anzuwenden. Selbst, wenn eine solche vorrangige Rechtswahl nach Art. 3, Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO, zum Beispiel durch die Verein­barung des deutschen Rechts getroffen wurde, so ist eine solche Vereinbarung nicht uneingeschränkt möglich. In dem genannten Beispiel sind sowohl die Mindestbestimmungen des deutschen Arbeitsrechts, insbesondere das Kündigungsrecht, als auch die Mindestbestimmungen des jeweiligen Aufenthaltsortes im Ausland gemäß Art. 8 Abs. 1 letzter Halbsatz Rom I-VO einzuhalten. Die getroffene Rechtswahl darf nicht zu einer Benach­tei­li­gung des Arbeitnehmers führen. Insofern ist ein Günstigkeitsvergleich zwischen den verschiedenen Rege­lungen vorzunehmen.
 
Komplizierter wird es, sobald der Arbeitnehmer im Rahmen seiner mobilen Arbeit für einen gewissen Zeitraum jeweils in unterschiedlichen Ländern tätig wird. Dann muss dezidiert geprüft werden, wo regelmäßig die Arbeit schwerpunktmäßig verrichtet wird. Kann ein solcher Schwerpunkt nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO nicht fest­gestellt werden, so findet das Recht Anwendung, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeit­nehmer eingestellt hat (Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO). Im Falle einer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland würde das deutsche Arbeitsrecht eingreifen.
 
Um als Arbeitgeber sicherzustellen, dass die geltenden Bestimmungen eingehalten werden, sollte durch vertragliche Regelungen – trotz der angestrebten Flexibilität – festgelegt werden, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über seinen Aufenthaltsort zu informieren hat. Da der Arbeitgeber je nach Aufenthaltsort des Arbeitnehmers möglicherweise mit, aus seiner Sicht, ungünstigen Regelungen konfrontiert sein kann, empfiehlt es sich in dem Zusammenhang die Länder festzulegen, in denen sich der Arbeitnehmer aufhalten darf und die jeweilige Aufenthaltsdauer vertraglich zu bestimmen. Gerade im Falle des Aufenthalts in Ländern außerhalb der EU können die Regeln erheblich abweichen, sodass darüber nachgedacht werden sollte, den Aufent­haltsort auf Mitgliedsstaaten der EU zu begrenzen. Andernfalls sollte insbesondere geprüft werden, ob eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis notwendig ist.
 

Sozialversicherungspflicht

Auch im Rahmen der Sozialversicherung gibt es beim grenzüberschreitenden mobilen Arbeiten einige Fall­stricke, welche es zwingend zu vermeiden gilt. So ist vor der Umsetzung der mobilen Arbeit im Ausland vom Arbeitgeber zu klären, welches Sozialversicherungsrecht während der mobilen Arbeit im Ausland Anwendung findet und ob es ggf. zu einer Verschiebung des bisher anwendbaren Sozialversicherungsrechts kommt.

 
In der Sozialversicherung gilt der Grundsatz des Territorialitätsprinzips (auch Beschäftigungslandprinzip genannt). Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Landes unterfällt, wo er seine Tätigkeit physisch ausübt. Hiervon kann es allerdings Ausnahmen geben.
 
Innerhalb der EU/EWR und der Schweiz gilt die Verordnung (EG) 883/2004, welche die jeweiligen Sozial­ver­sicherungssysteme der betroffenen Mitgliedstaaten koordiniert. Auch in Bezug auf das mobile Arbeiten wird diese Verordnung herangezogen, da es aktuell keine anderweitigen sonstigen Regelungen gibt. Durch die Verordnung wird auch geregelt, dass innerhalb der EU/EWR/Schweiz nur das Sozialversicherungssystem eines Landes zur Anwendung kommen kann. Eine Doppelversicherung ist dadurch grundsätzlich ausgeschlossen.
 
Blickt man auf sogenannte Drittstaaten, gibt es eine solche allumfassende Koordinierung nicht. Zwar hat Deutschland mit diversen Ländern ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen; meist werden hierbei aber nur einzelne Zweige koordiniert. Mit vielen Ländern besteht aber auch kein Sozialversicherungsabkommen. Hierbei handelt es sich um sogenanntes vertragsloses Ausland. Sowohl bei Ländern mit Sozialver­sicherungs­abkommen als auch beim vertragslosen Ausland kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer Doppelversicherungspflicht kommt, mit der Folge einer doppelten Beitragsbelastung sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers.
 
Durch die Tätigkeit eines Mitarbeiters in ausländischer mobilen Arbeit kann es daher durchaus möglich sein, dass der Arbeitnehmer aus dem bisherigen Sozialversicherungssystem ausscheidet und den ausländischen Sozialvorschriften unterfällt.

 
Als Beispiel können hier die Grenzpendler genannt werden, die bisher ausschließlich in Deutschland gearbeitet haben und in Österreich wohnen. Arbeitet der Arbeitnehmer dann im Homeoffice in Österreich zu mehr als 25% seiner gesamten Arbeitszeit, finden für ihn alsdann die österreichischen Sozialvorschriften Anwendung. Vielen Arbeitgebern ist dies oftmals nicht bewusst.
 
Aufgrund des enormen – insbesondere pandemiebedingten – Trends zur mobilen Arbeit in den letzten Jahren und mittlerweile sogar der Forderung danach, mussten sich die für die Beurteilung derartig neuer Sachverhalte im Bereich des mobilen Arbeitens zuständigen Behörden wie die Einzugsstellen oder die DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland) neu positionieren und neue Richtlinien aufstellen. So war z.B. unlängst über die Frage zu urteilen gewesen, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn die Auslands­tätigkeit im Homeoffice auf rein privater Veranlassung beruht und nicht arbeitgebergesteuert ist. 
 
Von einer stiefmütterlichen Behandlung der Thematik der Sozialversicherung bei grenzüberschreitender mobiler Arbeit wird daher dringend abgeraten. Gerade im Hinblick auf die rechtlichen Risiken und Rechts­folgen, die eine falsche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Arbeitnehmers während seiner mobilen Arbeit im Ausland auslösen können, ist es empfehlenswert die mobile Arbeit im Ausland vorab von der zuständigen Behörde prüfen zu lassen, um hier eine rechtskonforme Gestaltung gewährleisten zu können. Besonders hervorzuheben ist hier der Umstand, dass der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Verbeitragung des Arbeitnehmers im zuständigen Hoheitsgebiet verantwortlich ist und daher das volle Risiko trägt (Arbeit­geberhaftung).
 
Auch bei nur tageweisem mobilen Arbeiten im Ausland (z.B. Verlängerung des Urlaubs im Ausland) ist eine sorgfältige Prüfung vorab und die Beantragung einer entsprechenden A1 Bescheinigung innerhalb der EU/EWR/Schweiz daher unerlässlich. Insbesondere muss auch bei grenzüberschreitender mobiler Arbeit bereits ab Tag 1 eine A1 Bescheinigung als Nachweis vorgelegt werden können auf Grund der teils strengen Kontrollen im Ausland.
 

Steuerrecht

Steuerrechtlich stellt sich ferner die Frage, ob der Arbeitnehmer sein Arbeitseinkommen im Falle der Tätigkeit im Ausland weiterhin in Deutschland oder im jeweiligen Zielland zu versteuern hat.
 
Grundsätzlich besteht nach § 1 Einkommenssteuergesetz (nachfolgend: „EStG“) eine uneingeschränkte Steuerpflicht im Inland, wenn der jeweilige Arbeitnehmer im Inland einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Allerdings sind bei der steuerrechtlichen Bewertung etwaige Besonderheiten sowie ggf. Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Einsatzländern zu beachten. Auch ist nach den rechtlichen Grundsätzen des jeweiligen Tätigkeitsortes zu bewerten, ob durch die jeweilige Tätigkeit eine steuerliche Betriebsstätte im Ausland begründet werden könnte. Auch die weitreichenden steuerrechtlichen Aspekte sollten konkret überprüft werden.

Fazit

Der Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität in der Arbeitsplatzgestaltung steigt insbesondere seit der Corona-Pandemie stetig. Die Ermöglichung mobiler Arbeit bringt auch für die Arbeitgeberseite einige Vorteile mit sich. Allerdings besteht sowohl bei der Möglichkeit des mobilen Arbeitens im Inland als auch im Ausland ein hoher Prüfungs- und Abstimmungsbedarf. Trotz diesem Streben nach steigender Flexibilität sollten die arbeits-, steuer- und sozialver­sicherungs­recht­lichen Grundsätze beachtet, im konkreten Fall überprüft und durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesichert werden. Hierfür ist nicht nur ein Blick auf die inländischen Rechtsgrundsätze, sondern auch auf die Rechtsgrundsätze des jeweiligen Tätigkeitsortes zu werfen. Dann können gemeinsame Rege­lungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden, die diese Aspekte beachten und die gegen­seitigen Interessen nach Flexibilität und rechtssicherem Arbeiten wahren.
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