Kartellschadensersatz: Kartellschaden auch bei Informationsaustausch

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Kartellrechtsverstöße zwischen Wettbewerbern können neben hohen Bußgeldern von bis zu 10 Prozent des jährlichen Gruppenumsatzes regelmäßig auch Kartellschadens­ersatz­forderungen von potenziell geschädigten Abnehmern zur Folge haben. In den letzten Jahren ist das Kartellschadensersatzrecht in Deutschland – auch unter dem Einfluss der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie – immer klägerfreundlicher geworden und die Gerichtsprozesse haben zugenommen. Ende 2022 hat sich der BGH im „Schlecker-Urteil“ zur Schadensvermutung bei kartellrechtswidrigem Informations­austausch geäußert und damit eine weitere Auslegungsfrage eher klägerfreundlich geklärt. Der Beitrag fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen.



Gesetze begünstigen Kartellschadensersatzansprüche

Das deutsche GWB enthält diverse Regelungen, die die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen für Kartellgeschädigte vereinfachen. Unter anderem gilt für den Kartellschadensersatzanspruch nach § 33a Abs. 2 GWB die Vermutung, dass ein Kartell einen Schaden verursacht und dass Rechtsgeschäfte mit Kartel­lan­ten im sachlichen, räumlichen und zeitlichen Bereich des Kartells vom Kartell erfasst waren. Geschädigte müssen im Schadensersatzprozess den Kartellverstoß nicht nachweisen, sondern können sich auf die Bin­dungs­wirkung der Entscheidung der Kartellbehörde stützen (§ 33b GWB), zu der sie erleichterten Zugang haben. Darüber hinaus haben sie sogar einen eigenen Anspruch auf Herausgabe von Beweismitteln (§ 33g GWB) und profitieren von langen Verjährungsfristen (§ 33h GWB). Hinzu kommt unter anderem, dass die Ge­schä­digten aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung (§ 33d GWB) ihren Schaden von jedem der beteilig­ten Kartellanten herausverlangen können, nicht nur vom eigenen Vertragspartner.


Klägerfreundliche Rechtsprechung

In den letzten Jahren haben der EuGH und der BGH verschiedene Auslegungsfragen im Kartellschadensersatz geklärt, häufig zum Vorteil der Kläger. Einige wenige Beispiele: Der EuGH hat kürzlich die kenntnisunabhängige Verjährung des Kartellrechtsverstoßes, wie sie auch im deutschen Recht existiert, in Frage gestellt und einen späten Zeitpunkt für die die Verjährung auslösende Kenntniserlangung, nämlich die Veröffentlichung der Buß­geldentscheidung, angenommen (Lkw-Kartell). Der BGH hat im Schienenkartell unter anderem den pauscha­lier­ten Schadensersatz bestätigt und Schäden auch bei mittelbaren Abnehmern anerkannt. Auf einem kartel­lierten Markt sind nach dem BGH Kartellschäden sogar beim Bezug von Waren bei am Kartell nicht beteiligten Wettbewerbern (sog. Kartellaußenseiter) möglich.

Zudem hat der BGH festgestellt, dass im Kartellschadensersatzprozess eine Vermutung gilt, dass Preis-, Gebiets- und Quotenkartelle zu kartellbedingten Preiserhöhungen führen. Zwar folgt daraus kein Anscheins­beweis und keine Beweislastumkehr, die Vermutung ist aber ein für den Tatrichter zu berücksichtigendes (und in der Praxis wichtiges) Indiz, das im Rahmen einer Gesamtwürdigung bei der Feststellung eines Schadens be­rücksichtigt werden muss.


Das Schlecker-Urteil

In seinem Schlecker-Urteil (KZR 42/20) hat der BGH die oben genannte Rechtsprechung zur Schadensver­mu­tung fortgeführt. Er hat entschieden, dass es (auch) beim Informationsaustausch über Preise eine hohe Wahr­scheinlichkeit und damit eine Vermutung gibt, dass er zu kartellbedingt höheren Preisen führt. Das entbindet die Kläger zwar nicht, substantiiert zu Kartellschäden vorzutragen. Die beklagten Kartellanten werden aber künftig wohl nachweisen müssen, dass die erlangten Preisinformationen keinen Einfluss auf das eigene Markt­verhalten hatten. Bislang waren einige Instanzgerichte vor allem im Drogerie-Kartell und im Lkw-Kartell zurück­haltend bei der Schadensfeststellung nach einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch. Das wird sich künftig vermutlich ändern.

Da das Urteil noch zur alten Rechtslage erging, hat der BGH noch nicht darüber entschieden, ob der Informa­tionsaustausch zu Preisen künftig auch unter die Schadensvermutung des § 33a Abs. 2 GWB fällt. Die besseren Argumente sprechen sicher dafür.

Für die Compliance-Praxis ist folgender Aspekt interessant. Der BGH wies im Schlecker-Urteil (wie schon das Bundeskartellamt) ausdrücklich darauf hin, dass bereits eine einmalige Teilnahme an einer Sitzung eines Ar­beits­kreises, bei der wettbewerblich sensible Informationen ausgetauscht werden, ausreicht, um einen wettbe­werbswidrigen Erfolg herbeizuführen.


Fazit

Wenn Unternehmen mitbekommen, dass es auf vorgelagerten Marktstufen Kartellabsprachen und insbeson­dere ein Bußgeldverfahren einer Kartellbehörde gegeben hat, sollten sie prüfen, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Dazu sind Geschäftsführer sogar verpflichtet. Die klägerfreundlichen gesetz­lichen Regelungen und eine tendenziell klägerfreundliche Rechtsprechung des BGH vereinfachen die Durch­setzung solcher Ansprüche erheblich. Aufgrund der langen Verjährungsvorschriften und ihrer klägerfreund­lichen Auslegung ist die Durchsetzung häufig auch noch Jahre oder gar Jahrzehnte später möglich. Das Schlecker-Urteil des BGH zeigt, dass Kartellschäden nicht nur bei harten Preisabsprachen oder Gebiets- und Quotenkartellen, sondern auch bei einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch von den Gerichten Anerkennung finden können. Kartellbedingte Preisaufschläge von 10 Prozent und mehr sind dabei nicht unüb­lich, so dass sich die Geltendmachung durchaus lohnen kann.

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