Eisenbahninfrastrukturentgelte im Fokus des Kartellrechts

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten


Nichtbundeseigene Eisenbahnverkehrsunternehmen streiten mit der Deutschen Bahn (DB) schon seit Jahren darüber, ob die für die Nutzung von Personenbahnhöfen und Schienenwegen an die DB gezahlten Entgelte rechtens sind oder nicht. Der Euro­päische Gerichtshof (EuGH) hat hierzu bereits mehrfach entscheiden müssen. Zuletzt mussten die Luxemburger Richter (Urteil vom 27.10.2022 – Rs. C-721/20) zum Verhält­nis von Eisenbahnregulierungsrecht einerseits und dem Kartellrecht andererseits Stellung nehmen.


Eine Kernfrage dabei ist, ob das spezielle Eisenbahnregulierungsrecht - mit der Bundesnetzagentur als zustän­diger Regulierungsbehörde - einer auf kartellrechtliche Rechtsgrundlagen (insbesondere Art. 102 AEUV) ge­stütz­­ten zivilgerichtlichen Klage auf Rückzahlung von Eisenbahninfrastrukturentgelten entgegensteht. Mit ande­ren Worten: Kann ein Zivilgericht über Eisenbahninfrastrukturentgelte auf kartellrechtlicher Grundlage urteilen, wenn zugleich die Regulierungsbehörde für die Überwachung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zuständig ist?

Das Urteil des EuGH stellt klar, dass das eisenbahnrechtliche Regulierungsregime der Anwendung von Art. 102 AEUV (i.V.m. §§ 33 GWB a.F. und § 812 BGB) grundsätzlich nicht entgegensteht. Damit bestätigen die Luxem­burger Richter die etablierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (z.B. KZR 12/15).

Selbst wenn das EU-Eisenbahnregulierungsrecht dem nationalen Gesetzgeber vorgäbe, die Durchsetzung eines kartellrechtlich begründeten Rückzahlungs- oder Schadensersatzanspruches gegen ein Eisenbahn­nfrastruktur­­unternehmen von einer vorherigen Entscheidung der Regulierungsbehörde abhängig zu machen, so wäre das nicht entscheidungserheblich, weil eine entsprechende Vorschrift weder im AEG a.F. noch an anderer Stelle des nationalen Rechts enthalten ist. Der Grundsatz einer richtlinienkonformen Auslegung kann nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen.

Umgekehrt muss die Regulierungsbehörde, sprich die Bundesnetzagentur, auch eine retrospektive Überprüfung von Eisenbahninfrastrukturentgelten vornehmen und darf sich nicht auf eine vermeintlich gegenteilige natio­nale Rechtsvorschrift berufen. Das nationale Eisenbahnregulierungsrecht steht also einer rückwirkenden Über­prüfung von Eisenbahninfrastrukturentgelten durch die Bundesnetzagentur nicht entgegen. Wurde die mitglied­staatliche Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) aktiv eingebunden oder ist diese selbst aktiv geworden, dann ist sie also nicht daran gehindert, auch kartellrechtliche Gesichtspunkte (i.S. Art. 102 AEUV) zu berück­sichtigen. Ein Zivilgericht wiederum kann dann aber – unter nicht bindender Berücksichtigung der rechtlichen Würdigung der Regulierungsbehörde, vgl. Rdnr. 83 des EuGH-Urteils - über Rückzahlungs- / Schadensersatz­ansprüche entscheiden, weil auch selbst eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts dahinge­hend nicht möglich ist, dass eine vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen geforderte Nutzungsentgelt bean­standende Entscheidung der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörde Voraussetzung für die Durchset­zung eines kartellrechtlich begründeten Rückzahlungs- / Schadensersatz­anspruches wäre. Denn weder das AEG a.F. noch das übrige deutsche Recht kennen eine solche Anforderung.

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Holger Schröder

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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