Kartellrecht und Personalmärkte: Kartellbehörden nehmen HR ins Visier

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Viele Unternehmen haben die Notwendigkeit von kartellrechtlicher Compliance bereits erkannt. Teilweise ist den Verantwortlichen aber nicht bewusst, in wie viele Un­ter­neh­mens­be­rei­che das Kartellrecht ausstrahlt. Zuletzt sind zunehmend die Per­so­nal­ab­tei­lun­gen weltweit in den Fokus von Kartellbehörden geraten. Verfahren und Äu­ßer­un­gen wichtiger Kartellbehörden wie der US Federal Trade Commission und der EU-Kom­mis­sion verdeutlichen, dass Kartellbehörden künftig verstärkt Kartell­rechts­verstöße im Personalbereich verfolgen werden. Dieser Beitrag beschreibt die jüngsten Ent­wick­lun­gen und zeigt auf, wie Unternehmen Kartellrechtsverstöße auf Per­so­nal­märk­ten vermeiden können.



Kartellverbot und Rechtsfolgen

Das Kartellverbot verbietet – in den meisten Ländern der Welt – Absprachen oder Abstimmungen zwischen Unternehmen, wenn diese den Wettbewerb beschränken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ko­or­di­nie­rung schriftlich, mündlich, verbindlich oder unverbindlich vorgenommen wird. Auch ein „Gentlemen’s Agree­ment“ ist verboten. Immer häufiger verfolgen Kartellbehörden sogar den Austausch von wettbewerblich sen­si­blen Informationen (z.B. Preise, Margen, Kosten, Strategien, Innovationen, etc.) zwischen Wettbewerbern.
Ver­stö­ße gegen das Kartellverbot können schwerwiegende Folgen haben. Es drohen insbesondere langwierige Kartellverfahren mit Bußgeldern von bis zu 10 Prozent des weltweiten Gruppenumsatzes, Schadensersatz­klagen von geschädigten Geschäftspartnern und erhebliche Reputationsverluste. Kartellrechtswidrige Verträge sind unwirksam. In manchen Ländern drohen leitenden Mitarbeitern persönliche Bußgelder (z.B. in Deutsch­land) oder gar Strafverfahren (z.B. UK, USA).


Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt

Unternehmen müssen also vorsichtig sein, wenn sie mit Wettbewerbern zusammenarbeiten oder auch nur In­for­ma­tio­nen austauschen. Wettbewerbsbeschränkungen kann es nicht nur beim klassischen Verkauf oder Einkauf von Waren oder Dienstleistungen geben. Unternehmen stehen beispielsweise auch bei der Nachfrage nach Mitarbeitern in einem Wettbewerb („war for talents“), der unzulässigerweise beschränkt werden kann. Wichtig dabei ist das Verständnis, dass Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern regelmäßig mit mehr und/oder anderen Unternehmen im Wettbewerb stehen als etwa beim Vertrieb ihrer Produkte. Auf dem Per­so­nal­markt können also auch branchenfremde Unternehmen Wettbewerber sein.


Kartellbehörden greifen vermehrt ein

In jüngerer Zeit haben Kartellbehörden vermehrt Verfahren gegen Unternehmen eingeleitet, die Kartellrechts­verstöße auf dem Arbeitsmarkt zum Gegenstand hatten.

Vorreiter ist – wie oft im Kartellrecht – die USA: Hier gab es schon vor einigen Jahren Klagen und Kartellver­fahren gegen Apple, Google und andere IT-Unternehmen wegen Absprachen, sich keine Mitarbeiter ab­zu­wer­ben. 2016 veröffentlichten die US-Kartellbehörden DOJ und FTC dann Leitlinien zum Thema Kartellrecht und HR („Antitrust Guidance for Human Resources Professionals“). Anfang 2023 wurde bekannt, dass die FTC Verfahren gegen mehrere Unternehmen führt, weil diese Wettbewerbsverbote in die Arbeitsverträge für An­ge­stell­te aufgenommen hatten.

Die Schweizer Kartellbehörde (WEKO) teilte Ende 2022 mit, dass sie den „Arbeitsmarkt im Bankensektor“ untersucht, weil Banken in der Schweiz regelmäßig „Informationen über die Löhne von verschiedenen Ka­te­go­rien ihrer Angestellten“ ausgetauscht haben sollen. Das verdeutlicht, dass die Kartellbehörden auch auf dem Personalmarkt nicht nur harte Absprachen wie ein Abwerbeverbot verfolgen, sondern auch einen Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen. Die WEKO wies dabei explizit darauf hin, dass der Arbeitsmarkt immer mehr in den Fokus der Kartellbehörden „rund um den Globus“ rücke.

Die EU-Wettbewerbskommissarin hatte bereits 2021 vor Kartellrechtsverstößen auf Personalmärkten gewarnt und deren Verfolgung durch die EU-Kommission angekündigt. In vielen anderen Ländern wurden ebenfalls Ver­fah­ren angestrengt, unter anderem in Polen, Ungarn, Litauen, Mexiko und Brasilien.


Beispiele für kritische Verhaltensweisen

Folgende Verhaltensweisen auf dem Personalmarkt sind kartellrechtlich kritisch und sollten vermieden bzw. vorab kartellrechtlich geprüft werden:


Abwerbeverbote

Besonders kritisch sind Vereinbarungen mit anderen Unternehmen, keine Mitarbeiter voneinander abzuwerben und/oder keine Mitarbeiter vom anderen Unternehmen einzustellen oder dies nur nach gewissen Schonfristen zu tun (Abwerbeverbot, „no-poaching agreements“). Ausnahmen können gelten, wenn ein derartiges Verbot für einen legitimen Anlass (z.B. Unternehmenskauf) zwingend erforderlich ist.


Absprachen zu Gehältern

Ebenfalls als besonders schwerwiegender Verstoß sind Absprachen zu Gehältern oder Gehaltsbestandsteilen, einschließlich Boni, Provisionen etc., zu werten.


Abstimmungen und Informationsaustausch

Kartellrechtlich kritisch sind aber auch Koordinierungen und Informationsaustausch zu relevanten Wettbe­werbs­parametern bei der Personalgewinnung. Das können neben Gehältern und sonstigen vergütungs­re­le­van­ten Faktoren auch andere wichtige Arbeitsbedingungen sein, wie etwa betriebliche Altersvorsorge, Dienst­wa­gen­re­ge­lun­gen, Urlaubsregelungen, Dienstwohnungen, besondere Arbeitsbedingungen (4-Tage-Woche, Sabbaticals, besondere Weiterbildungsangebote etc.) und dergleichen.


Sonderfall: Tarifautonomie

Ausnahmen vom Kartellverbot gibt es hingegen im Bereich der Tarifautonomie.


Vermeidung von Kartellrechtsverstößen und Rechtsfolgen

Es gibt verschiedene Anlässe, bei denen das Risiko eines Kartellrechtsverstoßes im HR-Bereich erhöht sein kann. Beispiele sind Branchen- und Verbandstreffen, (externe) HR-Arbeitskreise oder auch die Inanspruch­nahme von Dienstleistern im HR-Bereich, etwa wenn diese Benchmarking-Leistungen erbringen oder Markt­sta­tis­ti­ken erstellen. Ein besonderes Risiko besteht auch dann, wenn Mitarbeiter gute persönliche Kontakte in andere Unternehmen haben.

Mitarbeiter mit Bezügen zu HR-Themen müssen deshalb (ebenfalls) kartellrechtlich sensibilisiert werden. Sie sollten präventiv zu den kartellrechtlichen Risiken im Personalbereich instruiert und geschult werden. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen empfiehlt es sich außerdem, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu prüfen, ob es in der Vergangenheit zu einem kritischen Informationsaustausch mit Wettbewerbern zu Personalthemen oder gar zu Abstimmungen oder Absprachen auf Personalmärkten gekommen ist.


Fazit

Die Verfolgung von Kartellrechtsverstößen durch die Kartellbehörden wird in den kommenden Jahren nicht abnehmen. Zu beobachten ist, dass die Kartellbehörden vermehrt neue Themen in den Fokus nehmen. Im Jahr 2021 hat die EU-Kommission hohe Bußgelder wegen Abstimmungen zu technischen Entwicklungen verhängt. Die jüngsten Aktivitäten und Aussagen der Kartellbehörden machen deutlich, dass es in den kommenden Jahren national und international zu mehr Kartellverfahren kommen wird, die den HR-Bereich betreffen. Un­ter­neh­men sollten deshalb unabhängig von ihrer Größe ihre Mitarbeiter kartellrechtlich sensibilisieren und schu­len. Dabei sollten sie neben den klassischen Bereichen wie Einkauf und Vertrieb auch andere Bereiche von wettbewerblicher Relevanz abdecken, insbesondere die Personalabteilung oder den Bereich Entwicklung.

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