Kartellrecht in Indien: Das (un-)bekannte Damoklesschwert

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Im Rahmen von Investitionen in Indien scheint das indische Kartellrecht oft eine zweit­rangige Rolle zu spielen. Dieser Eindruck wird dadurch unterstützt, dass die indische Wirtschaft von sehr großen indischen Konglomeraten „beherrscht“ wird. In einem Land, wo Unternehmen wie Tata, Adani, Bajaj und Reliance das wirtschaft­liche Bild prägen, wird der Eindruck eines ineffektiven Wettbewerbsrechts geweckt. Dem ist jedoch nicht so.



Gesetzliche Rahmenbedingungen

Das indische Kartellrecht ist im Competition Act, 2002 geregelt. Danach ist jede Vereinbarung zwischen Unter­nehmen, natürlichen Personen und Verbänden verboten, die einen nachteiligen Effekt auf den Wettbe­werb haben könnte. Der Begriff der Vereinbarung wird hierbei sehr weit ausgelegt.

In § 3, Abs. 3, Competition Act, 2002 definiert der indische Gesetzgeber sog. Hardcore Kartelle. In­te­res­san­ter­­wei­se nimmt der indische Gesetzgeber auch das sog. „bid rigging“ und „conclusive rigging“ in die Liste der Hardcore Kartelle auf. Dabei geht er sogar so weit, dass er einen wettbewerbseinschränkenden Effekt an­nimmt. Ob das als Beweislastumkehr gewertet werden kann, ist strittig.

Vor dem Hintergrund, dass Indien derzeit sehr viele Infrastrukturprojekte ausschreibt, ist das „Hardcore Kartell“ von durchaus hoher praktischer Relevanz.

In § 4 des Competition Act 2002 wird das Verbot vom Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ge­re­gelt. In § 4, Abs. 2 des Competition Act werden Regelbeispiele für Verhaltensweisen, die einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen können, definiert.

Die gesetzliche Struktur des indischen Kartellrechts ähnelt dabei sehr der europäischen Gesetzgebung im Bereich des Kartellrechts. Die Auslegung und Anwendung von kartellrechtlichen Vorschriften und kartell­rechts­­widrigen Verhaltensmustern orientiert sich ebenfalls stark an der europäischen Gesetzesanwendung. So hatte kürzlich ein großes internationales IT- Unternehmen der indischen Kartellbehörde vorgeworfen, dass sie weitgehend die Argumentationslinie der EU-Kommission „kopiert“ habe.

Auch dogmatisch orientiert sich die indische Rechtsanwendung an der der europäischen Anwendungspraxis – so vor allem im Bereich der Bestimmung der sachlich relevanten Marktabgrenzung.


Kartellrechts-relevantes Verhalten auf dem indischen Markt

Wie oben dargestellt ist das Kartellrecht in Indien auf der einen Seite eine verhältnismäßig junge Gesetz­gebung. Auf der anderen Seite wird das wirtschaftliche Gesamtbild Indiens von einer dominanten Riege von indischen Weltmarktführern geprägt.


Die in der indischen DNA verankerte Geschäftspraxis widerspricht teilweise den kartellrechtlichen Logiken. So sind Gebietsabsprachen, Preisanpassungen und ähnliche kartellrechtswidrige Verhaltensmuster in Indien zum Teil als sozial und wirtschaftlich adäquates Verhalten eingestuft. Nach der Einführung des neuen indischen Kartellrechts gab es Verwunderung in der Wirtschafts- und Beratungsszene darüber, dass Preisabsprachen eigentlich wettbewerbsfreundlich sind, da hierdurch keine Preissteigerungen stattfinden.

Es ist durchaus auch weiterhin üblich, dass sich Wettbewerber offen bei Verbandstreffen über Wirt­schafts­parameter austauschen, die aus europäischer Sicht bereits einen kartellrechtlich relevanten Tatbestand auslösen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Eindruck besteht, Kartellrecht sei nur für große Konzerne in Indien relevant. Dieser Eindruck beruht darauf, dass die Kartellrechtsbehörde in Indien sich derzeit eher auf Groß­konzerne konzentriert. Es ist aber nicht abwegig, dass mit dem derzeitigen starken Wirt­schafts­wachs­tums Indiens die Kartellrechtsbehörden ihre Aufmerksamkeit auch kleineren Marktteilnehmern widmen werden.


Vorsorge statt Nachsorge

Gerade deutsche Unternehmen mit ihren herausstechenden Technologien können relativ schnell eine kar­tell­rechtlich relevante Marktposition erreichen. Daher sollten sie – ungeachtet der wirtschaftlichen Position auf dem indischen Markt – kartellrechtlich konformes Verhalten in Indien sicherstellen. Unter Betrachtung der oben geschilderten Gemengelage sind effektive Compliance Management Systeme (CMS) und regelmäßige fachkundige Schulungen ein guter und unerlässlicher Anfang.

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