Kartellrecht und Datenschutz: Bundeskartellamt darf Anforderungen der DS-GVO prüfen

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veröffentlicht am 26. Juli 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich wiederholt mit der Meta Platforms Inc. (vormals Facebook Inc.) und dessen Umgang mit Daten befassen. Das jüngste Urteil des EuGH vom 4. Juli 2023 (Az.: C-252/21) stellt eine erneute Niederlage für den Meta-Konzern dar. Diesmal musste sich der EuGH unter anderem mit der Frage be­fassen, ob das deutsche Bundeskartellamt (BKartA) im Rahmen von kartellrecht­lichen Abwägungsentscheidungen auch datenschutzrechtliche Bestimmungen berück­sich­tigen darf – und entschied dabei im Sinne des BKartA: Kartellbehörden dürfen in einem kartellbehördlichen Verfahren ebenfalls die Einhaltung des Datenschutzrechts prüfen.




Ausgangslage: Verfahrensgang und Urteil des EuGH

Das hier bezeichnete Verfahren vor dem EuGH geht ursprünglich auf einen Beschluss des BKartA vom 6. Fe­bruar 2019 zurück. In diesem Beschluss wurde die Datenverarbeitungspraxis von Meta vom BKartA als nicht DS-GVO-konform und als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) qualifiziert. Primär rügte das BKartA das Zusammenführen von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen ohne Einwilligung der Nutzer. Hiergegen legte der Meta-Konzern zunächst Beschwerde beim zuständigen OLG Düsseldorf ein und ließ die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BKartA überprüfen. Das OLG Düsseldorf setzte das Verfahren aus und wendete sich im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH. Insbesondere stellte das OLG die Frage, ob das BKartA befugt ist, Normen der DS-GVO zu prüfen und wie – vorstehende Befugnis vorausgesetzt – bestimmte Vorschriften der DS-GVO auszulegen sind.
 
Der EuGH hat dazu am 4. Juli 2023 entschieden, dass 
  • die Datenverarbeitung durch den Meta-Konzern auch besondere Kategorien von personenbezogenen Daten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO betrifft und 
  • dass eine nationale Wettbewerbsbehörde wie das BKartA einen Verstoß gegen die DS-GVO im Einzelfall feststellen und prüfen kann. 
  
Bezüglich zweiter Fragestellung – die hier fokussiert betrachtet wird – wird jedoch vorausgesetzt, dass das BKartA seine Pflicht zur sog. loyalen Zusammenarbeit mit den betreffenden nationalen Aufsichtsbehörden oder der jeweils federführenden Aufsichtsbehörde berücksichtigt. Dieser Grundsatz ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV und besagt, dass alle beteiligten Behörden bei der Anwendung der DS-GVO an eine Zusammenarbeit ge­bunden sind, insbesondere dass ermittelt werden muss, ob dieses oder ein ähnliches Verhalten bereits Gegen­stand einer Prüfung durch die originär zuständige datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde war. Zudem darf es sich nicht um eine isolierte Prüfung der DS-GVO durch die Wettbewerbsbehörde handeln, sondern sie muss im Rahmen der Prüfung, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung missbraucht, erfolgen.
 
Im hier gegenständlichen Fall hat das BKartA diese Anforderungen beachtet: Es hat die Vorschriften der DS-GVO allein zum Zwecke der Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Meta geprüft und damit eine ihr originär zugeordnete Tätigkeit durchgeführt. Überdies hat das BKartA frühzeitig Auskunft bei der für den Datenschutz zuständigen Aufsichtsbehörde (BfDI) erbeten, um etwaige Konflikte mit dem Grund­satz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV zu vermeiden. In diesem Rahmen durfte das BKartA als Wettbewerbsbehörde Bestimmungen zum Datenschutz prüfen.

Prüfungskompetenz des Bundeskartellamtes

Zur Beantwortung vorbezeichneter Frage legte der EuGH zunächst die Vorschriften der Art. 51 ff. DS-GVO aus, welche die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden regeln. Die Richter des EuGH nahmen das zum Anlass, die Aufgaben der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde (in Deutschland der Bundesbeauftragte für den Daten­schutz und die Informationsfreiheit (BfDI)) und der Wettbewerbsbehörde gegenüberzustellen. Die Hauptauf­gabe der Aufsichtsbehörde bestehe darin, die Anwendung der DS-GVO zu überwachen und durchzusetzen so­wie gleichzeitig zu ihrer einheitlichen Anwendung in der Union beizutragen. Ihr maßgebliches Ziel sei es, die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu schützen und den freien Verkehr solcher Daten in der Union zu erleichtern. Die Wettbewerbsbehörden sind hingegen u.a. für den Erlass von Entscheidungen zuständig, mit denen der Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen i.S.v. Art. 102 AEUV festgestellt wird. Ziel der Wettbewerbsbehörden sei es, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen und Ausnutzung einer marktbeherr­schen­den Stellung zu schützen. Dabei bestehen zwischen den Behörden auf den ersten Blick keine Berührungs­punkte – weder die DS-GVO noch das Unionsrecht sehen spezifische Regelungen für eine Zusammenarbeit der Behörden vor. Allerdings bestehen auch keine Bestimmungen in der DS-GVO, die den Wettbewerbsbehörden eine Prüfung der Verordnung verbieten.
 
Im hiesigen Fall hat die deutsche Wettbewerbsbehörde zudem gerade zur Feststellung des Marktmachtmiss­brauchs durch Meta die Einhaltung der DS-GVO geprüft. Stellt die Behörde – wie hier das BKartA – solche Erwägungen in seine Prüfung mit ein, trete sie nach Auffassung des EuGH nicht an die Stelle der Aufsichts­behörde. Sie nehme insbesondere keine Aufgaben wahr, die der Aufsichtsbehörde vorbehalten sind und greife auch nicht in die Befugnisse der Aufsichtsbehörde ein. Gleichzeitig benannten die Richter aber auch die Gefahr von Divergenzen zwischen den Behörden in Bezug auf die Auslegung der DS-GVO. Daher sei es wichtig, dass das BKartA den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV ausreichend berücksichtigt. 


Wirksame Datenverarbeitung bei marktbeherrschender Stellung?

Das BKartA sah eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung des Meta-Konzerns auf dem deutschen Markt; insbesondere die Praxis von Meta, die Daten der Nutzer nicht nur auf Facebook selbst, sondern auch außerhalb des sozialen Netzwerks zu sammeln, war dabei besonders missbräuchlich. Dabei handelt es sich um Daten über den Aufruf dritter Websites und Apps sowie um Daten, die bei den Tochter­firmen des Meta-Konzerns erhoben (WhatsApp und Instagram) und mit den Nutzerprofilen verknüpft werden. Dieses Vorgehen räumt dem Meta-Konzern einen großen Einflussbereich ein, welcher nach Ansicht des BKartA dazu geeignet ist, die Wahlfreiheit der Nutzer hinsichtlich ihrer Einwilligung in die Datenverarbeitung zu beein­flussen, sodass sie faktisch nicht mehr als freiwillig erachtet werden könne. 
 

Wie es weitergeht

Unter Beachtung der Ausführungen des EuGH muss nun das OLG Düsseldorf den Rechtsstreit entscheiden. Schon vor der Veröffentlichung der EuGH-Entscheidung hatte das BKartA darüber informiert, dass Meta und das Bundeskartellamt Gespräche über die Umsetzung des Beschlusses vom Februar 2019 führen (siehe Bundeskartellamt – Homepage – Meta (Facebook) führt neue Kontenübersicht ein – wichtiger Schritt zur Umsetzung der Entscheidung des Bundeskartellamtes). Mit Einführung der Kontenübersicht hat Meta nach Auffassung des BKartA hierfür bereits „wesentliche Voraussetzungen” geschaffen.
 

Mit dem wichtigen Urteil stärkt der EuGH die Position der Kartellbehörden gegenüber der Digitalwirtschaft, in der Daten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sind. Der Präsident des BKartA, Andreas Mundt, wertete das Urteil des EuGH dementsprechend bereits als „hervorragendes Signal”. Es verdeutliche, dass der Zugang zu personenbezogenen Daten und die Möglichkeit ihrer Verarbeitung zu einem bedeutenden Parameter des Wett­bewerbs zwischen Unternehmen der digitalen Wirtschaft geworden sind. Insbesondere zeige es, dass Synergien zwischen dem Kartellrecht und dem Datenschutzrecht existieren, die künftig zu häufigerer Zusammenarbeit zwischen der Wettbewerbsbehörde und der Aufsichtsbehörde führen werden.  

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