Neuerungen durch den Corporate Governance Kodex 2019

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veröffentlicht am 4. September 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Am 9. Mai 2019 hat die Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex” einen aktualisierten Entwurf des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschlossen. Die neue Fassung soll den seit dem 7. Februar 2017 geltenden DCGK ablösen. Die Erstellung des neuen DCGK gestaltete sich als langwierig; bereits im November 2018 wurde ein erster Entwurf ver­öffentlicht, der jedoch auf heftige Kritik aus Wissenschaft und Praxis stieß. Die Regierungs­komm­ission sah sich dadurch veranlasst, den ersten Entwurf zu überarbeiten.

   


Die Veröffentlichung des neuen DCGK im Bundesanzeiger wird jedoch noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, da die Regierungskommission auf die Umsetzung der 2. Aktionärsrechterichtlinie (2. ARRL) in nationales Recht wartet, die insbesondere Regelungen zur Vergütung der Vorstände und Aufsichtsräte beinhaltet. Mit der Um­setzung des Gesetzes zur Umsetzung der 2. Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist jedoch nicht vor Anfang November 2019 zu rechnen. Es könnten folglich noch kleinere Änderungen im Bereich der Vorstandsvergütung erfolgen – allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sich an dessen Grundprinzipien etwas ändern wird.

 

Strukturelle Änderung des Kodex

Der prinzipielle Aufbau des DCGK 2017 war v.a. an den Organen der Aktiengesellschaft orientiert und wies ihnen entsprechende Aufgaben zu bzw. spezifizierte die bereits gesetzlich zugewiesenen. Nun orientiert sich der DCGK 2019 an den Aufgaben selbst, was sich auch in der neuen Gliederung des Kodex spiegelt:

  • Leitung und Überwachung
  • Besetzung des Vorstands
  • Zusammensetzung des Aufsichtsrats
  • Arbeitsweise des Aufsichtsrats
  • Interessenkonflikte
  • Transparenz und externe Berichterstattung
  • Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat

 

Des Weiteren war die bisherige Struktur des Kodex durch ausführliche Wiederholungen der entsprechenden Normen des Aktiengesetzes gekennzeichnet, worauf der DCGK 2019 nunmehr komplett verzichtet. Der DCGK 2019 arbeitet mit Grundsätzen sowie weiterhin mit Empfehlungen und Anregungen. Die Grundsätze sollen über die rechtlichen Hintergründe informieren und der Herleitung der Empfehlungen und Anregungen dienen. Von den Empfehlungen kann nach wie vor abgewichen werden, allerdings muss die Abweichung offengelegt und begründet werden („comply or explain”).

 

Vergütungssystem des Vorstands

Der ursprüngliche Entwurf des DCGK 2019 empfahl die langfristige variable Vergütung von Vorständen aus­schließlich in Aktien zu gewähren. Das wurde zwischenzeitlich abgemildert, nach harscher Kritik aus der Praxis. Es wird empfohlen, die langfristigen variablen Vergütungsbeträge überwiegend in Aktien der Gesellschaft oder aktienbasiert zu gewähren.

 

Weitere Neuerungen bei der Vorstandsvergütung stellen u.a. dar:

  • Bei der variablen Vergütung des Vorstands soll nun der langfristige variable den kurzfristigen variablen Vergütungsbestandteil übersteigen (G.6).
  • Auf pauschalierte Auszahlungen der noch offenen variablen Vorstandsvergütung beim Ausscheiden des Vorstands soll verzichtet werden. Vielmehr sollen diese Vergütungsbestandteile zu den im Anstellungs­vertrag vereinbarten Zeitpunkten ausbezahlt werden (G.12).
  • Auf sog. „Change-of-Control Klauseln” wird verzichtet, wodurch der Vorstand nicht mehr berechtigt sein soll, seinen Anstellungsvertrag vorzeitig zu beenden, wenn der Hauptaktionär der Gesellschaft wechselt (G.14).

 

Ein weiterer – bei der Erstellung von Vorstandsanstellungsverträgen zu berücksichtigender – Punkt ist die Empfehlung zu sog. „Claw-Back Klauseln” (G11).

 

Bei Claw-Back-Klauseln handelt es sich um Regelungen in Vorstandsanstellungsverträgen, die es der Gesell­schaft erlauben, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern, die bereits an das Vorstands­mitglied ausgezahlt wurden. Bisher finden Claw-Back-Klauseln vornehmlich bei Kreditinstituten Anwendung, da sie durch die Institutsvergütungsordnung (IVV) verpflichtet sind u.a. die Möglichkeit der Rückforderung von variablen Vergütungen von Angestellten, die als Risikoträger i.S.d. IVV zu qualifizieren sind, in deren Anstellungs­verträgen aufzunehmen.

 

In der Praxis finden sich aktuell vier Arten von Claw-Back-Klauseln:

  • Ein Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds führt zu einem Rückforderungsanspruch.
  • Eine fehlerhafte Berechnung des variablen Vergütungsbestandteils führt zu einem Rückforderungsanspruch.
  • Bonus-Malus-Systeme, bei denen ausbezahlte Boni zurückgefordert werden können, sofern sich nach Ablauf eines Referenzzeitraums herausstellt, dass die vereinbarten Ziele nicht erreicht wurden.
  • Ergänzung des obigen Bonus-Malus-Systems dahingehend, dass trotz Zielerreichung im Referenzzeitraum die variable Vergütung zurückgefordert werden kann, sollte sich die Lage der Gesellschaft anschließend noch verschlechtern.
     

Da künftig wohl auch beim Vergütungsbericht gemäß § 120a Abs.1 Nr. 4 AktG-E die Hauptversammlung börsen­notierter Aktiengesellschaften explizit über die Implementierung von Claw-Back-Klauseln zu informieren ist, kann von einem Einzug dieser Klauseln in der Praxis ausgegangen werden.
 

Stärkung des Aufsichtsrats

Auch die Tendenz, die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats zu verstärken setzt sich fort. Zum einen werden nun konkrete Indikatoren an die Hand gegeben, in welchen Fällen die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats­mitglieds fraglich erscheint (C.7). Hierunter fallen v.a., ob das Aufsichtsratsmitglied in den zwei Jahren vor seiner Ernennung Mitglied des Vorstands der Gesellschaft war und etwa ob das Aufsichtsratsmitglied aktuell oder in dem Jahr bis zu seiner Ernennung direkt bzw. als Gesellschafter oder in verantwortlicher Funktion eines konzernfremden Unternehmens eine wesentliche geschäftliche Beziehung mit der Gesellschaft/einem von ihr abhängigen Unternehmen unterhält oder unterhalten hat (z.B. als Kunde, Lieferant, Kreditgeber oder Berater).

 

Zum anderen sollen die Fähigkeiten der Aufsichtsratsmitglieder, ihre Kontrollaufgaben tatsächlich wahrnehmen zu können, durch konstante Fort- und Weiterbildungen ausgebaut werden (D.12).


Erklärung zum DCGK

Schließlich wurde auch die Information der Öffentlichkeit über die Umsetzung des DCGK angepasst. Bisher sah der DCGK 2017 eine separate Entsprechungserklärung vor. Da jedoch bereits heute in der Praxis großteils hierauf verzichtet und die Entsprechungserklärung als Teil der „Erklärung zur Unternehmens­führung” im Lagebericht aufgenommen wird, trägt dem nun auch der DCGK 2019 Rechnung – auf eine separate Entsprech­ungserklärung wird verzichtet.


Fazit

Die Überarbeitung des DCGK ist zu begrüßen und durch das Prinzip der Grundsätze gewinnt der Kodex durchaus an Übersichtlichkeit. Insbesondere die Regelungen zur Vorstandsvergütung können allerdings nur im Zusam­men­spiel mit den Neuerungen des ARUG II betrachtet werden.

 

Für eine börsennotierte Gesellschaft bedeutet das, das aktuelle Vorstandsvergütungssystem dahingehend zu prüfen, ob es den Anforderungen entspricht, die aus ARUG II und dem DCGK resultieren, das Vergütungs­system ggf. entsprechend anzupassen und das auch in den Vorstandanstellungsverträgen zu berücksichtigen.

 

Die Aufsichtsräte von börsennotierten Gesellschaften sollten für sich ab dem Jahr 2020 ein Fort- und Weiter­bildungssystem entwickeln, um den einschlägigen Regelungen des DCGK 2019 zu entsprechen.

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