Steuerliche Aspekte von Work Mobility und Fernarbeit: Klarstellungen der italienischen Steuerbehörde

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veröffentlicht am 28. September 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Mit dem Rundschreiben Nr. 25/E vom 18. August 2023 veröffentlicht die italienische Finanzverwaltung Erläuterungen zur Besteuerung von Fernarbeit (sog. Smart Working). Es enhält zudem einige Erläuterungen zu den Neuerungen, die durch das Gesetz Nr. 83 vom 13. Juni 2023 zur Ratifizierung des Abkommens zwischen der Italienischen Republik und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Besteuerung von Grenzgängern und zur Ratifizierung des Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den beiden Ländern.

 
 

Teil 1: Ermittlung und Lösung von Auslegungszweifeln bei Steuervorschriften

Der erste Teil der Arbeitshilfe befasst sich mit der Ermittlung und Lösung von Auslegungszweifeln bei Steuer­vorschriften, die durch die zunehmende Mobilität von Arbeitnehmern entstehen. Das Aufkommen von Fern­arbeits­verhält­nissen, bei denen eine Trennung zwischen dem Ort, an dem die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird, dem Wohnsitzstaat und dem Ort, an dem die Auswirkungen der Arbeit eintreten, möglich ist, macht die Bestimmung der anwendbaren Steuervorschriften zweifellos komplexer.
  
Zunächst wird die Wechselwirkung zwischen dem Begriff des steuerlichen Wohnsitzes gemäß Artikel 2 T.U.I.R.[1] und dem Smart Working untersucht. Die Steuerbehörde bestätigen die These, dass trotz der zunehmenden Nutzung von Telearbeit im Wesentlichen die Bestimmungen von Artikel 2 weiterhin gelten. Die Art und Weise, wie die Arbeit verrichtet wird, hat keinen Einfluss auf die Bestimmung des steuerlichen Wohnsitzes. In diesem Sinne führt das Finanzamt einige Beispiele an, um zu veranschaulichen, wie die bereits bekannten Kriterien für die Verbindung mit Italien (Eintragung in das Melderegister, gewöhnlicher Aufenthalt oder Wohnsitz) weiterhin anwendbar sind, wenn man sich dafür entscheidet, über Smart Working zu arbeiten. 
  
Nehmen wir den Fall eines ausländischen Staatsangehörigen, der nicht im Einwohnermelderegister eingetragen ist, von Italien aus für einen ausländischen Arbeitgeber durch Smart Working arbeitet und sich den größten Teil des Jahres zusammen mit seinem Ehepartner und seinen Kindern in einer Wohnung in Italien aufhält. In einem solchen Fall ist die Finanzverwaltung der Auffassung, dass die Person den Schwerpunkt seiner persönlichen und emotionalen (familiären) Beziehungen und seinen gewöhnlichen Aufenthalt für den größten Teil des Besteu­erungszeitraums in Italien beibehält. Die Person hat somit ihren steuerlichen Wohnsitz in Italien begründet.

Die Annahme, dass die Modalität der Fernarbeit an sich keinen Einfluss auf die Bestimmung des steuerlichen Wohnsitzes hat, ist auch für die Anwendbarkeit der günstigen Steuerregelung für sog. „Impatriate“ –Arbeit­nehmer gemäß Artikel 16 des Gesetzesdekrets Nr. 147 vom 14. September 2015 relevant. Voraussetzung für diese steuerliche Behandlung ist, dass die Person ihren steuerlichen Wohnsitz nach Italien verlegt, nachdem sie ihn mindestens zwei Jahre lang in einem ausländischen Staat beibehalten hat. Konkret werden die Be­günstigten dieser Regelung nur mit 30 Prozent (unter bestimmten Umständen auf 10 Prozent ermäßigt) des „in Italien erzielten“ Gesamteinkommens besteuert. Das Finanzamt geht davon aus, dass zu den im Inland erzielten Einkünften im Sinne von Artikel 23 T.U.I.R., auf die die Steuerbefreiung anzuwenden ist, auch die Einkünfte aus Smart Working gehören, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber im Ausland ansässig ist oder nicht.

Die bisherigen Ausführungen zum innerstaatlichen Recht sind mit den Bestimmungen der von Italien aus­gehandelten bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen abzustimmen: Gerade bei Smart Working, das häufig zwei oder mehr Rechtsordnungen betrifft, ist die Frage der Anwendung des Abkommensrechts von besonderer Relevanz. Daher werden die Bestimmungen des OECD-Musterabkommens zur Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in Bezug auf 
  • Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Artikel 15), 
  • Gewerbebetrieb (Artikel 7), 
  • Einkünfte aus einer Betriebsstätte (Artikel 5) und 
  • Einkünfte aus freier selbständiger Arbeit (Artikel 14), wie sie in den von Italien abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt sind, untersucht[2] .
  
Hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sieht Art. 15 (1) die ausschließliche Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen vor, es sei denn, diese Einkünfte werden in einem anderen Vertragsstaat erzielt; in dem Fall werden diese Einkünfte unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen in beiden Staaten gleichzeitig besteuert.
  
Nach Auffassung der Finanzverwaltung besteht der Grundgedanke dieser Bestimmung darin, dass die Arbeit als an dem Ort ausgeübt gilt, an dem der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ausübung der Arbeit physisch anwesend ist, unabhängig davon, ob die Manifestation dieser Arbeit Ergebnisse und Auswirkungen im anderen Vertragsstaat hat. Daraus folgt, dass, wenn eine gebietsfremde Person in Italien für einen Zeitraum von mehr als 183 Tagen arbeitet, die Einkünfte aus der in unserem Land ausgeübten Tätigkeit hier besteuert werden. Es wird außerdem präzisiert, dass „weder der Umstand, dass der Arbeitnehmer sich ohne die Smart Working-Verein­barung physisch zu den Räumlichkeiten des Unternehmens im Staat X begeben müsste, noch der mögliche erzwungene Ursprung der Niederlassung aufgrund von Bewegungseinschränkungen relevant sind“.
  
Für die Anerkennung einer Betriebsstätte oder einer festen Niederlassung gelten die bisher analysierten Überlegungen: Ähnlich wie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wird nicht davon ausgegangen, „dass das Smart Working die traditionellen Kriterien für die Zuweisung der Besteuerungsbefugnis, wie sie in den Bestimmungen der Artikel 7 und 14 des OECD-Musterabkommens festgelegt sind, ändert“. Die Voraus­setzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte gelten demnach als erfüllt, wenn eine natürliche Person in Italien eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit im Wege des Smart Working ausübt.
 

Teil 2: Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Grenzgängern

Im zweiten Teil der Arbeitshilfe werden die Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Grenzgängern behandelt. Die internationalen Abkommen, die Italien mit seinen Nachbarländern abgeschlossen hat, d.h. die bilateralen Abkommen zwischen Italien und den Staaten Frankreich, Österreich und San Marino, verweisen für die Definition des Grenzgängers, der die Regelung in Anspruch nehmen kann, auf das nationale Recht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung[3]  ist ein in Italien ansässigen Arbeitnehmer dann als Grenzgängerin oder Grenzgänger zu qualifizieren, wenn er oder sie sich täglich in die Grenzländer begibt, um seine Tätigkeit auszuüben. Das Erfordernis der täglichen Reise in den anderen Staat wird als notwendig, aber nicht als aus­reichend angesehen. Die Erbringung von Smart Working in Italien für einen im Grenzstaat ansässigen Arbeit­geber führt nicht zum Grenzgängerstatus, da keine physische Bewegung der Person von einer Seite der Grenze zur anderen stattfindet.
  
Das am 23. Dezember 2020 unterzeichnete und durch das Gesetz Nr. 83 vom 13. Juni 2023 ratifizierte Abkom­men zwischen Italien und der Schweiz stellt hingegen eine Ausnahme dar. Es soll das frühere Abkommen von 1974 ersetzen, tritt am 1. Januar 2024 in Kraft und legt unter[4]  fest, dass „der Status des Grenzgängers nicht erlischt, wenn die Person aus beruflichen Gründen während höchstens 45 Tagen im Kalenderjahr, Urlaubs- und Krankheitstage ausgenommen, nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt“. Diese Bestimmung gilt für alle Grenz­gänger und stellt eine wichtige Öffnung in Richtung auf eine – wenn auch zeitlich begrenzte – berufliche Mobilität dar, ohne dass dadurch das Recht auf Inanspruchnahme der Grenzgängerregelung verloren geht, die ihrerseits durch das neue Abkommen mit der Einführung der gleichzeitigen Besteuerung im Herkunfts- und Wohnsitzland geändert wurde.
  


[1] Präsidialerlass Nr. 917/1986, Konsolidiertes Einkommensteuergesetz.
 
[2] Obwohl er aus dem OECD-Musterabkommen 2020 gestrichen wurde, ist Artikel 14 derzeit in den von Italien geschlossenen Übereinkommen enthalten.
 
[3] Circolari dell'Agenzia delle entrate Nr. 1 vom 3. Januar 2001, Absatz 1.2.2, Nr. 15/E vom 1. Februar 2002, Absatz 13, und Nr. 2/E vom 15. Januar 2003, Absatz 9.  
 
[4] Protokoll zum Abkommen, Abs. 2

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