Rechnungslegung im deutschen Mittelstand: Besonderheiten für internationale Investoren

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zuletzt aktualisiert am 2. Februar 2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten


Investoren stehen bei ihren Transaktionsvorhaben vor vielen Heraus­forde­rungen. Bei mittelständischen Zielunternehmen in Deutschland gehört dazu oft auch das Ver­ständnis von Jahres­abschlüssen, wenn sie – wie meistens – nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) erstellt sind. Die deutsche Rechnungslegung unterscheidet sich wesentlich von den internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards – IFRS), die Auswertung und Interpretation von Jahres­abschlüssen im Rahmen einer Due Diligence dementsprechend ebenfalls. Zur Vermeidung von Fehlinformationen, insbesondere bei Zeit- sowie Betriebsvergleichen und – daraus folgend – ggf. unzutreffenden Kaufpreisableitungen holen sich Kaufinte­ressenten zur Analyse von historischen und ggf. prospektiven Finanzinformationen i.d.R. extern fachliche Unterstützung ein.


Der zentrale Unterschied zwischen HGB und IFRS liegt bereits in der Zielsetzung und Funktion des Jahres­abschlusses. Während sich der Jahresabschluss nach HGB auf den Schutz der Gläubiger (u.a. mittels Prinzip einer vorsichtigen, tendenziell reservebildenden Bilanzierung) und die Dokumentation fokussiert, zur Bemessung von Ausschüttungen dient und teilweise auch für die Ermittlung von Steuern maßgeblich ist, zielen die IFRS im Wesentlichen auf die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen an Investoren und Gläubiger. Auch wenn das HGB immer wieder reformiert worden ist – zuletzt durch das Bilanzrichtlinien­umsetzungsgesetz (BilRUG) mit Wirkung ab 1. Januar 2016 – blieben diese grundlegenden Zielsetzungen unverändert.


Besonderheiten im Bilanzierungsverhalten mittelständischer Unternehmen

Wegen der Maßgeblichkeit von Jahresabschlussposten für die Steuerbemessung bilanzieren insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) häufig mit dem Ziel der steuerlichen Optimierung. Handels­rechtliche Ermessensspielräume werden zu diesem Zweck häufig unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte genutzt. Das führt dazu, dass der handelsrechtliche Abschluss – je nach wirtschaftlicher Situation des Unternehmens – oftmals ein schlechteres Bild des Unternehmens vermittelt als er müsste.


Besonderheiten In der Darstellung von Jahresabschlüssen nach HGB

Die in Deutschland stark überwiegend verwendete Gliederung der Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nach dem kostenartenorientierten Gesamtkostenverfahren erschwert ausländischen Investoren häufig die gewohnten Analysen, soweit sie sich am international gebräuchlichen, kostenstellenorientierten Umsatzkostenverfahren ausrichten. Dabei kann die Unterstützung bei der Interpretation oder Überleitung durch einen deutschen Berater besonders wertvoll sein.

Zudem unterscheidet sich die Definition der Umsatzerlöse nach HGB von der nach IFRS: Nach IFRS zählen hierzu lediglich Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens typischen Erzeugnissen und Waren sowie aus von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens typischen Dienstleistungen. Nach HGB zählen sämtliche Erlöse aus Produkten und Dienstleistungen dazu, unabhängig von deren Bezug zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens – bspw. auch Erlöse aus Verwaltungsumlagen, Kantinenleistungen oder Schrottverkäufen. Diesem Unterschied folgt ein unterschiedlicher Ausweis korrespondierender Aufwendungen, unter den Material­aufwen­dungen, soweit ein Bezug zu den Umsatzerlösen besteht bzw. ansonsten z.B. unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Für die Analyse der Aufwands­struktur, insbesondere der Abgrenzung nicht operativer Aufwendungen, kann das von großer Bedeutung sein.

Längst ist auch Leasing als Finanzierungsform im Mittelstand angekommen. Während der Leasingnehmer nach IFRS mittlerweile stets ein Nutzungsrecht am geleasten Gegenstand bilanzieren muss, lässt sich Leasing nach HGB mittels entsprechender Gestaltung des Leasingvertrags (wirtschaftliches Eigentum beim Leasinggeber) off-balance-sheet darstellen. Das Finanzierungssubstitut Leasing muss dann im Jahresabschluss nach HGB erst in der Analyse aufgedeckt werden und Erfolgskennziffern der GuV (insbesondere EBITDA und EBIT) müssen i.d.R. bereinigt werden.


Auch die weite Verbreitung betrieblicher Pensionszusagen, die im Gegensatz zur international üblichen Handhabung in Deutschland vielfach nicht rückgedeckt oder auf eine andere Gesellschaft ausgelagert sind, stellt ausländische Investoren vor besondere zivil-, insolvenz- und steuerrechtliche Fragen. Zusätzlich unterscheidet sich die bilanzielle Bewertung von Pensionsverpflichtungen z.B. durch die Anwendung unterschiedlicher Zinssätze nach Handels- und Steuerrecht deutlich, aber auch im Vergleich zur Bewertung nach IFRS.

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