Unternehmensbewertung in China: Kaufpreis mit chinesischen Eigenheiten

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veröffentlicht am 16. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Der chinesische Markt stellt aus­ländische Erwerber und Investoren bei der Be­wertung eines chinesischen Ziel­unter­nehmens vor spezielle Heraus­forderungen. Sie ergeben sich aus dem weiter­hin speziellen geschäft­lichen, kulturellen und politischen Umfeld in China. Die Besonder­heiten im Zusammen­hang mit dem chinesischen Markt haben dabei das Potenzial, sich direkt auf die Qualität der Bewertung des Ziel­unternehmens auszuwirken. Der folgende Bei­trag geht auf die in China üblichen Bewertungs­metho­den und die dabei zu beachtenden chinesischen Besonder­heiten ein.



Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Bewertungsmethoden in China nicht grundlegend von den M&A-Bewertungsmethoden, die allgemein in europäischen Volkswirtschaften oder den USA angewendet werden. In China sind derzeit drei wesentliche Bewertungsansätze für Unternehmensbewertungen verbreitet: der vermögensbasierte Ansatz, der Einkommensansatz und der Marktansatz.


Die Bewertung bei chinesischen M&A-Transaktionen

Im Detail werden bei M&A-Transaktionen in China für die Einschätzung des Kaufpreises, den ein Unternehmen wert ist, hauptsächlich die folgenden Bewertungsmethoden angewendet:


DCF-Methode

Wie in anderen Volkswirtschaften berücksichtigt die Discounted-Cashflow-Methode sowohl den künftigen freien Cashflow als auch den Restwert eines Unternehmens. Auf den Punkt gebracht: Je mehr freien Cashflow ein Unternehmen erwirtschaftet, desto größer ist die Bereitschaft eines Investors, mehr für ein solches Unternehmen zu zahlen. Der voraussichtliche Betrag, den ein Investor aus einer Investition erhalten würde, wird um den Zeitwert des Geldes bereinigt, indem der freie Cashflow mit den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) abgezinst wird.


Multiples Umsatzverfahren

Die Methode gehört ebenfalls zu den gebräuchlichsten Bewertungsmethoden. Sie besteht darin, den Umsatz des Unternehmens mit einem Branchenmultiplikator zu multiplizieren.


Multiples EBITDA-Verfahren

Bei dem Verfahren wird der Wert eines Unternehmens durch Multiplikation seines EBITDA mit einem Multipli­kator ermittelt, der je nach Branche, in der das Unternehmen tätig ist, oder auf Basis der Besonderheiten eines solchen Unternehmens variiert.

Die Herausforderungen bei den drei Methoden sind jedoch nach wie vor vielfältig. Zu berücksichtigen sind u.a. die Eigentümerstruktur des Unternehmens (insbesondere wenn es sich um ein staatliches oder börsennotiertes Unternehmen handelt), die Interessen der Stakeholder, der Industriesektor, die Marktanteile, die inländischen Finanzierungsquellen, die Qualität des lokalen Managements und die Lage der Betriebsstätten. Integraler Bestandteil der Bewertung eines chinesischen Unternehmens ist daher auch immer die Durchführung einer entsprechenden Due-Diligence-Prüfung des Zielunternehmens (rechtlich, steuerlich, finanziell, umweltrechtlich und seit Beginn des Jahres 2020 auch im Hinblick auf die Einstufung des chinesischen Unternehmens nach dem Sozialkreditsystem).


Chinesische Eigenheiten

Bei der Bewertung eines chinesischen Unternehmens sind nicht nur die oben genannten Aspekte zu berück­sichtigen, sondern auch verschiedene andere chinesische Besonderheiten, die ein gewisses Verständnis des chinesischen Marktes, der Politik und Kultur erfordern. Erwerber und Investoren können in der chinesischen Praxis u.a. mit den folgenden Herausforderungen konfrontiert sein:


Beschränkter Zugang zu bestimmten Industrien

Ausländische Investitionen sind immer noch nicht in allen chinesischen Industriebranchen möglich. Industrien und Dienstleistungssektoren, in denen ausländische Investitionen verboten oder beschränkt sind, werden durch die sog. Negativliste für den Zugang ausländischer Investitionen festgelegt. In der neuesten Ausgabe der Negativliste vom Sommer 2020 sind noch 33 Industriesektoren aufgeführt, die für ausländische Investoren verboten oder eingeschränkt zugänglich sind. In Bezug auf ausländische Investitionen in chinesischen Freihandelszonen bestehen noch 30 Industriesektoren, die für ausländische Investitionen verboten oder eingeschränkt sind.


Anwendung der richtigen Multiplikatoren

In der Praxis ist der Wert börsennotierter Unternehmen normalerweise höher als der von nicht börsennotierten Unternehmen. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Der Grund dafür sind die strengen Voraussetzungen für einen IPO in China. Ist ein Unternehmen aber erst einmal gelistet, steigt der Aktienkurs unabhängig vom tatsächlichen Geschäft des Unternehmens alleine aufgrund der Handelbarkeit seiner Aktien am Markt.


Übernahme staatseigener Unternehmen

Wenn staatseigene Vermögenswerte an einer M&A-Transaktion beteiligt sind, entweder als Share- oder Asset-Deal, sollte der Preis für die Übernahme im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften für die Verwaltung staatseigener Vermögenswerte festgelegt werden. Der Kaufpreis sollte nicht niedriger sein als der Schätzwert der entsprechenden Beteiligung oder der Vermögenswerte des Zielunternehmens, wie er im Bewertungsbericht eines zertifizierten Bewertungsinstituts angegeben ist.


Mangel an Informationen

Bei der Bewertung chinesischer Unternehmen kann die Betrachtung künftiger Gewinne und des Cashflows in der Vergangenheit zu einer Herausforderung werden, da viele chinesische Unternehmen im Allgemeinen keine zuverlässige Dokumentation ihrer freien Cash-Flow-Generierung und Rentabilität führen.


Übliche Ergebnisse der Due-Diligence-Prüfung

Im Verlauf einer Due-Diligence-Prüfung werden i.d.R. verschiedene Sachverhalte festgestellt, die direkte Auswirkungen auf den künftigen Cashflow eines chinesischen Unternehmens und seiner Rentabilität sowie damit auf seinen Wert haben. Die nicht genügende Zahlung von Körperschaftssteuer, Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen für das Personal eines Unternehmens, Fehlen von oder nicht ordnungsgemäße Rechtstitel in Bezug auf Landnutzungsrechte an Gebäuden, fehlende Genehmigungen und Lizenzen sind nur einige Beispiele für die häufigsten Feststellungen bei einer Due Diligence.


Big Brother is watching you – Auswirkungen des chinesischen Sozialkreditsystems

Abgesehen von finanziellen oder marktbezogenen Überlegungen kann das neu eingeführte Sozialkreditsystem (SCS) einen erheblichen Einfluss auf den Wert eines Unternehmens haben. Das Ziel des SCS ist es, ein chinesisches Unternehmen als zuverlässig oder unzuverlässig zu definieren. Zu dem Zweck werden beim SCS Daten über das Verhalten von Unternehmen sowohl von Regierungsbehörden als auch von privaten Unter­nehmen gesammelt. Auf der Grundlage solcher Daten werden Unternehmen als vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig eingestuft. Ein wichtiges Wesensmerkmal des SCS ist auch, dass es sich negativ auf die Bewertung eines Unternehmens auswirkt, wenn es Geschäftsbeziehungen zu einem nicht vertrauenswürdigen Unternehmen unterhält. Daher müssen bestehende Geschäftsbeziehungen überprüft werden. Geschäfts­bezieh­ungen zu nicht vertrauens­würdigen Geschäftspartnern sollten im Zweifelsfall aufgegeben werden, was z.B. direkte Auswirkungen auf die Lieferkette eines Unternehmens haben kann.


Fazit

Ausländische Erwerber und Investoren sollten sich bei der Bewertung eines chinesischen Unternehmens nicht nur auf die gängigen Bewertungsmethoden, die mehr oder weniger mit den aus anderen hochindustrialisierten Volkswirtschaften bekannten Methoden übereinstimmen, konzentrieren und sich auf sie stützen, sondern sich auch auf die Eigenheiten des chinesischen Marktes konzentrieren, und zwar nicht nur aus finanzieller und kommerzieller Sicht, sondern auch im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen, die chinesische Politik sowie die chinesische Kultur und Sitten.

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