Die Revolution der internationalen Besteuerung

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veröffentlicht am 8. April 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die OECD erörtert gegenwärtig mit Hochdruck die Neuordnung der Regeln für die internationale Besteuerung von Unternehmen. Auch das deutsche Bundesfinanzminis­terium arbeitet dabei federführend mit. Bis Ende 2020 soll das neue Regelungswerk verabschiedet sein. An den Arbeiten sind über das sog. „Inclusive Framework on BEPS” gegenwärtig 135 Staaten und damit auch viele Nicht-OECD-Staaten beteiligt, was einen möglichst breiten internationalen Konsens sicherstellen soll.


Ausgangspunkt der jüngsten Entwicklung ist einmal mehr die Digitalisierung. Die sog. Marktstaaten, d.h. diejenigen Staaten, in denen Internetunternehmen im weitesten Sinne ihre Geschäfte machen und in denen die sog. Nutzer ansässig sind, sind mit den althergebrachten Regeln zur internationalen Verteilung des Besteue­rungs­substrats nicht mehr einverstanden. Die klassischen, physischen Anknüpfungspunkte für die Besteuerung wie insbesondere das Betriebsstättenkonzept versagen bei solchen Unternehmen. Damit die Marktstaaten nicht einseitig zu Maßnahmen greifen, um dennoch einen aus ihrer Sicht angemessenen Teil der Wert­schöpfung besteuern zu können (wie es bei einer Quellensteuer auf digitale Leistungen im weitesten Sinne der Fall wäre), arbeitet die OECD an einem Kompromiss.

Momentan enthält der gegenwärtige Vorschlag zwei Bausteine (sog. „Säulen” ). Einmal die Begründung eines neuen Besteuerungsrechts für digitale Leistungen und gewissermaßen als Kompensation das Recht der klassischen Industrienationen und Ansässigkeitsstaaten, im Ausland erzielte Einkünfte der Besteuerung unterwerfen zu dürfen, wenn der Steuersatz im Ausland unter ein gewisses Niveau sinkt. Die jetzt vorliegenden Vorschläge gehen allerdings weit über Unternehmen der Digitalwirtschaft hinaus, da sie jede Art von Unternehmen erfassen.


Säule 1: Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen

Im Oktober 2019 hat die OECD den sog. „Einheitlichen Ansatz” („Unified Approach”) zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen erstmal im Detail vorgestellt. Er soll große, verbraucherorien­tierte Unternehmen erfassen und eine Besteuerung im Marktstaat auch dann ermöglichen, wenn keine greifbare physische Präsenz betrieben wird. Eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Markt­staaten soll dabei durch neue Gewinnzuweisungsregeln, die über das Fremdvergleichsprinzip hinausgehen, erreicht werden. Der OECD-Ansatz soll die Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen erhöhen und aus einem dreiteiligen Mechanismus bestehen.

Die erste Stufe, der sog. „Amount A”, stellt die zentrale Reaktion auf die Herausforderungen der Digitalisierung dar und soll Quellen- und Marktstaaten zusätzliche Besteuerungsrechte zuweisen. Das soll durch eine formelhafte Aufteilung von Unternehmensgewinnen erfolgen, sofern der Konzern noch zu definierende konzern- und länderspezifische Umsatzschwellen überschreitet.

Steuerlicher Anknüpfungspunkt für das neue Besteuerungsrecht soll der Umsatz als Indikator für eine signifikante wirtschaftliche Tätigkeit im Marktstaat sein. Bei der zweiten Stufe, dem sog. „Amount B”, sollen die Quellenstaaten, also solche Staaten in denen eine physische Präsenz im Sinne einer Betriebsstätte oder einer Tochtergesellschaft betrieben wird, eine feste Vergütung für sog. Basisaktivitäten erhalten. Im Fokus stehen dabei v.a. Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Sofern die Niederlassungen im Quellenstaat über die Basisaktivitäten hinaus Funktionen ausüben und Risiken tragen, soll den Quellenstaaten durch einen „Amount C” auf der dritten Stufe ermöglicht werden, zusätzliche Besteuerungsrechte an sich zu ziehen. Streitigkeiten soll durch verbindliche und wirksame Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen, die sich auf alle Elemente des OECD-Vorschlags beziehen, begegnet werden.


Säule 2: Globale effektive Mindestbesteuerung

Die globale Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen, soll durch zwei miteinander verbundene Maßnahmen sichergestellt werden. Erstens eine Ausweitung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungs­besteuerung („Income Inclusion Rule”) sowie zweitens durch eine Begrenzung bzw. das Verbot des Betriebs­ausgabenabzugs, wenn ein effektives Mindestbesteuerungsniveau unterschritten wird („Undertaxed Payments Rule”).

Die Auswirkungen der Maßnahmen auf die einzelnen Staaten und die Steuerbelastung der Unternehmen werden signifikant davon abhängen, wie das effektive Steuerniveau vor der Einführung der neuen Regeln war und welches globale effektive Mindestbesteuerungsniveau angestrebt wird. Gleichzeitig soll die volle Souveränität von Staaten, Steuersätze festlegen zu können, erhalten bleiben.
 

Fazit

Der Prozess der politischen Willensbildung muss im Hinblick auf die Arbeiten der OECD als völlig offen beschrieben werden. Möglich erscheint durchaus, dass sich die Staaten auch nicht einigen werden. Drei Dinge stehen aus unserer Sicht indes fest: Erstens sind international abgestimmte Regeln besser als ein einseitiges Stückwerk, und zweitens erscheint eine Einigung gegen den Willen der USA weder wahrscheinlich, noch ratsam. Drittens zeichnet sich gegenwärtig ab, dass es die Säulen 1 und 2 nur „im Paket” geben wird.



Bitte beachten Sie:

Die althergebrachten Regeln zur internationalen Verteilung von Besteuerungsrechten werden in Kürze völlig neu gestaltet. Entweder über einen Konsens auf OECD-Ebene oder über unilaterale Maßnahmen der Nationalstaaten. Unternehmen sind gut beraten, bereits vor einem künftigen nationalen Umsetzungsgesetz die Entwicklungen genau zu verfolgen, um rechtzeitig reagieren zu können. Ein deutsches Umsetzungsgesetz wird jedoch vermutlich erst im Laufe des Jahres 2021 vorliegen.
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