IFRS 19 veröffentlicht: IASB ermöglicht reduzierte Angabepflichten für Toch­ter­unter­​nehmen ohne eigene öffentliche Rechenschaftspflicht​

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 4. Juni 2024 | Lesedauer ca. ​​4 Minuten

  

Am 9. Mai 2024 hat das International Accounting Standard Board (IASB) den Rechnungslegungsstandard IF​​RS 19 Subsidiaries without Public Accountability: Disclosures veröffentlicht. IFRS 19 ermöglicht Tochterunternehmen die Anwendung der IFRS-Rechnungslegungsstandards mit reduzierten Anhangangaben, sofern keine eigene öffentliche Rechenschaftspflicht besteht und das entsprechende Mutter­unter­nehmen einen IFRS-Konzernabschluss veröffentlicht. Ziel des IASB ist die Re­du­zierung der Kosten für die Abschlusserstellung durch eine vereinfachte Bericht­er­stat­tung, ohne die Nützlichkeit der Informationen für die Abschlussadressaten zu schmälern.


Hintergrund​

Das IASB hatte das Projekt, das zur Entstehung von IFRS 19 führte, als Reaktion auf Rückmeldungen zur Agenda­konsultation 2015 in seinen Arbeitsplan aufgenommen. Hierbei wurde der Wunsch geäußert, dass bestimmten Tochterunternehmen die Anwendung der IFRS-Rechnungslegungsstandards mit verringerten Angabepflichten ermöglicht werden sollte. Diese Rückmeldungen gehen auf Schwierigkeiten und Mehraufwand bei der Erstellung von Abschlüssen von Tochterunternehmen zurück, wenn das Mutterunternehmen einen Konzernabschluss nach den IFRS-Rechnungslegungsstandards (sog. „full IFRS“) veröffentlicht, da für die Abschlüsse von Tochterunternehmen – je nach lokalen Gegebenheiten – die Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme in Betracht kommt. Tochtergesellschaften, die lokale Rechnungslegungsstandards (local GAAP) oder die IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen (IFRS for SMEs) anwenden, weisen Unterschiede bei Ansatz und Bewertung zwischen ihren eigenen Abschlüssen und den Werten auf, die für die Konsolidierung und Erstellung des Konzernabschlusses an das Mutterunternehmen berichtet werden. Bei unmittelbarer Anwendung der „full IFRS" im Abschluss eines Tochterunternehmens werden solche Unter­schiede zwar vermieden, jedoch verursacht die Erstellung eines vollständigen IFRS-Anhangs merklichen Aufwand. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, veröffentlichte das IASB einen eigenständigen IFRS-Rechnungslegungsstandard mit reduzierten Offenlegungsanforderungen für bestimmte Unternehmen. Die Pressemitteilung des IASB vom 9. Mai mit Verweisen auf weiterführende Informationen kann auf der Homepage der IFRS Foundation eingesehen werden.

Überblick über die Änderungen durch IFRS 19

IFRS 19 führt wesentliche Erleichterungen für berechtigte Tochterunternehmen ein, die es ihnen erlauben, im Einzel- oder Teilkonzernabschluss die Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften der „full IFRS“ mit deutlich verminderten Angabepflichten anzuwenden. Dadurch können berechtigte Tochterunternehmen grundsätzlich sowohl ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Einzelabschlusses als auch der internen Bericht­erstattung für Konsolidierungszwecke mit einheitlichen Ansatz- und Bewertungsmethoden nachkommen und somit – ohne verschiedene Rechnungslegungssysteme nutzen zu müssen – sowohl den Bedürfnissen des Mutterunternehmens als auch denen der Abschlussadressaten gerecht werden. 

Ein berechtigtes Tochterunternehmen ist ein Unternehmen, das keiner eigenen öffentlichen Rechen­schafts­pflicht unterliegt und dessen oberstes oder zwischengeschaltetes Mutterunternehmen einen vollständigen IFRS-Konzernabschluss veröffentlicht. Ein Tochterunternehmen (i.S.v. IFRS 10 Konzernabschlüsse) unterliegt der öffentlichen Rechenschaftspflicht, wenn 
  • ​dessen Eigenkapital- oder Schuldinstrumente an einem öffentlichen Markt gehandelt werden oder es im Begriff ist, solche Instrumente zum Handel an einem öffentlichen Markt auszugeben, oder
  • es Vermögenswerte treuhänderisch für eine breite Gruppe von Außenstehenden als eines seiner Haupt­geschäfte hält.

Anwendungsbereich und Erstanwendungszeitpunkt​

Ein Unternehmen, das IFRS 19 anwendet, richtet Ansatz-, Bewertung-, und Ausweis nach den Vorschriften der einschlägigen IFRS-Rechnungslegungsstandards mit Ausnahme der Angabevorschriften, die wiederum IFRS 19 als reiner Offenlegungsstandard regelt. IFRS 19 bestimmt reduzierte Angabeerfordernisse für nahezu alle IFRS-Rechnungslegungsstandards, die Angabepflichten enthalten. Für IFRS 8 (Segmentberichterstattung), IFRS 17 (Versicherungsverträge) und IAS 33 (Ergebnis je Aktie) gelten weiterhin die vollständigen Angabepflichten, Erleichterungen nach IFRS 19 sind hier nicht vorgesehen. Dabei gilt es zu bedenken, dass Tochterunternehmen, die zur Anwendung von IFRS 19 berechtigt sind, qua Anwendungsbereich nicht zur Anwendung von IAS 33 oder IFRS 8 verpflichtet sind, dies aber freiwillig – dann unter Beachtung der vollständigen Angabepflichten – tun können. IAS 26 (Bilanzierung und Berichterstattung von Altersversorgungsplänen) ist von Unternehmen anzu­wenden, die einer öffentlichen Rechenschaftspflicht unterliegen und daher die An­wen­dungs­vor­aus­setz­ung­en von IFRS 19 ohnehin nicht erfüllen, sodass hier ebenfalls keine Erleichterungen eintreten. Mit Anwendung von IFRS 19 geht die Verpflichtung zur Abgabe einer ausdrücklichen und uneingeschränkten Erklärung im Anhang einher, dass der Abschluss in Übereinstimmung mit den IFRS-Rechnungslegungsstandards und den Vor­schriften von IFRS 19 erfolgt ist.

IFRS 19 ist freiwillig für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2027 beginnen, anwendbar, wobei eine vorzeitige Anwendung erlaubt ist. Die Anwendung in der EU steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Über­nahme in EU-Recht im Rahmen des sog. Endorsement.

Praxisimplikationen für deutsche Unternehmen

Für deutsche Unternehmen dürfte sich ungeachtet der bislang kaum genutzten Möglichkeit der Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a HGB die Relevanz des IFRS 19 grundsätzlich in Grenzen halten, da deutsche rechnungslegungspflichtige Unternehmen ohnehin stets einen HGB-Einzelabschluss aufzustellen haben und die unmittelbare und ausschließliche Nutzung der „full IFRS“ im Einzelabschluss hier nicht in Betracht kommt. Die vom IASB intendierte maximale Erleichterungswirkung im Falle der gleich­laufenden und ausschließlichen Nutzung der „full IFRS“ im Einzel- und Konzernabschluss kann in Deutschland somit nicht eintreten. Gleichwohl könnten die Erleichterungen des IFRS 19 zu einer Aufwertung des Wahlrechts des § 325 Abs. 2a HGB zur befreienden Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses führen, da die Aufstellung eines „full IFRS“-konformen Einzelabschlusses dadurch erleichtert und somit womöglich attraktiver wird als bislang. Zumindest die Unternehmen, die im Konzernverbund ohnehin nach IFRS an übergeordnete Mutter­unternehmen berichten, könnten vor diesem Hintergrund deutlich einfacher einen „full IFRS“-konformen Einzelabschluss offenlegen und auf diesem Wege Zugang zu möglicherweise präferierten, nach dem An­schaf­fung­kos­ten­prinzip des HGB aber unzulässigen Wertansätzen im offengelegten Einzelabschluss bekommen. Vorstellbar scheint dies etwa hinsichtlich der fair value-Bewertung von Sachanlagen oder von als Finanz­investition gehaltenen Immobilien nach den jeweils möglichen Neubewertungsmodellen von IAS 16 be­zieh­ungs­weise IAS 40 oder auch bestimmter Finanzinstrumente nach IFRS 9 mit entsprechenden Effekten auf den Eigenkapitalausweis und die Bilanzstrukturkennzahlen.

Fazit​

Als reiner Offenlegungsstandard bringt IFRS 19 einige Erleichterungen für bestimmte Tochterunternehmen bei der Erstellung von IFRS-Einzel- oder Teilkonzernabschlüssen mit sich, wenn das jeweilige Mutterunternehmen einen Konzernabschluss im Einklang mit den vollständigen IFRS-Rechnungslegungsstandards erstellt. Die geringeren Anforderungen der Angabevorschriften nach IFRS 19 erleichtern grundsätzlich eine eigene (parallele) externe Berichterstattung nach „full IFRS“ und reduzieren die Kosten für die Abschlusserstellung, ohne dabei die Bedürfnisse des Mutterunternehmens oder die der Abschlussadressaten einzuschränken. Für deutsche Unternehmen scheinen die Anwendungsfälle begrenzt, wenngleich die Erleichterungen des IFRS 19 zu einer Aufwertung des Wahlrechts des § 325 Abs. 2a HGB zur befreienden Offenlegung eines IFRS-Einzel­abschlusses führen könnten. Potentiell betroffene Tochterunternehmen sollten sich vor diesem Hinter­grund zeitnah mit den Regelungen des IFRS 19 auseinandersetzen und die möglichen Erleichterungen frühzeitig analysieren.​
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