Leben und Arbeiten im Vereinigten Königreich nach dem Brexit – Was bislang bekannt ist

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veröffentlicht am 10. Oktober 2018 / Lesedauer ca. 5 Minuten
   

Die aktuellen Rechte von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich und die dementsprechenden Rechte britischer Bürger in der EU waren und sind einer der wesentlichen Diskussionspunkte während der Brexit-Austrittsverhandlungen. Es handelt sich bei diesem Thema, neben der nordirischen Grenzfrage und der Frage, wie viel das Vereinigte Königreich der EU schuldet, um eines der drei wichtigsten „Scheidungsthemen”, die entschieden werden müssen.
 
 

 

Bürgerrechte

Am 21. Juni 2018 hat die britische Regierung weitere Einzelheiten zu ihren Vorschlägen in einer Absichtserklärung über die Bürgerrechte und die Einrichtung eines sogenannten EU-Niederlassungssystems („Statement of Intent on citizens’ rights and the establishment of a so-called EU Settlement Scheme”) bekannt gegeben. So wie alle Aspekte des Brexits würde dies allerdings nur dann in Kraft treten, wenn Großbritannien und die EU ein allgemeines Brexit-Abkommen abschließen. Die aktuellen Vorschläge des britischen Innenministeriums zum EU Niederlassungssystem sehen wie folgt aus:
  • Es wird einen „Einführungszeitraum” geben, der vom Tag des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU am 29. März 2019 bis zum 31. Dezember 2020 dauern wird. Während dieser Zeit wird die Freizügigkeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU fortbestehen und EU-Bürger und deren Familien, die sich rechtmäßig im Vereinigten Königreich aufhalten, werden dies weiterhin tun können.
  • EU-Bürger, die sich zum 31. Dezember 2020 fünf Jahre lang rechtmäßig im Vereinigten Königreich aufgehalten haben werden, können einen „dauerhaften Status” („settled status”) gemäß dem EU-Austritt-Niederlassungssystem beantragen, damit sie sich auf unbegrenzte Zeit im Vereinigten Königreich aufhalten können. Das bedeutet, dass es ihnen frei stehen wird, in Großbritannien zu leben, Zugang zu öffentlichen Mitteln und Dienstleistungen zu erhalten und, in einem weiteren Schritt, die britische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Es wird erwartet, dass das System später in diesem Jahr eingeführt werden und bis zum 31. März 2019 vollständig installiert sein wird.
  • Kinder von EU-Staatsangehörigen, die Anträge gemäß dem EU-Austritt-Niederlassungssystem stellen, werden zeitgleich mit ihren Eltern Anträge stellen können. Kinder von Eltern mit dem EU-Austritt-Status „Dauerhaft” („settled”), die im Vereinigten Königreich geboren werden, werden die britische Staatsangehörigkeit haben.
  • EU-Bürger im Vereinigten Königreich, die am 31. Dezember 2020 weniger als fünf Jahre im Vereinigten Königreich ansässig sein werden, werden berechtigt sein, den „vorläufigen Status”(“pre-settled status”) zu beantragen, bis sie die erforderlichen fünf Jahre erreicht haben, um den „dauerhaften Status” zu erhalten. Solche Personen werden ebenfalls berechtigt sein, weiter zu arbeiten, zu studieren oder selbständig zu sein, und werden für fünf Jahre ab Erlangung des vorläufigen Status denselben Zugang zu öffentlichen Mitteln und Dienstleistungen haben.
  • Familienmitglieder, die bis zum 31. Dezember 2020 mit EU-Bürgern im Vereinigten Königreich leben oder sich diesen anschließen, werden ebenfalls gemäß dem EU-Austritt-Niederlassungssystem antragsberechtigt sein (normalerweise nach fünf Jahren im Vereinigten Königreich). Nahe Familienangehörige (einschließlich Ehegatten, Lebensgefährten, unverheirateter Partner, unterhaltsberechtigter Kinder und Enkelkinder) werden sich EU-Bürgern im Vereinigten Königreich nach dem 31. Dezember 2020 anschließen können, soweit die Beziehung am 31. Dezember 2020 bestand. Alle anderen Familienmitglieder werden nach dem 31. Dezember 2020 vom Schutz ausgeschlossen sein.
  • Die Frist für die Einreichung von Anträgen für den EU-Austritt-Status „Dauerhaft” und „Vorläufig” endet spätestens sechs Monate nach dem 31. Dezember 2020 (30. Juni 2021). Für Familienmitglieder, die sich EU-Bürgern im Vereinigten Königreich anschließen, beträgt die Frist für die Antragstellung drei Monate nach ihrer Ankunft oder spätestens sechs Monate ab dem 31. Dezember 2020, je nachdem, welches der spätere Zeitpunkt ist.
  • Jeder Antragsteller, dessen Antrag auf Erlangung eines Statusgemäß des EU-Austritt-Niederlassungssystems abgelehnt wird, wird weiterhin seine Freizügigkeitsrechte geltend machen können und sein Beschwerderecht gegen jede Einschränkung dieser Rechte vor und nach dem Einführungszeitraum behalten.
  • Das Antragsverfahren wird voraussichtlich ein Online-Antragsverfahren sein, das von jedem Computer, Laptop, Smartphone oder Tablet mit Internetzugang aus zugänglich ist. Es wird erwartet, dass dies weniger beschwerlich sein wird als die Beantragung der dauerhaften Aufenthaltserlaubnis und für Personen ab 16 Jahren GBP 65,00 kosten soll und für Personen unter 16 Jahren 32,50..
  • Ein mit Datum und Unterschrift versehenes Schriftstück eines Arbeitgebers, das die Dauer der Beschäftigung eines EU-Staatsangehörigen bestätigt, ist ein gültiger Nachweis, der die Antragsstellung einer Person untermauert.
  • Zusammengefasst: Personen, die einen gültigen Antrag stellen, wird entweder der Status „Dauerhaft” oder „Vorläufig” zuerkannt, es sei denn:
    • sie waren zum 31. Dezember 2020 nicht im Vereinigten Königreich ansässig oder hatten nicht die oben genannte Familienbeziehung; oder
    • sie werden wegen schwerwiegender strafrechtlicher Verurteilungen oder aus sicherheitsrechtlichen Gründen oder wegen Betrugs abgelehnt.
        

Das vorgeschlagene System findet gegenwärtig keine Anwendung auf Bürger aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, deren Recht, nach dem Brexit im Vereinigten Königreich zu bleiben, noch verhandelt wird. Es ist wahrscheinlich, dass eine Einigung erzielt werden und das System auch auf die Bürger dieser Länder Anwendung finden wird.
 

Was passiert, wenn Großbritannien die EU ohne ein Abkommen verlässt?

Das gesamte Niederlassungssystem muss noch in das britische Recht integriert werden und, wie oben dargestellt, steht unter der Voraussetzung, dass mit der EU ein Gesamtabkommen über die Rechte der Bürger erzielt wird, bei welchem viele Punkte noch verhandelt werden. Jedoch wird eine Bestätigung der britischen Regierung erwartet wonach, selbst wenn kein Abkommen abgeschlossen wird, EU-Bürger und ihre Familien dennoch berechtigt sein werden, gemäß dem Niederlassungssystem im Vereinigten Königreich zu bleiben. Aus im August 2018 durchgesickerten Kabinett-Papieren ergibt sich der Hinweis auf einen Vorschlag der Regierung, sich im Falle eines Brexits ohne ein Abkommen „moralisch großzügig zu zeigen” (“take the moral high ground”) und es EU-Bürgern zu erlauben, im Vereinigten Königreich zu bleiben. Obwohl es sich um keine offizielle Ankündigung handelt und es wenige Details gibt, steht dies in Einklang mit den ministerialen Versprechungen seit dem Referendum: EU-Bürger, die bereits hier sind, werden hier bleiben können. 
 

Immigration in das Vereinigte Königreich

Das Mitte Juli nach dem Treffen der Regierung in Chequers veröffentlichte Weißbuch der britischen Regierung zum Brexit formuliert die Absicht, die Freizügigkeit für Fachkräfte in irgendeiner Form zu bewahren; es gab jedoch bislang keine offizielle Erklärung zu diesen Vorschlägen. 

Eine Andeutung dessen, wie die britische Regierung die Verwaltung der Grenzen des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit sieht, enthielt im September 2017 ein durchgesickertes Papier des Innenministeriums. Einige der wichtigsten Vorschläge waren folgende:
  • Beschränkung der Anzahl der EU-Bürger, die in das Vereinigte Königreich kommen können, um Arbeit als geringqualifizierte Beschäftigte auszuüben;
  • Anforderung an EU-Bürger, den Nachweis eines Arbeitsangebots im Vereinigten Königreich vorzulegen, bevor sie zwecks Arbeitsaufnahme einreisen;
  • Beschränkung der Dauer von Arbeitsvisen auf zwei Jahre, es sei denn die Person ist in einer hochqualifizierten Funktion tätig und hat einen Arbeitsvertrag, der länger als ein Jahr dauert;
  • Einführung eines Einkommensschwellenwerts für diejenigen, die als „Selbständige” in das Vereinigte Königreich kommen wollen;
  • Die Anforderung an bestimmte Reisende in das Vereinigte Königreich, vor Antritt der Reise eine elektronische Reisebewilligung ( „Electronic Travel Authorisation”) einzuholen. Dies würde ähnlich wie das ESTA-System für die USA funktionieren und das Screening und die Sicherheitsüberprüfung von Reisenden vor der Einreise in das Vereinigte Königreich ermöglichen.
     

Die Reaktionen der EU und des britischen Parlaments auf den Chequer-Plan in den vergangenen Wochen waren nicht positiv. Im Vereinigten Königreich sind sowohl diejenigen, die gegen den Brexit sind, als auch diejenigen, die eine saubere Trennung befürworten, unzufrieden mit dem, was sie als eine Kompromissvereinbarung sehen. Die Antwort der EU lautet, dass die Teile des Plans, die den Handel betreffen, zurzeit inakzeptabel sind.
 

Keine Bevorzugung von EU-Arbeitnehmern nach dem Brexit

Vor kurzem wurde in einem am 18. September 2018 veröffentlichten Bericht des Migrationsberatungsausschusses („Migration Advisory Committee”)(einer unabhängigen öffentlichen Stelle, die die Minister in Migrationsfragen berät)empfohlen, die Obergrenze für die Zahl der hochqualifizierten Migranten, die in das Vereinigte Königreich einreisen (gegenwärtig jährlich 20.700 Migranten von außerhalb des EWR) aufzuheben, mit der Begründung, dass diese Arbeitnehmer einen positiven Beitrag zu den öffentlichen Finanzen leisten. Der Bericht schlug als Teil dieses Prozesses auch vor, dass Arbeitnehmer aus dem EWR denselben Visaregelungen unterliegen sollten wie andere Migranten, d.h. dem existierenden punktebasierten System für Migranten aus Staaten außerhalb des EWR, bekannt als „Tier 2”.


Mit Blick auf geringqualifizierte Arbeitnehmer stellte der Ausschuss fest, dass er nicht davon überzeugt sei, dass es eine Arbeitsroute für gering-qualifizierte Arbeitnehmer aus der EU in solchen Branchen wie Gastronomie oder Hotel- und Gastgewerbe geben müsse.
 
Das Kabinett stimmte am 25. September 2018 den Empfehlungen im Prinzip zu und befürwortete ein System, das „eher auf Qualifikationen als auf Nationalität setzt”. Diese „Übereinkunft” ist jedoch keine felsenfeste Entscheidung und es kann immer noch notwendig werden, „erleichterte Migrationsregeln” für EU-Staatsbürger im Rahmen eines breiteren Brexit-Handelsabkommens festzulegen.
 

Was kommt als nächstes?

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Unsicherheit können Einzelheiten dazu, wie das Vereinigte Königreich seine Grenzen nach dem Brexit verwalten wird, noch für einige Zeit unklar bleiben. Jetzt, wo es nur noch ein paar Monate sind, bis Großbritannien die EU verlässt, ist die Realität des Lebens und Arbeitens im Vereinigten Königreich nach dem Brexit in vieler Hinsicht noch offen. Die Entwicklungen in den kommenden Wochen und Monaten werden entscheidend sein und sollten genau beobachtet werden.

 

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