Großbritannien: „Beibehaltenes EU-Recht“ – was bleibt den Unternehmen, wenn sich die Tür zu Europa geschlossen hat?

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veröffentlicht am 8. Februar 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten

    
Im Rahmen der Politik der britischen Regierung in Hinblick auf den Austritt aus der EU, wurden Gesetze, die direkt oder indirekt von der EU in das Vereinigte Königreich eingeführt wurden, geprüft. Die Regierung muss sich entscheiden, welche Gesetze sie nach Ende 2023 beibehalten und welche sie aufheben wollen, wie bereits ausführlich im sogenannten Retained EU Law (Revocation and Reform) Act 2023 (in Englisch) dar­gestellt wurde.



 Wie bereits erörtert, wurde zunächst die Entscheidung getroffen, der Gesetzgebung eine „Sunset Clause“ (Verfallsklausel) zuzufügen, die den größten Teil aus der „Retained EU Law Bill“ aufhebt. Dieses Gesetz wurde am 10. Mai 2023 geändert, stattdessen wurde die „Sunset Clause“ gestrichen und für 600 EU-Gesetzestexte wurde eine Aufhebung beschlossen.


Die Regierung hat zwei Dokumente vorgelegt, in denen die Gesetze aufgeführt sind, die 2024 in Kraft bleiben, aufgehoben werden oder Ende 2023 auslaufen. Einige der verbleibenden Gesetze sind beispielsweise für das verarbeitende Gewerbe und die Automobilindustrie relevant, andere sind allgemeiner und bekannter, wie zum Beispiel das TUPE-Gesetz (Gesetz über die Versetzung von Angestellten).

Im Folgenden werden einige Beispiele für Rechtsvorschriften im Vereinigten Königreich aufgeführt, die erhebliche Auswirkungen auf manche Unternehmen haben und wie sich die anstehenden Änderungen auf die Rechtsvorschriften auswirken werden.

„The Restriction of the Use of Certain Hazardous Substances in Electrical and Electronic Equipment Regulations 2012” (Die Verordnung zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten) – Dieses Gesetz schränkt die Verwendung von zehn gefährlichen Stoffen bei der Herstellung von Elektro- und Elektronikgeräten ein und stammt aus dem EU Directive 2011/65/EU. Die Hersteller solcher Elektroprodukte müssen sicherstellen, dass die Produkte weiterhin den Vorschriften des Gesetzes entsprechen. Das wurde aus Sicherheitsgründen und zur Vermeidung von Umweltschäden bei­be­halten.

Verordnung (EG) Nr. 79/2009, die den Herstellern Verpflichtungen auferlegt und die technischen Anforder­ungen für die Typgenehmigung von wasserstoffbetriebenen Straßenfahrzeugen festlegt, bleibt als „Retained Law“. In Anbetracht des Ziels, bis 2050 ein Netto-Null-Land zu werden, wurde diese Vorschrift aus Sicherheits­gründen beibehalten und das wird weitreichende Auswirkungen auf die künftige Herstellung von wasserstoff­betriebenen Fahrzeugen im Vereinigten Königreich haben.

CE-Kennzeichnung – es besteht bereits ein Artikel (auf Englisch) zu dem Thema. Es wurde das Sicherheits­kenn­zeichen „CE“ von der EU beibehalten, trotz Diskussionen und Versuchen, eine gleichwertige Zertifizierung für das Vereinigte Königreich zu schaffen (die UKCA). Die fast unbestimmte Verzögerung bei der Einführung der UKCA-Kennzeichnung für Produkte, die hergestellt und/oder verkauft werden, hat dazu geführt, dass die CE-Kennzeichnung als wichtigste Zertifizierungskennzeichnung für Produkte im Vereinigten Königreich weiter­hin bestehen bleibt.  

Das britische Recht „Competition (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2019 (Verordnungen)“ bewahrtete die Anwendbarkeit der sogenannten „block exemptions“ (EU-Gruppenfreistellungen), indem sie die bestehenden Bestimmungen des „Competition Act 1998“ (CA) änderten. Infolge der Verordnungen konnten die Gruppen­frei­stell­ungen im Vereinigten Königreich verlängert oder ersetzt werden, sodass die EU-Gruppen­frei­stellungs­ver­ordnung für Kraftfahrzeuge (Verordnung 461/2010) („the EU block exemption for motor vehicles“) (MVBER) weiterhin galt und eine automatische Freistellung vom Verbot vertikaler Vereinbarungen nach Kapitel 1 CA für den Kauf von Ersatzteilen und die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraft­fahrzeuge vorsah, sofern sie den vorgegebenen Rahmenbedingungen entsprachen. Vertikale Verein­barungen über den sogenannten Kfz-Anschlussmarkt („categories of vertical agreements and concerted practices in the motor vehicle sector“) müssen jedoch auch die Rahmenbedingungen der Vertical Agreements Block Exemption Order 2022 (VABEO) erfüllen, die im Vereinigten Königreich am 1. Juni 2023 in Kraft getreten ist und die die EU-Gruppenfreistellung für vertikale Vereinbarungen (VBER) ersetzt. Früher galt die MVBER auch für vertikale Vereinbarungen über den Verkauf neuer Fahrzeuge, doch seit dem 1. Juni 2013 unterliegen diese nur noch der VBER, die nun durch die VABEO ersetzt worden ist.  

Das Vereinigte Königreich hat begonnen, seine Gesetze über Forschung und Entwicklung und deren Verwertung zu ändern. Es wurden zwei Verordnungen im Zusammenhang mit dem CA umgesetzt, die am 1. Januar 2023 in Kraft traten und die EU-Gruppenfreistellungen für Forschung und Entwicklung und Spezialisierungs­ver­ein­barungen ersetzten, die Ende 2022 ausgelaufen sind.

Ein wichtiges und bedeutendes Rechtsgebiet, das Unternehmen betrifft, die in das Vereinigte Königreich expandieren wollen, ist das Gesetz, das sich auf die Stellung von Handelsvertretern auswirkt. Das heißt, Personen oder Unternehmen, die neue Kunden für die von ihrem Auftraggeber hergestellten und/oder ver­kauften Produkte finden. Obwohl das Recht, das die Beziehungen zwischen Vertretern und Auftraggebern im Vereinigten Königreich regelt, früher ausschließlich durch das sogenannte „common law of agency“ bestimmt wurde, ist es durch EU Directive 86/653/EEC (Handelsvertreterrichtlinie) überlagert worden, die zum ersten Mal sicherstellen sollte, dass ein Vertreter in Bezug auf die Beendigung seines Vertrags geschützt ist. Diese Richt­linie wurde im Vereinigten Königreich durch die Handelsvertreterverordnung von 1993 und ihre späteren Änderungen (Agency Regulations) umgesetzt. Dieses Gesetz in seiner jetzigen Form legt das Recht der Vertreter auf Ausgleichszahlungen bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fest und soll verhindern, dass Unternehmen durch die Tätigkeit eines Vertreters eine Präsenz in einem Gebiet aufbauen, bevor sie den Vertrag beenden und den gesamten Vorteil für sich beanspruchen.

Obwohl die Agency Regulations von der EU abgeleitet wurden, wird dieses Recht nun als Teil des bei­be­haltenen EU-Rechts betrachtet. Es wird klargestellt, dass das Gesetz zum Jahresende 2023 nicht aufgehoben wird, aber die Gerichte des Vereinigten Königreichs sind nicht mehr an die Entscheidungen des Gerichtshofs der EU gebunden. Allerdings ist es nicht klar, wie die Zukunft dieses Rechtsgebiets aussehen wird.

Im Vereinigten Königreich stammen die wichtigsten Rechte der Verbraucher aus dem EU-Recht, das zum Teil in britisches Recht übernommen wurde, in ähnlicher Weise wie die Gesetze für Handelsvertreter. Das britische Gesetz über Verbraucherrechte („Consumer Rights Act 2015“ (CA)) legt die Rechte der Verbraucher im Vereinigten Königreich in bestimmten Vertragssituationen fest, ohne direkt auf das EU-Recht zu verweisen und die CA ist auch Teil des beibehaltenen EU-Rechts, das nicht automatisch Ende 2023 aufgehoben wird.

Es besteht natürlich immer die Gefahr, dass die Regierung ihre Meinung über das beibehaltene EU-Recht ändert, insbesondere da politische Überzeugungen und Einstellungen die Politik unmittelbar beeinflussen.
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