Die Sanktionsmechanismen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – neue Haftungsrisiken für Geschäftsführer

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veröffentlicht am 13. September 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Am 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern in Kraft getreten. Das LkSG fordert Unternehmen im Rahmen der Risikofrüherkennung auf, alle bestehenden Zulieferer­prozesse auf menschenrechtskritische Situationen zu prüfen und umfassend zu dokumentieren. Mit dem LkSG wurden erstmals rechtlich verbindliche und sanktions­bewährte Regelungen für deutsche Unternehmen zum Menschenrechts­schutz etabliert. Das LkSG sieht dabei Vorgaben zum Schutz konkret benannter Menschen­rechte, von Arbeitnehmerschutzrechten sowie den Schutz verschiedener Umwelt­schutzbelange vor und umfasst einen Katalog gesetzlich festgeschriebener Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die sogenannten „Sorgfaltspflichten“.



Sorgfaltspflichten als Anknüpfungspunkt für die Sanktionsandrohung des LkSG

Anknüpfungspunkt der Sanktionsandrohung des LkSG, namentlich für die auf § 24 LkSG beruhenden Ordnungs­widrigkeitenverfahren, sind die in den §§ 3-10 LkSG konkretisierenden Sorgfaltspflichten.


Mit der Sanktionsandrohung des § 24 LkSG hat sich der Gesetzgeber auf die Einführung eines Ordnungswidrig­keitentatbestands beschränkt. Eine strafrechtliche Ahndung der Verantwortlichen wurde zwar im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses diskutiert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Offen bleibt, ob die geplante euro­päische Lieferkettenrichtlinie in dieser Hinsicht eine weitergehende Haftung etablieren wird.  In Folge der durch das LkSG auferlegten Vorgaben sind Unternehmen dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten die gesetzlich festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, mit dem Ziel, menschenrechtsbezogene Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren bzw. die Verletzung solcher Pflichten zu beenden.

Die Sorgfaltspflichten verlangen konkret

  1. die Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Absatz 1 LkSG),
  2. die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit für Menschenrechte (§ 4 Absatz 3 LkSG),
  3. die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5 LkSG),
  4. die Abgabe einer Grundsatzerklärung (§ 6 Absatz 2 LkSG),
  5. die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Absatz 1 und 3 LksG) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Absatz 4 LkSG),
  6. das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Absatz 1 bis 3 LkSG),
  7. die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG),
  8. die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9 LkSG), Dokumentation (§ 10 Absatz 1 LkSG) und Berichterstattung (§ 10 Absatz 2 LkSG).


Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, müssen besonders wachsam sein, da der Tat­bestand des § 24 LkSG als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet wurde. So sind beispielsweise Situa­tionen denkbar, in denen ein Verletzungserfolg bzw. die konkrete Gefährdung eines geschützten Rechtsgutes ausbleibt, gleichsam aber ein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten nach dem LkSG vorliegt. Anknüpfungspunkt für ein Bußgeldverfahren kann bereits der vorgelagerte Umstand sein, dass die Durchführung der im Gesetz vorgesehenen Risikoanalyse bzw. die Einleitung von Präventivmaßnahmen unterlassen wurden bzw. ein Verstoß gegen die im LkSG festgelegten Berichtspflichten vorliegt. Insoweit ahndet der Gesetzgeber bereits fehlende organisatorische Maßnahmen. Aus rechtspolitischer Sicht ist das konsequent, da erklärtes Ziel des LkSG ein möglichst umfassender Schutz der menschenrechtsbezogenen Schutzgüter ist. Aus Compliance-Sicht eröffnen sich hierdurch für die Geschäftsführung empfindliche Haftungsrisiken.


Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Pflichtenprogramm des LkSG

Der Bußgeldrahmen des LkSG bestimmt sich, vergleichbar mit der gesetzgeberischen Regelung im Kartell- und Datenschutzrecht, umsatzbezogen. Das LkSG sieht einen Bußgeldrahmen gegen natürliche Personen in Höhe von bis zu 800.000 Euro vor und gegen juristische Personen – im Falle der maximalen Erhöhung des Bußgeld­rahmens – in Höhe von bis zu 400 Mio. Euro bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes vor.


Die Einhaltung des Pflichtenprogramms des LkSG ist ferner aus Compliance-Gesichtspunkten wesentlich, da bereits der Erlass eines Bußgeldes in Höhe von 200 Euro zu einer Eintragung in das Unternehmens­zentral­register und in Folge zu Nachteilen beispielsweise bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen führen kann. Überdies ist der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß § 22 Absatz 2 Satz 1 LkSG in bestimmten Fällen rechtskräftig festgestellter Verstöße mit einer Geldbuße von wenigstens 175.000 Euro bereits automatisch vorgesehen.


Verantwortung der Geschäftsführung

Für Unternehmen stellt das LkSG und die darin normierten Verantwortlichkeiten ein neues Haftungsrisiko dar. Adressat der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG sind Unternehmen, die wiederum durch ihre gesetzlichen Beauftragten vertreten werden (vgl. § 9 OWiG). In der Praxis kommen als Adressaten von Bußgeldbescheiden deshalb insbesondere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer in Betracht. Ihnen obliegt kraft ihrer Organstellung die Pflicht, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um Verstöße gegen die Vorgaben des LkSG zu vermeiden. Konkret umfasst das die Pflicht zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten des LkSG im Rahmen der Compliance-Ordnung des Unternehmens.

Grundsätzlich besteht für die Geschäftsführung eine originäre All- oder Generalzuständigkeit für sämtliche unternehmensbezogenen Pflichten. Gleichsam ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Geschäfts­führung ab einer bestimmten Unternehmensgröße zwingend darauf angewiesen ist, bestimmte Aufgaben an Beschäftigte zu delegieren, um gesetzlich normierte Pflichten zu erfüllen. Das hat zur Folge, dass der nach § 9 Absatz 2 OWiG Beauftragte als Normadressat gilt, wenn er ausdrücklich beauftragt wurde, bestimmte Pflichten in eigener Verantwortung zu erfüllen. Das vorweggeschickt, kommen als Adressaten von Bußgeldbescheiden auch Compliance-Beauftragte, neu durch das LkSG eingeführte Menschenrechtsbeauftragte sowie sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Betracht.


Auswirkungen auf die Praxis

Der Umsetzung des Sorgfaltspflichtenkatalogs des LkSG kommt eine besondere Bedeutung im Rahmen der Haftungsvermeidung zuteil. Unternehmenslenker und Compliance-Verantwortliche sind deshalb angehalten, die compliance-relevanten Aspekte des LkSG unverzüglich im Unternehmen umzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Geschäftsführung trotz Delegation auch weiterhin letztverantwortlich bleibt. Sie haftet jedoch nur dann noch, wenn sie die organisatorischen Grundvoraussetzungen nicht dafür schafft, dass die Pflichten durch die für den Menschenrechtsschutz Beauftragten auch tatsächlich erfüllt werden können.

Da es sich bei dem LkSG um eine neue Rechtsmaterie handelt, und eine behördliche Praxis noch nicht existiert, müssen sich Unternehmen in der Umsetzung an den allgemeinen Compliance-Standards orientieren. Dabei kann die Bemühenspflicht (nicht Erfolgspflicht) der Unternehmen zur Verhinderung von Menschen­rechts­ver­letzungen und Nachhaltigkeitsrisiken in der Wertschöpfungskette nur durch ein umfassendes Compliance-Management-System erfüllt werden. Unterstützung finden Unternehmen in der stark arbeitsteilig geprägten deutschen Zuliefererkultur durch formelle Nachhaltigkeitsmanagementsysteme wie ISO-Zertifikate und Scorings oder Softwarelösungen für das digitale Supply Chain Management.

Bereits das Bestehen eines Compliance-Management-Systems ist ein wesentlicher Aspekt bei der Zumessung der Bußgeldhöhe. Im Rahmen der Bemessung eines Bußgeldes nach LkSG wird nun wesentlich sein, ob ein Unternehmen Vorkehrungen zur Vermeidung einer Verletzung der geschützten Menschenrechte, Arbeit­neh­mer­schutz­rechte sowie Umweltschutzbelange getroffen hat.


Fazit

Das LkSG fordert von Unternehmen eine besondere Sorgfalt im Hinblick auf den Menschenrechtsschutz in Lieferketten ein. Verstöße gegen die detailliert geregelten Sorgfaltspflichten können zu empfindlichen Bußgeldern führen.

Für Unternehmen und deren Geschäftsführung ist es deshalb wichtig, bereits bestehende Compliance-Management-Systeme anzupassen, um die Anforderungen des LkSG zu erfüllen.

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