IP-Schutz versus Nachhaltigkeit: Eine Herausforderung für Unternehmen

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veröffentlicht am 25. September 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Nach dem Green Deal der EU soll der Binnenmarkt bis spätestens 2050 klimaneutral werden. Neben der Forderung nach langlebigeren, nachhaltigeren und kreis­lauf­fä­hi­ge­ren Erzeugnissen, sollen Hersteller künftig auch dafür sorgen, dass man ihre Produkte reparieren kann und Ersatzteile oder Updates für ihre Produkte verfügbar sind. Immer größer wird damit auch der Markt für re-use, refurbed oder refill-Anbieter. Nicht selten unbeachtet bleibt dabei jedoch die Frage, inwiefern der Vertrieb von reparierten oder wiederaufbereiten Produkten gewerbliche Schutzrechte der Originalhersteller verletzt – haben diese doch mitunter viel investiert in innovative Technologien, nachhaltige Materialien und recycling-fähiges Verpackungsmaterial und müssen Ersatzteile für ihre Produkte für einen längeren Zeitraum vorhalten, so dass ihnen ihr Interesse an einem ausschließlichen Schutz ihres geistigen Eigentums nicht zu verdenken ist.  Wo aller­dings die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Nachhaltigkeitsbemühungen von re-use, refurbished oder refilled Produkten verläuft, ist indes im Einzelfall oft schwer auszumachen und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt.


Ausgangspunkt: Erschöpfungsgrundsatz

Ist ein durch ein Patent oder Design geschütztes oder ein mit einer Marke versehenes Produkt einmal durch den Schutzrechtsinhaber selbst oder mit dessen Zustimmung in Verkehr gebracht worden, so ist der be­treffen­de IP-Schutz in der Regel „erschöpft“. Der Gesetzgeber nimmt an, dass dem Verwertungsinteresse des Schutz­rechts­in­ha­ber damit hinreichend Rechnung getragen ist. Auch für die Verbreitung von urheberrechtlichen Wer­ken gilt dieser sog. Erschöpfungsgrundsatz. Der „schlichte“ Weiterverkauf von gebrauchter Ware „so wie sie ist“, ist demnach in der Regel unkritisch – Ausnahmen bestätigen die Regel So war dies insbesondere im Hinblick auf Softwarelizenzen und auch E-Books lange Zeit höchst streitig.

 

Wiederaufbereitung als patentverletzende Neuherstellung?

Anders kann die Bewertung dann ausfallen, wenn die gebrauchte Ware professionell aufbereitet oder überholt und womöglich sogar mit einem Gewährleistungsversprechen erneut zum Kauf angeboten wird. So ist die Ab­gren­zung von zulässiger Wiederaufbereitung und patentverletzender Neuherstellung eines bereits in den Verkehr gebrachten patentgeschützten Erzeugnisses immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

 

Fest steht inzwischen, dass jedenfalls die Reparatur eines Gegenstandes regelmäßig noch zum bestimmungs­ge­mä­ßen und damit zulässigen Gebrauch zählt. Das gilt grundsätzlich auch für den Austausch von Ersatz­teilen, sofern deren technische Wirkung nur in der Erhaltung der Lebensdauer des Erzeugnisses liegt (BGH, Urteil vom 08.11.2022, X ZR 10/20, GRUR 2023, 47). Geht deren technische Wirkung aber darüber hinaus, kann eine Neuherstellung vorliegen, da der technische oder wirtschaftliche Vorteil der geschützten Erfindung neu verwirklicht wird. In der Praxis stellt dies oftmals eine komplexe Beweisfrage dar, die zu einer knappen „Millimeter-Entscheidung“ zugunsten oder zulasten des Wiederaufbereiters führen kann.


Refilling und Refurbishing als Markenverletzung?

Auch im Markenrecht gilt der Erschöpfungsgrundsatz, allerdings mit Ausnahmen: Nach § 24 Absatz 2 Marken­gesetz erschöpft sich der Schutz einer Marke nicht, wenn der Zustand der gekennzeichneten Ware nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert wurde. Das ist nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls dann der Fall, wenn die Eigenart der Ware dergestalt verändert wird, dass sie der Herkunfts- und der daraus ab­ge­lei­te­ten Gewährfunktion der Marke zuwiderläuft (BGH GRUR 1996, 271 (274) – Gefärbte Jeans). Grundsätzlich irrelevant sind daher geringfügige Eingriffe, die weder äußerlich wahrnehmbar sind noch objektiv Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit der Ware haben.

 

Auch hier gilt: Im Fall von Reparaturen kommt es darauf an, wie stark in die Ware eingegriffen wird, wobei die Erwartungen des Verkehrs, die Gepflogenheiten des betroffenen Wirtschaftssektors und die Eigenart der jeweiligen Ware zu berücksichtigen sind. Entsteht ein neues Produkt mit einer eigenen Identität, ist die Er­schöpfung ausgeschlossen. Eine solche Veränderung kann und wird in der Regel auch vorliegen, wenn eine Ware durch Verarbeitung zu einer ganz anderen Ware umgearbeitet wird (Upcycling).


Beim Refilling ist zu beachten: Der Vertrieb wiederbefüllter, ursprünglich mit der Marke des Herstellers ver­sehe­ner Behältnisse wird dann als nicht markenrechtsverletzend eingestuft, wenn neben der Kennzeichnung des Wiederverkäufers die ursprüngliche Marke des Herstellers noch sichtbar bleibt (EuGH, Urteil vom 27.10.2022 – C-197/21, GRUR-RS 2022, 28851 – Soda-Club (CO2) und Soda-Stream International). Einer Er­schöpf­ung des Markenschutzes kann es jedoch entgegenstehen, dass Verbraucher irrig von einer wirt­schaft­li­chen Beziehung zwischen Hersteller und Wiederbefüller ausgehen. Ob da der Fall ist, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den Angaben auf der Ware, ihrer Neuetikettierung, den Ver­triebs­ge­pflo­gen­hei­ten des betreffenden Wirtschaftszweigs und dem Bekanntheitsgrad dieser Gepflogenheiten bei den Verbrauchern. Eine verlässliche Bewertung bedarf auch hier einer genauen Prüfung, da sonst die gute, nachhaltige Geschäftsidee bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

 

Geplantes Recht auf Reparatur durch IP-Rechte beschränkt?

Noch mit Unsicherheiten behaftet erscheinen vor diesem Hintergrund die aktuellen Bemühungen der EU-Kommission rund um ein sog. Recht auf Reparatur (Vorschlag der EU-Kommission vom 22.3.2023 über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinien (EU) 2019/771 und (EU) 2020/1828). Offen bleibt in diesem Zusammenhang vor allem, ob dieses auch ein Recht auf Reparatur durch Dritte umfasst und wie diese Dritten an die hierfür not­wen­di­gen Informationen gelangen. Zwar sieht der Richtlinienentwurf die Verpflichtung der Hersteller zur Bereitstellung von Reparaturinformationen vor. Doch werden auch diese ihre Grenzen dort finden, wo die Offenlegung von geheimem Know-How im Raum steht. Nach den aktuellen Bestimmungen des Geschäfts­ge­heim­nis­ge­setzes ist sog. Reverse Engineering zum Erlangen von technischen Informationen über die Wirkweise eines Produkts grundsätzlich erlaubt, am Ende wird derjenige, der ein Produkt reparieren möchte, aber weitergehende Informationen oder z.B. einen Fernzugriff auf ein smartes Produkt benötigen. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern Hersteller hier zur Mitwirkung verpflichtet werden können und wann gewerbliche Schutzrechte zugunsten von mehr Nachhaltigkeit zurücktreten müssen.

 

Fazit

Das Potenzial für nachhaltige Wiederverwertungen ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Eine Lösung, wie die widerstreitenden Interessen zwischen Schutzrechteinhabern und Anbietern nachhaltiger Pro­dukt­auf­be­rei­tungen in Einklang gebracht werden können, ist daher zwingend nötig. Rechtsprechung und Gesetzgebung werden in den kommenden Jahren klären müssen, wie ein gerechter Ausgleich zwischen berechtigtem IP-Schutz einerseits und nachhaltiger Produktnutzung andererseits gelingen kann.

 

Bis dahin gilt: Damit Nachhaltigkeitsbemühungen nicht zum IP-Verstoß führen, sollten Unternehmen genau prüfen, ob ihr Vorhaben IP-Rechte Dritter verletzt.

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