Erbschaftsteuerreform: Dem Kompromiss auf der Spur

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Nachdem die Verhandlungen zwischen den politischen Parteien zum Jahreswechsel 2015/2016 ins Stocken gekommen waren, wurde mit Beginn 2016 ein neuer Anlauf für die Kompromisssuche für eine Erbschaftsteuerreform gestartet. Am 11. Februar 2016 wurde zwischen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD unter Anwesenheit von Frau Hasselfeldt für die CSU (mit Zustimmungsvorbehalt durch die Bayerische Staatsregierung) ein Kompromissvorschlag ausgearbeitet. 
 
Der wesentliche Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
  • Vereinfachtes Ertragswertverfahren: Anpassung des Kapitalisierungsfaktors auf eine Bandbreite zwischen 10,53 und 12. Damit wird der anhaltenden Niedrigzinsphase und der daraus resultierenden Überbewertung von Unternehmen Rechnung getragen. Das führt zu geringeren Unternehmenswerten von ca. 30 Prozent. Zum Vergleich: der aktuelle Kapitalisierungsfaktor für 2016 beträgt 17,8571.
  • Begünstigtes Vermögen: Rückkehr zum Verwaltungsvermögensbegriff mit Modifikationen (10 Prozent „Schmutzzuschlag” für Verwaltungsvermögen, das als steuerunschädlich von der Verschonung mit umfasst wird, Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen, Saldierung von Verbindlichkeiten und Deckungskapital bei Separierung der betrieblichen Altersversorgung). Die Rückkehr zum „alten” Verwaltungsvermögensbegriff mit Modifikationen wurde vom Bundesrat in seiner Stellungnahme letztes Jahr gefordert. Hier kommt die Koalition den Ländern entgegen, damit sie dem neuen Vorschlag insgesamt zustimmen.
  • Erleichterungen bei Kapitalbindung in Familienunternehmen (Ersatz der erhöhten Größengrenze für die Verschonungsprüfung (von 26 Mio. auf 52 Mio. Euro durch einen Vorab-Abschlag von maximal 30 Prozent, abhängig von der Höhe der Beschränkung in der satzungsrechtlichen Abfindungsregelung; Erleichterungen bei den Kriterien für Kapitalbindung, Verkürzung der Fristen: 2 Jahre vor/20 Jahre nach Übertragung):
    Hier wurden Forderungen der CDU/CSU eingebunden, die Erleichterungen für Familienunternehmen zum Inhalt haben, um den Mittelstand in Deutschland zu erhalten. Der Vorab-Abschlag wirkt wie ein allgemeiner Bewertungsabschlag für Familienunternehmen. Um als Familienunternehmen zu gelten, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden (Entnahme-/Ausschüttungs-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen).
  • Einschränkung Abschmelzmodell (um 1 Prozentpunkt je 0,75 Mio. Euro; Abschmelzung auf 0; Abschmelzbereich soll damit auf 90/99 Mio. Euro schrumpfen; Wegfall des Sockelbetrages): Das ist ein Zugeständnis an die SPD, der das ursprünglich vorgesehene Abschmelzmodell ein Dorn im Auge war. Große Vermögen hätten im bisherigen Modell des Regierungsentwurfs ohne Bedürfnisprüfung weiter mit einer Steuerbegünstigung in Höhe von 20 bzw. 35 Prozent des Wertes übertragen werden können.
  • Ausweitung Stundungsregelung für anfallende Steuer auf begünstigtes Vermögen: Die Stundungsmöglichkeit umfasst im Kompromiss nur die Erbschaftsteuerschuld im Todesfall, Schenkungen fallen nicht darunter.


Auch wenn es an einigen Stellen Nachbesserungen zugunsten der betrieblichen Nachfolge gibt, ist fraglich, ob zum einen der gefundene Kompromiss in dieser Form das Gesetzgebungsverfahren bis Ende Juni 2016 durchlaufen wird und zum anderen, ob diese Ausgestaltung nun auch verfassungsfest sein wird.
 
Die Bayerische Staatsregierung hat dem Kompromiss noch nicht zugestimmt, sondern fordert weitere Anpassungen, insb.:

 

  • Begrenzung der Verschonungsbedarfsprüfung auf durch Schenkung/Erbe vom selben Schenker erworbenes nicht-begünstigtes Vermögen (eigenes Privatvermögen des Erben/Beschenkten soll außen vor bleiben)
  • Ausweitung des Vorweg-Abschlags
  • Verkürzung der Fristen für die Kapitalbindung
  • Ausweitung der Investitionsklausel
  • Ausweitung der Verrechnung bei betrieblicher Altersversorgung
  • Sicherstellung Begünstigung von Drittlandsbeteiligungen

 

Ob sich der Koalitionspartner auf weitere Zugeständnisse zugunsten der Unternehmen einlassen wird, sei dahingestellt, wenn man sich die ersten Reaktionen auf die Forderungen der CSU anschaut.
 
Wieder im Gespräch sind zudem alternative Modelle einer Niedrigsteuer auf den erwirtschafteten Gewinn nach Übergabe/Todesfall.
 
Es ist zu erwarten, dass die Gespräche nach den Landtagswahlen vom 13. März 2016 wieder aufgenommen werden. Das Ergebnis ist noch nicht absehbar.
 

Was geschieht, wenn es keine Einigung bis Ende Juni 2016 gibt?

Eine Neuregelung muss nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts spätestens bis zum 30. Juni 2016 umgesetzt werden.
 
Laut Berichten aus der Presse (FAZ und Handelsblatt) hat sich nunmehr das Bundesverfassungsgericht selbst zu diesem Punkt zu Wort gemeldet, nachdem es in Politik und Literatur Spekulationen gab, was ohne neues Gesetz nach dem 30. Juni passiert. Der Sprecher teilte mit, dass es zunächst einmal beim Status quo bleibt. Er rechne jedoch damit, dass es ziemlich schnell neue Gerichtsverfahren gibt, so dass das Finanzgericht dann gleich dem Bundesverfassungsgericht vorlegen könnte und eine Entscheidung dort sehr schnell ginge. Die Materie wurde ja schon ausführlich beleuchtet.
 

Handlungsempfehlung

Das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht bietet für den Übergang von Betriebsvermögen und Unternehmensanteilen erhebliche Begünstigungen. Wer diese auf jeden Fall sicher noch beanspruchen will, sollte die jetzige großzügige Betriebsvermögensbegünstigung durch Übertragung, spätestens bis zum 30. Juni 2016, noch ausnutzen. Das kann mit einem Widerrufsrecht gekoppelt werden, sollten die späteren Neuregelungen Vorteile gegenüber der jetzigen Rechtslage bieten.
 

Allen Steuerpflichtigen ist aber zu raten, sich vor einer Übertragung sorgfältig über die individuellen Handlungsoptionen und Risiken beraten zu lassen.
 

zuletzt aktualisiert am 01.04.2016 

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