Finanzberichterstattung in der Krise – eine Herausforderung für Unternehmen und Abschlussprüfer

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Es kommen schwere Zeiten mit viel Gegenwind auf die Unternehmen zu. Krieg in der Ukraine, Energie- und Klimakrise, Lieferengpässe, eine zu erwartende Rezession in Deutschland und Europa sind nur einige Beispiele der Herausforderungen, mit denen die gesamte Wirtschaft konfrontiert ist. Die Welt um uns herum ist unsicherer geworden. Damit müssen auch die Unternehmen entsprechend umgehen und die geforderte Transparenz in ihrer Finanzberichterstattung schaffen. Keine leichte Aufgabe, sowohl für die Ersteller als auch für die Prüfer solcher Berichterstattungen.



Auswirkungen der Unsicherheiten auf die Berichterstattung

Schon seit Beginn der Corona-Pandemie müssen sich Unternehmen immer vielfältiger werdenden Herausforde­rungen stellen und Maßnahmen entwickeln, um den Risiken zu begegnen und die Auswirkungen in der Jahres- und Konzernabschlusserstellung sowie Berichterstattung entsprechend zu berücksichtigen. Erhebliche Unsicherheiten erschweren zurzeit in vielen Fällen die Prognose der Unternehmensentwicklung und die spezifische Unternehmensplanung, die die Grundlage für zahlreiche Bilanzierungssachverhalte darstellen, z. B. für die Einschätzung zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit, die Beteiligungsbewertung, die Goodwill-Bilanzierung oder auch die Bilanzierung von Rückstellungen.

Unternehmen sind von den aktuellen Risiken jedoch nicht in gleichem Maße betroffen. Abhängig von der Geschäftstätigkeit, dem jeweiligen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld und nicht zuletzt der Branche variiert auch das Ausmaß der Betroffenheit, sodass das Management die Risikolage immer unternehmens­individuell einschätzen muss. Es ist aber unumstritten, dass angesichts der aktuellen Situation die Unternehmensplanungen in vielen Fällen stärker als bisher von Unsicherheiten betroffen sind, sodass vergangenheitsbasierte Annahmen oftmals nicht unverändert fortgeschrieben werden können [1]. Einfach so „weiter wie bisher“, gilt in vielen Fällen nicht mehr. Das Management muss jetzt besonders auf die Vertretbarkeit von Schätzungen und Prognosen von Zahlungsströmen achten und deren Auswirkungen über alle Elemente eines Jahres- oder Konzernabschlusses hinweg plausibilisieren sowie für Dritte nachvollziehbar darstellen. Je größer die Betroffenheit eines Unternehmens von den aktuellen Unsicherheiten ist, desto höher sind die Anforderungen an die Dokumentation relevanter Ermessensentscheidungen des Managements. Im Fokus stehen insbesondere wesentliche Wertansätze aktivierter Vermögensgegenstände, dabei vor allem Geschäfts- oder Firmenwerte (Goodwill), Patente oder ähnliche Rechte sowie Beteiligungen als auch aktivierte latente Steuern. Ob deren Wertansätze in den Abschlüssen weiterhin „haltbar“ sind oder nicht, hängt im Wesentlichen von den Prognosen der zu erwartenden, aktuell oftmals beeinträchtigten Zahlungsströme bzw. – bei Steueransprüchen - vom künftigen zu versteuernden Ergebnis ab. Dabei ist die Vertretbarkeit verwendeter Parameter und Prognosen, bspw. die Ertrags- bzw. Cashflow-Erwartungen, der Barwert einer evtl. zu berücksichtigenden ewigen Rente als auch die Angemessenheit und Aktualität weiterer Annahmen, wie z.B. die Herleitung eines Kapitalisierungszinssatzes kritisch zu hinterfragen.

Nicht nur für die Aktivseite der Bilanzen, auch bei der Bewertung von Passivposten wie beispielsweise Rückstellungen sind Schätzungen des Managements erforderlich, die angesichts der aktuellen Risikolage besonders zu überprüfen und oftmals anzupassen sein können. Auf dem Prüfstand werden u.a. am Abschlussstichtag schwebende Absatzgeschäfte mit vereinbarten fixen Entgelten stehen, bei denen sich infolge des Kriegsausbruchs und insb. aufgrund der Steigerung der Energie- und Rohstoffpreise das Erfordernis zur Bildung von Drohverlustrückstellungen ergeben kann [2].


Schaffung von Transparenz

Die Adressaten der Finanzberichte fordern von den Unternehmen angesichts der aktuellen Risikolage Transparenz in der Berichterstattung. Sie müssen in die Lage versetzt sein, Überlegungen und Einschätzungen des Managements so nachvollziehen zu können, dass sie sich ein eigenes Bild von der Lage und der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens machen können. Das bedeutet, abhängig von den Anforderungen der maßgeblichen Rechnungslegungsgrundsätze, zusätzliche Angaben zu Schätzunsicherheiten, relevanten Ermessensentscheidungen des Managements und Darlegungen von wesentlichen für die Bilanzierung getroffenen Annahmen im Anhang. Über die Risikolage und die möglichen Folgen der aktuellen Situation bis hin zum Bestehen eines bestandsgefährdenden Risikos ist sowohl im Anhang als auch im Lagebericht entsprechend zu berichten.

Angesicht der hohen Unsicherheiten stellt dabei der Prognosebericht eine besondere Herausforderung dar. Ein Unterlassen jeglicher Prognosen ist nicht zulässig. Das Management muss unternehmensindividuell mit den bestehenden Unsicherheiten im Rahmen der Erstellung der Prognoseberichte umgehen, um auch hier möglichst transparent über die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens zu berichten. Dabei werden unseres Erachtens die Voraussetzungen des DRS 20.133 für verringerte Anforderungen an die Genauigkeit von Prognosen, nämlich eine außergewöhnlich hohe Unsicherheit hinsichtlich der Zukunftsaussichten aufgrund gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und gleichzeitig eine wesentliche Beeinträchtigung der Prognosefähigkeit des Unternehmens, derzeit trotzdem nur in Einzelfällen als erfüllt anzusehen sein [3].


Kritische Grundhaltung des Abschlussprüfers

Der Abschlussprüfer muss sich, abhängig vom Ausmaß der Betroffenheit des geprüften Unternehmens und im eigenen Ermessen, mit den o.g. Bilanzierungsthemen und insbesondere der Berichterstattung über die Risikolage und Unternehmensentwicklung im Abschluss und ggf. im Lagebericht intensiv befassen. Eine angemessene kritische Grundhaltung („professional skepticism“) wird von ihm sowohl gesetzlich als auch von den berufsständischen Verlautbarungen eingefordert. Für deutsche Wirtschaftsprüfer formulierte der Gesetzgeber in § 43 Abs. 4 WPO n.F. („Wirtschaftsprüferordnung“): „Berufsangehörige haben während der gesamten Prüfung eine kritische Grundhaltung zu wahren. Dazu gehört es,

  1. Angaben zu hinterfragen,
  2. ungeachtet ihrer bisherigen Erfahrung mit der Aufrichtigkeit und Integrität des Führungspersonals des geprüften Unternehmens und der mit der Unternehmensüberwachung betrauten Personen die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es auf Grund von Sachverhalten oder Verhaltensweisen, die auf Unregelmäßigkeiten wie Betrug oder Unrichtigkeiten hindeuten, zu einer wesentlichen falschen Darstellung gekommen sein könnte,
  3. auf Gegebenheiten zu achten, die auf eine falsche Darstellung hindeuten könnten, und
  4. die Prüfungsnachweise kritisch zu beurteilen.


Ihre kritische Grundhaltung haben Berufsangehörige insbesondere bei der Beurteilung der Schätzungen des Unternehmens in Bezug auf Zeitwertangaben, Wertminderungen von Vermögensgegenständen, Rückstellungen und künftige Cashflows, die für die Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit von Bedeutung sind, beizubehalten.“

Die Berufspflicht des Abschlussprüfers zur Bewahrung einer kritischen Grundhaltung wird auch in der Berufsatzung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer sowie in den internationalen und nationalen Verlautbarungen des Berufsstands, insb. in ISA [DE] 200, weiter konkretisiert. Angesichts der aktuellen Risikolage rückt die Forderung an die Abschlussprüfer zur Wahrung einer kritischen Grundhaltung bei der Prüfung der Finanzberichterstattung in den Vordergrund. Fehleranfällige Themen, wie etwa die o.g. Bilanzierungsentscheidungen mit größeren Ermessensspielräumen des Managements oder Berichterstattungen über die Risikolage und die Entwicklung des Unternehmens vor dem Hintergrund der aktuellen Unsicherheiten, werden jetzt vermehrt ein wichtiger Prüfungsgegenstand sein. Die bisherige positive Erfahrung mit der Aufrichtigkeit und Integrität eines Managements wird vom Abschlussprüfer zwar nicht komplett ausgeblendet, allerdings müssen die Prüfer ungeachtet ihrer Erfahrungen jetzt erst recht die kritische Grundhaltung bewahren und auf der Gewinnung überzeugender Prüfungsnachweise bestehen.


Fazit

Die berichtenden Unternehmen und die Prüfer der Finanzberichterstattung werden aktuell vor besondere Herausforderungen gestellt. Das Management ist mit vielen Unsicherheiten konfrontiert und muss bei der Bilanzierung und Berichterstattung verstärkt Ermessensentscheidungen treffen. Auf eine angemessene und überzeugende Dokumentation aller relevanter Bilanzierungsentscheidungen wird es jetzt auch im Rahmen der Abschlussprüfung besonders ankommen.




[1] Vgl. Fachlicher Hinweis des IDW vom 30.9.2022: „Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und Auswirkungen auf Finanzberichte zum oder nach dem 30.9.2022“, S. 3
[2] Vgl. Fachlicher Hinweis des IDW vom 30.9.2022: „Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und Auswirkungen auf Finanzberichte zum oder nach dem 30.9.2022“, S. 4
[3] Vgl. Fachlicher Hinweis des IDW vom 30.9.2022: „Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und Auswirkungen auf Finanzberichte zum oder nach dem 30.9.2022“, S. 9

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