Singapur als Dispute Resolution und Restrukturierungs-Hub

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veröffentlicht am 9. Januar 2019

 

Singapur ist seit langem als Logistikdrehkreuz sowie Finanz- und Investitionshub im Asien-Pazifik-Raum bekannt. Der Stadtstaat will seine Bedeutung in der Region weiter stärken und ist in den letzten Jahren sehr bemüht, durch gesetzliche Anpassungen und die Schaffung von Institutionen sowie bi- und multilateraler Abkommen als Dispute Resolution und Restrukturierungs-Hub wahrgenommen zu werden. Im Folgenden wollen wir darstellen, welche Anstrengungen Singapur unternimmt und wie Unternehmen davon profitieren können.
 
   

  
Dispute Resolution-Hub Singapur

Arbitration

Mit der Gründung des Singapore International Arbitration Centre („SIAC”) 1991 hat der Stadtstaat den Grund­stein für seine andauernde Erfolgsgeschichte als Schiedsgerichtsstandort gelegt. 2017 meldete das SIAC als neuen Rekord 343 neue Verfahren mit einem Streitwert von über 17 Mrd. Singapur Dollar mit Bezügen zu 56 Jurisdiktionen. 2018 war das SIAC nach einer Umfrage der Queen Mary University of London das beliebteste Schiedsgerichtsinstitut in Asien und nach London und Paris das präferierte Schiedsgericht weltweit. Der Erfolg des SIAC beruht u.a. auf kürzlich weiter angepassten Schiedsregeln und v.a. auf der erstklassigen Infrastruktur sowie der internationalen Anbindung Singapurs.


Schiedsgerichtsbarkeit spielt insbesondere bei grenzüberschreitenden Wirtschaftsverträgen eine bedeutende Rolle, da im nationalen Kontext übliche Gerichtsurteile oftmals im Ausland nicht anerkannt werden und damit nicht vollstreckbar sind. Schiedsurteile von anerkannten Schiedsinstituten (wie dem SIAC) werden aber zumindest von den Mitgliedsstaaten – neben vielen anderen Staaten auch Deutschland und Singapur – des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche („NY Abkommen”) anerkannt und vollstreckt. Sorgfältig formulierte Schiedsklauseln in grenzüberschreitenden Verträgen sorgen mithin für ein wirksames Streitschlichtungsinstrument. Einer der wesentlichen Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit sind jedoch die relativ hohen Kosten eines Schiedsverfahrens.


Litigation

Neben dem Schiedsgerichtswesen will Singapur aber auch weitere Streitschlichtungsmechanismen anbieten. So trat der Stadtstaat 2016 dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen („Haager Über­ein­kommen”) bei. Singapur ist bislang das einzige asiatische Land, das das Abkommen unterzeichnet hat. Weitere teilnehmende Staaten sind etwa die EU-Staaten, Mexiko und Montenegro. Das Haager Übereinkommen bestimmt, dass Gerichtsurteile zwischen den Mitgliedsstaaten anerkannt und vollstreckt werden. Das bedeutet, dass das Urteil eines Gerichtes — etwa aus Deutschland – ohne weitere gerichtliche Prüfung in Singapur anerkannt wird und vollstreckbar ist. Voraussetzung für eine Anwendung des Haager Übereinkommens ist, dass es sich um eine zulässige Vertragspartei handelt. Ausgenommen sind etwa Verbraucher. Ebenfalls ist eine Anwendung nicht möglich, wenn es sich um Arbeitsverträge handelt. Weiterhin muss der entsprechende Vertrag eine ausschließliche Gerichtsstandsklausel beinhalten. Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisse bestehen nur in engen Grenzen, etwa im Falle eines sog. Ordre Public (öffentliche Ordnung) Vorbehaltes.


In dem Zusammenhang muss auch das 2015 gegründete Singapore International Commercial Court („SICC”) genannt werden. Das SICC ist eine Abteilung des singapurischen High Court und ist für Fälle des internationalen Wirtschaftsrechts zuständig. Da das anzuwendende Recht durchaus auch das eines anderen Staates sein kann, wurden verschiedene internationale Richter – u.a. aus Australien, Hong Kong, England, den USA, Frankreich und Japan – für das SICC benannt. Im Kern ist das SICC Teil der singapurischen Judikative, jedoch soll durch
  • bestimmte Verfahrensregeln,
  • internationale Richter und
  • die Möglichkeit der Prozessvertretung durch ausländische Anwälte


ein kompetentes und neutrales Forum für Parteien von grenzüberschreitenden Streitigkeiten des Wirt­schafts­rechts geschaffen werden. Seit seiner Gründung hat das SICC bereits über 30 Fälle entschieden.


Mediation

Neben den bereits genannten Formen der Streitschlichtung bietet Singapur seit 2014 mit dem Singapore International Mediation Centre („SIMC”) auch Mediation an. Das SIMC ist eine unabhängige non-profit Einrichtung, die v.a. bei grenzüberschreitenden wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten angerufen werden kann. Mediation ermöglicht eine kostengünstigere und einvernehmliche Streitbeilegung und kann u.U. bei fort­dauernden Geschäftsverhältnissen in der oftmals auf konsensbasierten asiatischen Kultur das geeignetere Forum sein. Oft ist auch die Kombination von Arbitration und Mediation eine geeignete Form der Strei­tschlicht­ung. In der Praxis enthalten viele wirtschaftsrechtliche Verträge eine Schiedsklausel, die zunächst eine Mediation vorsieht und nur bei deren Scheitern eine schiedsgerichtliche Streitschlichtung erfolgt. Zwischen dem SIAC und dem SIMC besteht für derartige Fälle ein eigenes Protokoll, das das Verfahren regelt. Die Mediation endet im Optimalfall mit einem Vergleich, der von beiden Parteien anerkannt wird.


In grenzüberschreitenden Streitigkeiten, bei denen eine Partei nicht in Singapur ansässig ist, besteht im Falle der Mediation die Schwierigkeit der Anerkennung und Vollstreckung im Ausland. Bei der Arbitration wird die Schwierigkeit mit dem NY Abkommen und bei der Litigation zum Teil mit dem Haager Überein­kommen beseitigt. 2019 soll es ein ähnliches Instrument auch für die Mediation geben. Auf Ebene der Vereinten Nationen („UN”) wurde in den vergangenen Jahren das Singapore Convention on Mediation („Singapur Abkommen”) ausgehandelt, das erste UN Abkommen, das nach dem Stadtstaat benannt ist. Das Singapur Abkommen soll zur Anerkennung und Vollstreckung der Mediationsvergleiche in anderen Staaten führen und dürfte so Mediation als Streitschlichtung im internationalen Wirtschaftsverkehr stärken.


Streitschlichtung in Asien-Pazifik in der Unternehmenspraxis

Welche der in Singapur angebotenen Streitschlichtungsmechanismen Unternehmen – die in der Asien-Pazifik-Region geschäftlich aktiv sind – wählen sollten, ist im Einzelfall zu entscheiden. Bei rein bilateralen Verträgen zwischen Unternehmen aus Deutschland und Singapur könnte eine ausschließliche Gerichts­standsvereinbarung ein sinnvolles Instrument sein. Bei geschäftlichen Aktivitäten, die auch weitere Staaten der Asien-Pazifik-Region umfassen, dürfte eine Schiedsklausel Rechtssicherheit schaffen. In beiden Fällen kommt es allerdings auf die genaue Formulierung der Streitschlichtungsklausel an. Nicht selten führen schlecht formulierte Streit­schlicht­ungs­klauseln oder ungünstig gewählte Streitschlichtungs­foren zu erheblichen Vollstreckungshindernissen. Inwieweit Mediation in Zukunft eine gewichtigere Rolle im internationalen Wirtschaftsverkehr spielen wird, muss sich zeigen. Insbesondere wird es auf die Akzeptanz der Mediation zwischen den Vertragsparteien und die Verfahrenspraxis des Singapur Abkommens ankommen.


Singapur als Restrukturierungshub

Neben den bereits dargestellten Hub-Eigenschaften beabsichtigt Singapur, sich auch als Insolvenz- und Restrukturierungshub in der Region zu etablieren. 2017 wurde der singapurische Companies Act umfassend geändert und dabei das UNICITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency angenommen. Konzeptionelles Vorbild der neu gefassten Restrukturierungsregelungen war auch das sog. Chapter 11 des US-Insolvenz­rechts. Wesentliche Eckpunkte sind etwa die „Super-Priorisierung” von Massedarlehen („DIP”), die Stärkung und Ausweitung gerichtlicher Moratorien mit weltweiter Wirkung auch auf verbundene Unternehmen und die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans trotz fehlender Zustimmung der Gläubiger (sog. „cram down”). Um den Zugang zu einem singapurischen Insolvenzverfahren für auslän­dische Unternehmen zu ermöglichen, wurde ein „substantial connection”-Test eingeführt, mit dem die Zuständigkeit Singapurs bestimmt werden kann. Der „substantial connection”-Test ist etwa dann erfüllt, wenn die ausländische Gesellschaft in Singapur geschäftlich aktiv ist, eine unselbstständige Niederlassung (Branch) registriert hat oder entsprechende Verträge/Transaktionen singapurischem Recht unterfallen.


Laut dem zuständigen Ministerium wurden bereits im Jahr der Änderungen der Restrukturierungsregeln in 6 grenzüberschreitenden Fällen singapurische Gerichte angerufen.


Fazit

Mit den beschriebenen Änderungen im Bereich der Streitschlichtung und der Restrukturierung dürfte Singapur seine Rolle als Drehkreuz in der Asien-Pazifik-Region weiter stärken. Ausländischen Unternehmen, die in Singapur etwa ihre Holding-Gesellschaft für die Region aufgesetzt haben, bieten die gesetzlichen Änderungen und Neuerungen mehr Rechtssicherheit und Gestaltungsspielräume in rechtlich schwierigen Situationen, etwa im Streitfall mit Geschäftspartnern oder bei finanziellen Schwierigkeiten. Der Erfolg der angesprochenen Aspekte, etwa die Rolle von Mediation als Streitschlichtungsinstrument in der Region oder die Gestaltung von Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Elementen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

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