Grunderwerbsteuerliche Mehrfachzurechnungen bei Share Deals

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veröffentlicht am 18. Januar 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

In der steuerlichen Gestaltungs- bzw. Transaktionspraxis mit grundstückshaltenden Gesellschaften ist die Vermeidung des (mehrfachen) Anfalls von Grunderwerbsteuer vielfach ein wesentliches Strukturierungsziel. Insoweit ist die grunderwerbsteuerlich relevante Zuordnung des Grundvermögens innerhalb eines Konzerns von entscheidender Bedeutung. Hierüber besteht jedoch spätestens seit den Urteilen des BFH vom 1.12.2021 (II R 44/18) und vom 14.12.2022 (II R 14/20) erhebliche Rechtsunsicherheit. 


Die obersten Finanzbehörden der Länder haben nun mit den kürzlich veröffentlichten gleichlautenden Erlassen vom 16.10.2023 ihr Verständnis zur Zurechnung von Grundvermögen für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände (§§ 1 Abs. 2a, 2b, 3, 3a GrEStG) kommuniziert. Sie vertreten hierbei die Sichtweise, dass ein und dasselbe Grundstück innerhalb eines Konzerns grunderwerbsteuerlich mehrfach, d.h. verschiedenen Ebenen bzw. Gesellschaften zuzuordnen sein kann. In vielen Strukturen kann das dazu führen, dass derselbe Grundbesitz beim Verkauf oder der Übertragung von Gesellschaftsanteilen mehrfach, d.h. bei verschieden Gesellschaften besteuert wird.


Für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung bei Share Deals gilt grundsätzlich Folgendes:
  • Maßgebend für die Zurechnung eines Grundstücks ist allein die grunderwerbsteuerliche Zuordnung, d.h. insoweit die Verwirklichung der Tatbestände des § 1 Abs. 1, 2, 3 und 3a GrEStG im Hinblick auf das jeweilige Grundstück. Auf zivilrechtliche Eigentumsverhältnisse oder auf § 39 AO kommt es nicht an.
  • Ein Grundstück ist der (grundbesitzenden) Gesellschaft mit der Verwirklichung des jeweiligen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen. Diese grunderwerbsteuerliche Zurechnung endet erst, wenn im Hinblick auf das jeweilige Grundstück ein Erwerbsvorgang seitens eines Dritten verwirklicht wurde, der unter § 1 Abs. 1, 2 GrEStG fällt.

Von wesentlicher Bedeutung sind nunmehr folgende Schlussfolgerungen der obersten Länderfinanzbehörden:
  • In Ergänzung zur Zurechnung des Grundstücks zur grundbesitzenden Gesellschaft ist das Grundstück einer weiteren, sog. „anderen Gesellschaft” zuzurechnen, wenn diese andere Gesellschaft über dieses Grundstück einen grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 3, 3a GrEStG verwirklicht hat. Die Zurechnung endet erst, wenn (i) das Grundstück nicht mehr der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen ist, (ii) ein Dritter in Bezug auf das Grundstück einen Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 3, 3a GrEStG verwirklicht hat oder (iii) die Beteiligungsquote an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 90% (bzw. bei Vorgängen bis zum Ablauf des 30.6.2021 unter 95%) sinkt.
    Demnach führt u.a. die Übertragung einer 100%igen-Beteiligung an einer Gesellschaft M, die zuvor 100% der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft T grunderwerbsteuerbar erworben hat, im Regelfall dazu, dass Grunderwerbsteuer sowohl auf Ebene der M als auch (erneut) auf Ebene der T anfällt – für denselben Übertragungsvorgang und dasselbe Grundstück.

  • Die Zurechnung zur anderen Gesellschaft wird auch nicht von § 16 Abs. 4a GrEStG gelöst, d.h. wenn neben einem grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang bei Signing (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG) ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang bei Closing (§ 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG) verwirklicht wird und die Grunderwerbsteuerfestsetzung im Hinblick auf das Signing auf Antrag aufgehoben wird.
    Werden also bei Kauf einer grundbesitzenden Gesellschaft mindestens 90% ihrer Anteile vereinigt, wird der Erwerberin der Grundbesitz grunderwerbsteuerlich weiterhin zugerechnet, obwohl die Steuerfestsetzung für die Anteilsvereinigung gem. § 16 Abs. 4a GrEStG aufgrund des nachfolgenden, damit im Zusammenhang stehenden Closings gem. § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG aufgehoben wird. Künftig wird also vor Erwerb oder Umstrukturierung von mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen mit Grundbesitz eine detaillierte Prüfung erforderlich sein, die ggf. weit in die Vergangenheit zurückreichen kann, um festzustellen, in welcher Reihenfolge Anteile und Grundbesitz erworben wurden.

Dies betrifft auch Transaktionen, die bereits verwirklicht worden sind. Denn der Erlass soll auf alle noch offenen Fälle anzuwenden sein. Hiervon abweichende Auffassungen in vorherigen Erlassen verlieren ihre Gültigkeit.

Fraglich bleibt gleichwohl, inwieweit eine solche Mehrfachbesteuerung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Denn auch wenn die Besteuerung auf verschiedenen Gesellschaften erfolgt, erscheint die wirtschaftliche Mehrbelastung der Gruppe und die weitgehende Zufälligkeit der Belastungshöhe nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot und Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar.

Fazit

Die grunderwerbsteuerliche Doppelzurechnung kann grunderwerbsteuerliche Risiken und Transaktionskosten bei „share deals” erheblich verschärfen und zu einer grunderwerbsteuerlichen Doppelbelastung im Hinblick auf dasselbe Grundstück führen. Es ist daher im Vorfeld einer Transaktion genauestens zu prüfen, ob Grundstücke für grunderwerbsteuerliche Zwecke im Konzern weiteren Gesellschaften zuzurechnen sind. Diese grundstücksbezogene Due Diligence wird dadurch erschwert, dass auch Erwerbsvorgänge einzubeziehen sind, bei denen im Ergebnis aufgrund von § 16 Abs. 4a GrEStG eine Steuer nicht festgesetzt wurde, wobei offen bleibt, ob diese Sichtweise über die Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG zeitlich unbefristet für die Vergangenheit gelten soll.
Da die Erlasse in allen offenen Fällen anzuwenden sind, kann es erforderlich sein, auch bereits abgeschlossene Transaktionen/Umstrukturierungen grunderwerbsteuerlich zu überprüfen.

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