M&A Vocabulary – Experten verstehen: „HOHW-Klausel”

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veröffentlicht am 22. Juni 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

 
Eine M&A-Transaktion ist in vielerlei Hinsicht ein komplexer Prozess. Dieser beinhaltet umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen und Verfahrensstufen bis zum tatsächlichen Abschluss der Transaktion – von der Due Diligence über das Signing bis hin zum Closing. Gerade bei M&A-Transaktionen, an denen große, marktführende Unternehmen beteiligt sind, ist die Prüfung der Erforderlichkeit und ggf. die Erlangung einer Kartellfreigabe ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Auch eine sorgfältig vorbereitete Transaktion kann zwischen Vertragsunterzeichnung und Vollzug noch scheitern, falls die zuständige Kartellbehörde keine Freigabe erteilt oder hierfür Bedingungen stellt, welche die betroffene Partei (in der Regel der Erwerber) nicht erfüllen kann oder will. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass  Verhandlungsparteien versuchen, dieses Risiko so gering wie möglich zu halten. Genau hier kommt die sogenannte „Hell or High Water (HOHW)-Klausel” ins Spiel.
 

Begriffsherkunft

Grundsätzlich bedeutet eine „HOHW-Klausel”, dass eine oder mehrere Vertragsparteien eine Verpflichtung übernehmen, die um jeden Preis zu erfüllen ist. 

 

Die genaue Herkunft des Begriffs „Hell or High Water-Klausel” ist nicht ganz eindeutig. Hauptsächlich wird auf die englische Redewendung „come hell or high water” verwiesen, die ein Handeln trotz jeder noch so widrigen Umstände ausdrücken soll. Diese Redensart tauchte angeblich das erste Mal zur Zeit des „Wilden Westens” in den USA auf. Die erste dokumentierte Verwendung soll in einer Zeitung im Jahre 1882 stattgefunden haben.

 

Unabhängig von der genauen Zeit und Art der Herkunft bestehen jedoch keine Zweifel an der Bedeutung: Weder Hölle noch sonstige Widrigkeiten sollen von einer Pflicht zur Vertragserfüllung befreien.

 

In seiner weiten Bedeutung erlebt die Klausel – im Kontext von Regelungen zur „höheren Gewalt”, „force majeure”, „Störung der Geschäftsgrundlage” – aufgrund aktueller Ereignisse eine Renaissance. „Hölle” und „Hochwasser” werden dabei beispielsweise durch Covid-19 und durch Einschränkungen, verursacht durch den Krieg in der Ukraine und entsprechende Sanktionsregelungen, ersetzt. 

 

Inhalt der Klausel

Im Rahmen von M&A-Transaktionen finden sich derartige Klauseln in der Regel hinsichtlich der Erlangung einer erforderlichen Kartellfreigabe. Hier soll einer Vertragspartei das gesamte Risiko dieser für die Transaktion entscheidenden Behördenmaßnahme aufgebürdet werden. Eine solche Klausel wird grundsätzlich so ausgestaltet, dass diese den an der Transaktion beteiligten Käufer verpflichtet. 

 

Wird sie gegenüber dem Käufer formuliert, wird in dieser Bestimmung in der Regel verlangt, dass der Käufer alle Maßnahmen ergreift und alle Kosten trägt, die erforderlich sind, um die Kartellfreigabe zu erhalten und insbesondere die behördlichen Auflagen für den Abschluss der Fusion zu erfüllen. Solche behördlichen Auflagen sind nicht unüblich und können sogar soweit gehen, dass die Behörde verlangt, dass Teile der beteiligten Unternehmen verkauft werden, um eine zu dominante Marktstellung in Folge der Unternehmensfusion zu verhindern.

 

Eine „HOHW-Klausel” könnte etwa folgendermaßen lauten:

„Der Verkäufer ist verpflichtet, innerhalb von zehn Werktagen nach dem Unterzeichnungstag alle notwendigen Anmeldungen bei allen zuständigen Kartellbehörden vorzunehmen und sämtliche in den entsprechenden Verfahren erforderlichen Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen, damit die notwendigen Kartellfreigaben erhalten werden, um die Transaktion in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen und behördlichen Vorgaben vollziehen zu können. Sollten die Kartellbehörden ihre Zustimmung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen oder Verpflichtungen abhängig machen, die dem Käufer auferlegt werden, so hat der Käufer diese Bedingungen und Verpflichtungen vollumfänglich zu akzeptieren und zu erfüllen.”

 

Die „HOHW-Klausel” muss jedoch nicht „absolut” formuliert sein. Es besteht die Möglichkeit, Abstufungen hinsichtlich der Verpflichtungen des Käufers vorzunehmen. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass der Käufer nicht sämtliche Behördenauflagen akzeptieren muss, sondern nur solche, die das Kaufobjekt und nicht das eigene Unternehmen betreffen. Eine andere Möglichkeit zur etwas weicheren Gestaltung kann auch die Vereinbarung einer bestimmten Zumutbarkeitsschwelle sein, etwa in Gestalt einer Wertgrenze, bis zu welcher der Käufer Auflagen akzeptieren muss. Gehen Auflagen darüber hinaus, ist der Käufer auch nicht verpflichtet, diese anzunehmen.

 

Solche Abstufungen machen in der Praxis Sinn, um die Chance zu erhöhen, dass der Vertragspartner diese Klausel auch annimmt. Eine bedingungslose „HOHW-Klausel” wird aufgrund des möglichen hohen finanziellen Risikos verständlicherweise nur ungern vom Vertragspartner akzeptiert.

 

Die Nichterfüllung der Verpflichtung kann etwa mit einer Vertragsstrafe und/oder mit einer Schadenersatzforderung wegen Nichterfüllung verbunden werden. Auch für den Fall, dass die Erlangung einer Kartellfreigabe unmöglich ist oder die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird, besteht die Möglichkeit z.B. eine Regelung bezüglich eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs zugunsten des Verkäufers vorzusehen. 

 

Gerade bei Fusionskontrollverfahren gilt es für den Käufer auch zu bedenken, dass bei der Prüfung der Anmeldekriterien, der Erstellung der Anmeldungsunterlagen und dem weiteren Verfahren vielfältige Informationen über die Zielgesellschaft vorzulegen sind, die oftmals nur im Rahmen der Due Diligence zur Verfügung gestellt wurden. Damit ist der Käufer auf die umfassende Mitarbeit des Verkäufers und der Zielgesellschaft angewiesen, um seine Verpflichtungen erfüllen zu können, weshalb Art und Umfang dieser Mitarbeit sowie mögliche Beteiligungserfordernisse detailliert im Erwerbsvertrag zu regeln sind.

 

In der Praxis findet man „HOHW-Gestaltungen” entsprechende Pflichten regelmäßig auch bei anderen Vollzugsbedingungen, deren Verpflichtung zur Erfüllung und das damit verbundene Risiko einseitig einer Partei auferlegt werden soll, obwohl die Erfüllung vom Verhalten Dritter abhängig ist, wie etwa im Hinblick auf Zustimmungserfordernisse Dritter bei Change of Control (CoC)-Regelungen (Vertragspartner, finanzierende Banken, Sicherheitennehmer) oder bei bestehenden Vorkaufsrechten.


Wie ist mit einer solchen Klausel umzugehen?

Eine „HOHW-Klausel” stellt für die verpflichtete Partei ein weitreichendes finanzielles Risiko dar, für die Gegenpartei eine umfassende Absicherung und damit eine komfortable Position.

 

Je nachdem auf welcher Seite der anwaltliche Berater steht, ist es seine Aufgabe eine entsprechende Regelung zielgerichtet bei der Vertragsgestaltung einzusetzen oder die vorgelegte Transaktionsdokumentation daraufhin zu prüfen und seinen Mandanten auf die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken aufmerksam zu machen sowie Gestaltungsalternativen zu erarbeiten und verhandlungstaktisch einzusetzen.

 

Ein Grund warum eine Partei eine HOHW-Kartellklausel akzeptiert, kann eine schwache Verhandlungsposition dieser Partei sein, wenn etwa die jeweils andere Partei die gesamte Transaktion von der Akzeptanz dieser Klausel geltend macht.

 

Ein weiterer Grund für die Annahme kann sein, dass eine Prüfung im Vorfeld bereits ergeben hat, dass eine Kartellfreigabe nicht erforderlich ist oder erwartet wird, dass diese unproblematisch und bedingungslos erteilt wird und im Gegenzug für die Akzeptanz an anderen Stellen im Vertrag für sich günstige Bestimmungen durchgesetzt werden können.

 

Festzuhalten bleibt, dass einseitige und insbesondere unbedingte Verpflichtungen immer dann mit besonderer Vorsicht zu bewerten sind, wenn die Möglichkeit zu deren Erfüllung auch vom Verhalten anderer Vertragsparteien oder Dritter abhängig ist oder unter noch nicht absehbaren Bedingungen steht.

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Tobias Kohler

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