Unbeliebt, aber manchmal nicht zu vermeiden: Post-M&A Disputes

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veröffentlicht am 14. Septemer 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 
Bei M&A-Transaktionen geht es in der Regel nicht nur um große Geldbeträge, sondern um komplexe rechtliche und wirtschaftliche Vorgänge. Während dem Unternehmensverkäufer daran gelegen ist, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen und geringe Haftungsrisiken zu übernehmen, strebt der Unternehmenskäufer nach einem niedrigen Kaufpreis und flexibler Absicherung gegen Risiken aus der Transaktion. Daher kommt es nach erfolgreichem Abschluss von Transaktionen nicht selten zu Streitigkeiten, sog. Post-M&A Disputes.

Die Parteien einer M&A-Transaktion sind gut beraten, sich bereits bei Verhandlung der Transaktion mit der Frage zu beschäftigen, wie sie das Risiko eines Post-M&A Disputes wenn nicht ausschalten, so doch zumindest minimieren können, und wie sie eine solche Streitigkeit, wenn sie sich nicht vermeiden lässt, sachgerecht führen wollen.

 

Typische Streitpunkte bei M&A Transaktionen

Das Risiko einer Post-M&A Streitigkeit lässt sich vorab dadurch mindern, dass die Parteien im Unternehmenskaufvertrag eine interessengerechte und ausgewogene Ausgestaltung der typischen Streitpunkte vornehmen.

Dies betrifft vor allem den zumeist im Zentrum der M&A-Verhandlungen stehenden Katalog der vom Verkäufer zu übernehmenden Garantien. Im Rahmen von Unternehmenskäufen werden regelmäßig die kaufrechtlichen Mängelgewährleistungsvorschriften durch ein in sich geschlossenes System von Garantien ersetzt. Grundlegende Garantien des Verkäufers sind bspw. die rechtliche Existenz des Zielunternehmens, die Abwesenheit von dinglichen Belastungen an den Geschäftsanteilen oder die Abwesenheit von Insolvenztatbeständen. Neben solchen „Standard-Garantien” wird ein Käufer konkret auf das Zielunternehmen zugeschnittene Garantien anstreben, welche die wesentlichen wertbildenden Faktoren für das Investment abdecken.

Ein häufiger Streitpunkt bei M&A-Verhandlungen sind die Übernahme von Freistellungsverpflichtungen durch den Verkäufer für erkannte Risiken, wie etwa solche aus anhängigen Rechtsstreitigkeiten, schädlichen Bodenverunreinigungen oder für Steuerrisiken für die Vergangenheit. Schließlich bieten die üblichen Kaufpreisanpassungsmechanismen, oder Earn-Out Regelungen, mit denen der Verkäufer auch nach dem Vollzug noch am Erfolg des Unternehmens beteiligt wird, hinreichend Streitpotential.
 

Welcher ist der richtige Streitbeilegungsmechanismus?

Kommt es nach Vollzug der Transaktion zu Streitigkeiten aus der Transaktion, sollten sich die Parteien ernsthaft bemühen, diese im Verhandlungswege (außergerichtlich) beizulegen. Oftmals werden die eigenen Chancen, in einem (gerichtlichen) Rechtsstreit zu obsiegen, überschätzt. Ein Rechtsstreit kostet nicht nur Geld, sondern auch Kapazitäten von Personal und Management. Daher sollte die Möglichkeit eines Mediationsverfahrens unter Führung eines erfahrenen Vermittlers nicht vorschnell verworfen werden. Lässt sich ein Post-M&A Dispute nicht vermeiden, gibt grundsätzlich zwei Wege, diesen zu führen, nämlich entweder vor einem Schiedsgericht, oder vor einem ordentlichen (staatlichen) Gericht.

Schiedsgerichte bieten Konfliktparteien die Möglichkeit, Streitigkeiten ohne den Weg über die ordentlichen Gerichte beizulegen. Sie werden von Institutionen, z.B. der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) oder der International Chamber of Commerce (ICC), angeboten. Als Vorteile von Schiedsgerichtsverfahren werden gemeinhin die Vertraulichkeit und Flexibilität des Verfahrens genannt. Vorteile eines Schiedsverfahrens werden zudem darin gesehen, Schiedsrichter selbst sowie die Verfahrenssprache und den Ort des Verfahrens zu wählen. Zudem werden Schiedsgerichtsverfahren wegen der vermeintlich kürzeren Verfahrensdauer bevorzugt. Insbesondere im internationalen Transaktionsgeschäft sind Schiedsgerichtsvereinbarungen weit verbreitet. Schiedsgerichtsurteile können zudem meist ohne größere Verzögerungen in allen Ländern vollstreckt werden, die dem UN Übereinkommen über die Anerkennung- und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, der sog. „New Yorker Konvention”, beigetreten sind. Das völkerrechtliche Abkommen bindet derzeit über 160 Staaten.

Doch auch die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland ist als Streitlösungsmechanismus nicht zu vernachlässigen. Die deutschen Landgerichte arbeiten – insbesondere in den Metropolen – zumeist effizient, professionell und verfügen über das nötige Fachwissen für komplexe Post-M&A Disputes. In Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen werden zudem sog. Commercial Courts eingeführt, vor denen komplexe internationale Wirtschaftsstreitigkeiten in englischer Sprache geführt werden können. Dass es bei einem ordentlichen Gericht gegen ein erstinstanzliches Urteil die Möglichkeit eines Rechtsmittels zur Überprüfung der Entscheidung gibt, mag zwar eine Verlängerung des Verfahrens bewirken, kann jedoch das Vertrauen der Parteien in die abschließende Entscheidung stärken. Insofern kann man dies auch als Argument für die ordentliche Gerichtsbarkeit ansehen.
 

Urteil des OLG München vom 21.04.2021 – 7 U 6141/19

Es kommt recht selten zur Veröffentlichung von Entscheidungen ordentlicher Gerichte aus Post-M&A Disputes. Unlängst hatte das Oberlandesgericht (OLG) München einen Fall zu entscheiden, der beispielhaft mögliche Konflikte nach einem Unternehmenskauf verdeutlicht.

Der klagende Käufer hatte vom beklagten Franchise-Unternehmen eine Gesellschaft erworben, um über diese auf Grundlage eines Franchisevertrages mit dem Verkäufer ein Restaurant zu betreiben. Im Unternehmenskaufvertrag hatte der Verkäufer die Haftung für den ungehinderten Übergang der GmbH-Anteile sowie für diverse Umstände (z. B. Erstellung des Jahresabschlusses gemäß den handelsrechtlichen Grundsätzen) übernommen. Eine weitere Haftung, insbesondere für Wert und Ertragskraft sowie für Rechts- und Sachmängel der Gesellschaft war jedoch ausgeschlossen. Der Kläger erhob Ansprüche wegen fehlerhafter vorvertraglicher Aufklärung und Pflichtverletzung, da die Beklagte mündlich einen Umsatz von mindestens EUR 2.000 pro Tag zugesichert und in einer übersandten Ertragsvorschau einen Jahresumsatz von EUR 700.000 vorhergesagt hätte. Die tatsächlich erzielten Umsätze hatten deutlich darunter gelegen. Das Gericht wies die Klage ab: Ein bestimmter Umsatz bzw. eine bestimmte Ertragslage habe nicht zur geschuldeten Beschaffenheit des erworbenen Unternehmens gehört. Daran änderten Aussagen im Vorfeld des Vertragsabschlusses nichts. Werden die erteilten Informationen über das Kaufobjekt nicht im (notariellen) Kaufvertrag erwähnt, so werden diese nicht zum Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen. Vorsätzliche Falschangaben seien nicht erfolgt.

Die Übernahme einer Garantie des Verkäufers für die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens wäre ungewöhnlich gewesen. Denn es obliegt dem Käufer, im Rahmen der (Financial) Due Diligence die Zielgesellschaft zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die Transaktion und ggf. den zu zahlenden Kaufpreis zu treffen.
 

Fazit

Bereits in der Verhandlungsphase einer M&A-Transaktion sollte trotz aller Zuversicht der Parteien für eine erfolgreiche Transaktion die Möglichkeit einer Post-M&A Streitigkeit nicht aus den Augen verloren werden. Das Risiko lässt sich in den typischen Streitpunkten (z. B. Garantien, Freistellungen, Kaufpreisanpassung) durch transparente und verständliche Vertragsregelungen minimieren. Zudem ist eine Absicherung des Verkäufers durch die üblichen Haftungsbegrenzungen oder den Abschluss einer Gewährleistungsversicherung (sog. W&I Insurance) möglich. Je nach Größe und Struktur des Deals (national/international) ist der passende Mechanismus zu wählen. Während bei großen oder grenzüberschreitenden Deals meist Schiedsgerichtsklauseln vereinbart werden, ist – gerade bei kleineren Transaktionen – die ordentliche Gerichtsbarkeit eine Option.

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Kai Graf von der Recke, LL.M. (Boston Univ.)

Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York), Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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