Spanien: Kauf von „Produktionseinheiten” in der Krise

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Die durch die Covid-19-Krise auferlegten Beschränkungen für die Wirtschaft in Spanien haben dort zu einem Anstieg der Anträge auf Insolvenzverfahren geführt, obwohl die Voraussetzungen zur Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages auch in Spanien gelockert wurden.

Die Finanzkrisen in Spanien in den Jahren 2007 und 2013 haben dazu geführt, dass das spanische Insolvenzrecht heute als technisch fortschrittlich und an die Erfahrungen und Bedürfnisse aus der Praxis angepasst angesehen werden kann.

Eine der gesetzlichen Neuerungen, die in Spanien am Ende der letzten Krise (konkret im September 2015) eingeführt wurden, ist die Regelung des Verkaufs von sog. „Produktionseinheiten” durch insolvente Unternehmen. Unter „Produktionseinheit” versteht man in diesem Zusammenhang eine Gesamtheit von Vermögenswerten sowie Vertragsverhältnisse mit Dritten und ggfs. verwaltungsrechtliche Genehmigungen, die für die Ausübung einer wesentlichen oder untergeordneten wirtschaftlichen Tätigkeit organisiert ist.

Ziel dieser Regelung ist es, den Kauf von Produktionseinheiten insolventer Unternehmen durch solvente Investoren attraktiv und realisierbar zu machen, mit dem Ziel, den Geschäftsbetrieb des „gesunden” Teils des insolventen Unternehmens aufrechtzuerhalten, wobei hier das Recht der Gläubiger des insolventen Unterneh-mens auf die Realisierung des größtmöglichen Anteils ihrer Forderungen gewahrt bleiben soll. Bezweckt war eine Liquidation der einzelnen Güter aus der Insolvenzmasse zu vermeiden, da dies in der Regel zu einem Totalverlust von Arbeitsplätzen und zur Erzielung von nur sehr geringen oder gar keinen Erträgen führt.

Um potenzielle Investoren für diese Art des Unternehmenserwerbs zu gewinnen, ist es wichtig, dass ihnen die Art und Höhe der Schulden, die sie beim Kauf der Produktionseinheit zu übernehmen haben, im Vorfeld genau bekannt sind. Diese Sicherheit war mangels gesetzlicher Regelungen bislang nicht gegeben. Widersprüchliche Rechtsprechung führten zu einer großen Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsunsicherheit hat zu dramatischen Situationen geführt, z.B. dann, wenn der Käufer der Produktionseinheit durch ein Gericht verurteilt wurde, auch mehrere Jahre nach dem Erwerb einer Produktionseinheit weitere Verbindlichkeiten zu übernehmen - insbesondere Arbeits- und Sozialversicherungsverpflichtungen - die teils doppelt oder dreimal so hoch waren, wie die im ursprünglichen Budget für den Erwerb vorgesehenen zu übernehmenden Verpflichtungen.

Ab dem 1. September 2020 ist in Spanien eine „systematisierte” Version des Insolvenzgesetzes in Kraft getreten, die die Rechte und Pflichten des Erwerbers der Produktionseinheit eines spanischen Unternehmens im Insolvenzverfahren nun präzise regelt. Die wichtigsten Merkmale und Vorteile der Regelung für diese besondere Art von „Asset Deal” lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Es handelt sich um einen Prozess, der vom Insolvenzrichter überwacht und vom Insolvenzverwalter kontrolliert wird.
  • Der Investor kann den Umfang der Produktionseinheit, die er erwerben möchte, eingrenzen.
  • Dem Erwerb werden „Gesamtrechtsnachfolgeeffekte” zugeschrieben, sodass eine Zustimmung zur Übertragung durch Verträge durch die jeweils andere Vertragspartei nicht erforderlich ist. Dies kann besonders bei Produktionseinheiten nützlich sein, die Lizenzen halten oder für ihren Geschäftsbetrieb öffentlich rechtliche Genehmigungen erfordern
  • Der Erwerber übernimmt keine Steuerschulden.
  • Der Erwerber übernimmt weder Finanzierungs- noch „Handelsschulden”.
  • Ausstehende Sozialversicherungsverpflichtungen übernimmt der Käufer nur insoweit, als diese mit den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter verbunden sind, die Teil der zu übernehmenden Produktionseinheit sind.
  • Die gilt auch „für Arbeitsschulden” (Gehälter und Abfindungen): Der Erwerber übernimmt nur solche Verbindlichkeiten, die den der Produktionseinheit zugeordneten Mitarbeitern zuzuordnen sind. Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht eine Freistellung für Verpflichtungen beschließen, die von einem sog. Lohngarantiefonds übernommen werden.
  • Bei der Bewertung von Angeboten zum Kauf einer Produktionseinheit hat das Gericht solche Angebote vorzuziehen, die aus qualitativer Sicht eine größere Garantie für den Fortbestand des Unternehmens und der Arbeitsplätze bieten.

Generell kann gesagt werden, dass für den an dieser Art von Transaktion interessierten Investor die jüngste Änderung des spanischen Insolvenzgesetztes viele Unsicherheiten aus dem Weg räumen konnte. In Folge der in Spanien leider zu erwartenden größeren Anzahl von Insolvenzverfahren wird dies voraussichtlich dazu führen, dass diese Alternative für den Erwerb von Unternehmen insbesondere für Investoren in der Automobilzuliefer- oder Hotelbranche attraktiver wird. 

Fazit

Mit der zum 1. September 2020 in Kraft getretenen Änderung des Insolvenzgesetzes ist der Erwerb von Produktionseinheiten spanischer Unternehmen im Insolvenzverfahren eine interessante Alternative für solvente Investoren geworden, die diese Einheiten erfolgreich in ihr eigenes Unternehmen integrieren können.

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