Restrukturierung von Anleihen in der Krise

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Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stellen Emittenten von Schuldverschreibungen weltweit vor Herausforderungen. Belastungen der Liquiditätssituation können geplante Zins- und Tilgungsleistungen in Frage stellen. Der Eintritt eines Kündigungsgrunds der Anleihegläubiger aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten des Anleiheemittenten kann zur vorzeitigen Rückzahlung der Schuldverschreibungen zum Nennbetrag nebst Zinsen führen und damit Liquiditätsprobleme steigern oder sogar zur Insolvenz des Anleiheemittenten zu führen. Neuemissionen stellen sich aufgrund der volatilen Kapitalmärkte und Zurückhaltung der Anleger als schwierig da. 

Befindet sich ein Anleiheemittent in Zahlungsschwierigkeiten und läuft Gefahr die Verbindlichkeiten aus einer Anleihe nicht bedienen zu können, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens restrukturiert werden. Dies kommt insb. dann in Betracht, wenn die Anleihegläubiger die oder eine der größten Gläubigergruppen darstellen.

Die Möglichkeiten des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG)

Außerhalb der Insolvenz kommt dabei insb. die Restrukturierung über Mehrheitsbeschlüsse der An­lei­he­gläu­bigerversammlung in Betracht. Diese entfaltet Wirkung gegenüber allen Anleihegläubigern. Diese Möglichkeit eröffnet das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG).

Das SchVG vom 31. Juli 2009 bildet die gesetzliche Grundlage für alle nach dem 5. August 2009 nach deutschem Recht ausgegebenen Anleihen. Für zuvor begebene Anleihen setzt die Anwendbarkeit einen zuvor gefassten sog. Opt-In Beschluss voraus. Ohne Rückgriff auf die Möglichkeiten des SchVG ist eine Anpassung nur über den steinigen und bei öffentlich angebotenen Anleihen nahezu unmöglichen Weg der individuellen Vereinbarung mit jedem einzelnen Anleihegläubiger möglich. Dies würde immer voraussetzen, dass dem Anleiheemittenten die Anleihegläubiger umfassend bekannt sind er von diesen Kenntnis erlangen kann. Bei Inhaberpapieren ist dies in der Praxis ein zeitintensiver und komplexer Prozess.

Das SchVG zählt in § 5 Abs. 3 SchVG einzelne Restrukturierungsmaßnahmen auf, die durch die Gläu­bi­ger­ver­samm­lung beschlossen werden können. So sind insb. die Reduzierung sowie Veränderung der Fälligkeit der Hauptforderung und der Zinsen sowie die Umwandlung oder der Umtausch der Schuld­ver­schrei­bun­gen in Gesellschaftsanteile vorgesehen. Die Anleihegläubiger dürfen jedoch nicht mit zusätzlichen Leistungspflichten belastet werden.

Ein einzelne Restrukturierungsmaßnahmen betreffender Beschluss der Gläubigerversammlung bedarf grundsätzlich einer qualifizierten Mehrheit von 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte, es sei denn, dass in den Anleihebedingungen eine höhere Mehrheit vorgeschrieben ist.

Die Durchführung der Gläubigerversammlung

Die Gläubigerversammlung ist durch Veröffentlichung der Einladung im elektronischen Bundesanzeiger mind. 14 Tage vor dem Tag der Versammlung einzuberufen. In der Praxis zeigt sich, dass gerade bei Anleihen im Streubesitz nicht gesichert ist, dass die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen in der ersten Gläu­bi­ger­ver­samm­lung beschlossen werden können. Beschlüsse, durch welche der wesentliche Inhalt der An­leihe­bedingungen geändert wird, können hier nur gefasst werden, wenn die Anwesenden wertmäßig mind. die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Wird die mangelnde Beschlussfähigkeit festgestellt, kann eine zweite Versammlung einberufen werden. Bei dieser müssen die Anwesenden mind. 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Der Gang über zwei nacheinander stattfindende Gläubigerversammlungen ist in der Praxis eher die Regel.

Der Vorteil einer Restrukturierung mit Beschluss der Gläubigerversammlung besteht in seiner Wirkung für alle Anleihegläubiger, d.h. auch für die überstimmten oder nicht anwesenden.

Vergleichbar mit Beschlüssen der Hauptversammlung einer AG, unterliegen die Beschlüsse der Gläu­bi­ger­ver­samm­lung der Anfechtungsmöglichkeit durch die Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 20 SchVG. Durch das sog. Freigabeverfahren kann jedoch ein beschleunigter Vollzug der Beschlüsse erreicht und wertvolle Zeit gewonnen werden.

Vereinfachungen in Zeit von COVID-19

Schwierig erscheint die Umsetzung zudem vor dem Eindruck der noch bestehenden Kontakt- und Ver­samm­lungs­beschränkungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-Gesetz) sieht gerade virtuelle Versammlungen bzw. Beschlüsse in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen u.a. nur im Rahmen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder bei Beschlüssen der Gesellschafter einer GmbH vor. 

Das SchVG räumt jedoch seit jeher die Möglichkeit der Gläubigerversammlung als Abstimmung ohne Versammlung ein, der insb. im Hinblick auf Zahlungsschwierigkeiten in besonderen Situationen, wie der derzeitigen COVID-19-Pandemie, noch weitreichendere Bedeutung zukommt. Die Abstimmung ohne Versammlung versteht sich als eine Abstimmung ohne Zusammenkunft. Grundsätzlich sind auf sie die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung entsprechend anzuwenden. Während eines Abstimmungszeitraums von mind. 72 Stunden können die Gläubiger ihre Stimme gegenüber dem Abstimmungsleiter der einem vom Anleiheemittenten beauftragten Notar in Textform abgeben. Wird die Beschlussfähigkeit in der Abstimmung ohne Versammlung nicht festgestellt, kann der Abstimmungsleiter eine Gläubigerver-sammlung einberufen; die Versammlung gilt als zweite Versammlung.

Die Praxis zeigt, dass aufgrund des Verzichts der Präsenz der Anleihegläubiger vor Ort, die erste Gläu­bi­ger­ver­samm­lung zumeist als Abstimmung ohne Versammlung erfolgt, Allerdings führt diese dennoch zu einer ausgeweiteten Zeitspanne aufgrund des gesetzlich vorgegebenen Abstimmungszeitraums führt. 

Eine zweite Gläubigerversammlung hat, zum Schutz der Anleihegläubiger, unterdessen immer als Präsenzveranstaltung zu erfolgen. Das kann sich als Hindernis darstellen, sollten die Beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie fortbestehen.

Die Optionen im Blick behalten

Folglich bietet das SchVG Anleiheemittenten und –gläubigern die Möglichkeit Anleihebedingungen anzupassen, um, insb. unter dem Eindruck einer sich auswirkenden Krise, eine drohende finanzielle Schieflage bis hin zur Insolvenz des Anleiheemittenten zu vermeiden. Eine Restrukturierung von Anleihebedingungen lässt sich unter Ausnutzung aller Spielräume wohl in etwa drei Monaten umsetzen. Mit Blick auf die Anfechtungsrisiken der Beschlüsse ist eine sorgsame Planung angezeigt.

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Thomas Fräbel

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