Ein Dauerbrenner: Ehrenamt und Mindestlohn

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Während bereits diskutiert wird, ob und an welchen Stellen das Mindestlohngesetz (MiLoG) nachgebessert werden soll, veröffentlichen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Deutsche Rentenversicherung Fragen und Antworten zu dessen Anwendung. Das MiLoG selbst konstatiert, dass es die Vergütung von ehrenamtlich Tätigen nicht regelt (§ 22 Abs. 3 MiLoG). Die Frage, was hier unter einem Ehrenamt zu verstehen ist und welche Vergütung ehrenamtlich Tätige erhalten dürfen, ist aber weiterhin offen. Während steuerlich Vergütungen bis zu 50 Euro pro Stunde noch „ehrenamtlich” sein können, sehen das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Deutsche Rentenversicherung (DRV) im Bereich des MiLoG „differenzierter” – und lassen die Wohlfahrtsverbände hier im Unklaren. Im Bereich der Wohlfahrtspflege scheinen lediglich die „echten” Freiwilligendienste im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d EStG aus dem Anwendungsbereich des MiLoG ausgenommen. Hingegen deuten die Ausführungen von DRV und BMAS nicht einmal darauf hin, dass Vergütungen bis zur Höhe des Übungsleiterfreibetrags und der Ehrenamtspauschale als gesichert „ehrenamtlich” im Bereich des MiLoG angesehen werden können.

​Welche Vergütung noch als „ehrenamtlich” hingenommen wird, wird bereits im Bereich des Steuerrechts unterschiedlich betrachtet:

 

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) konstatiert in seinem Schreiben vom 25. November 2014: „Nach den Erfahrungen spricht […] eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Leistungen ehrenamtlich tätiger Mitglieder und Förderer des Zuwendungsempfängers unentgeltlich und ohne Aufwendungsersatzanspruch erbracht werden.” Danach bräuchte man eigentlich die Regelung des MiLoG gar nicht für den Bereich des Ehrenamts. Denn Ehrenamt wäre dann nur, wenn jemand wirklich nichts bekommt – nicht einmal die Erstattung seiner Aufwendungen.

 

Der Gesetzgeber sieht dies sicherlich anders, denn er stellt mit dem Übungsleiterfreibetrag den Betrag von 2.400 Euro und mit der Ehrenamtspauschale den Betrag von 720 Euro steuerfrei (§ 3 Nr. 26 bzw. Nr. 26a EStG). Auch das BMF meint in anderem Zusammenhang, eine Vergütung von bis zu 50 Euro je Tätigkeitsstunde könne noch zu einer steuerfreien Ehrenamtsvergütung i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG führen (BMF 23. März 2013). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat – sicherlich zu Recht – eine „Aufwandsentschädigung” von monatlich 15 000 DM (ca. 7000 Euro) zuzüglich Telefon- und Reisekosten nicht mehr als ehrenamtlich angesehen (BFH 14. Mai 2008, AZ. XI R 70/07).

 
Angesichts dieser steuerlichen Vielfalt stellt sich die Frage, an welchen Kriterien sich nun die Wohlfahrtsverbände im Bereich des MiLoG nach Ansicht von BMAS und DRV orientieren können. Die Antwort fällt unbefriedigend aus. Feste Entgeltgrenzen gibt es nicht. Die Deutsche Rentenversicherung orientiert sich an der für die Wohlfahrtsverbände kaum wirklich nachvollziehbaren inneren Haltung der Ehrenamtlichen und an dem nur im Einzelfall festzustellenden Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die DRV führt hierzu wörtlich aus:
 
  • Wie ist nach dem Mindestlohngesetz der Begriff des ehrenamtlich Tätigen zu verstehen und welche Personen werden darunter im Einzelnen erfasst?

Von einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG ist nach Auffassung des Gesetzgebers immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt sei, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Liegt diese Voraussetzung vor, seien auch Aufwandsentschädigungen unabhängig von ihrer Höhe unschädlich (BT-Drs. 18/2010, S. 15). 
  • Sind öffentliche Dienste ehrenamtlich leistender Personen, die Aufwandsentschädigungen über 200 Euro erhalten, wovon 1/3 bzw. mindestens 200 Euro nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei sind, in ihrer gesamten Tätigkeit vom Mindestlohn ausgenommen?

Ja, wenn es sich bei der Geldleistung nicht um eine adäquate Gegenleistung für die Tätigkeit handelt.
 
Das BMAS definiert im Wesentlichen auch nur allgemein. Es bezieht sich auf eine „Gesamtwürdigung”, die in der Praxis aufhorchen lässt, denn das Risiko, dass Sozialversicherungsprüfer einen Sachverhalt anders würdigen als die Wohlfahrtsverbände selbst, ist diesem Begriff immanent. Besondere Vorsicht ist geboten, weil das BMAS auf Gestaltungen Bezug nimmt, die es offensichtlich als Missbrauch ansieht. Das BMAS wörtlich:
  • Eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz dient, sondern Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen ist.
  • Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Ehrenamt vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Eine als ehrenamtlich oder freiwillig bezeichnete Tätigkeit kann sich daher als Arbeitsverhältnis darstellen. Ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls, dass der vermeintlich ehrenamtlich tätige Mensch in Wahrheit Arbeitnehmer ist, beispielsweise weil er einem umfangreichen Weisungsrecht seines Auftraggebers unterfällt, ist die Vereinbarung der Ehrenamtlichkeit rechtsunwirksam. In diesem Fall besteht tatsächlich ein Arbeitsverhältnis, das sich in rechtlicher Hinsicht von anderen Arbeitsverhältnissen nicht unterscheidet.
  • Auch sogenannte „unechte Freiwilligendienste” (zum Beispiel bei der Caritas), die außerhalb des Bundesfreiwilligengesetzes als Praktika oder Minijobs ausgestaltet sind, werden grundsätzlich vom Mindestlohn erfasst. Soweit diese Tätigkeiten „mindestlohnfrei” bleiben sollen, wären durch interessierte Träger die Möglichkeiten des Bundesfreiwilligengesetzes zu nutzen und ggf. mehr „echte” Freiwilligendienste anzubieten.
  • Bei „Quasi-Freiwilligen”, das heißt Personen, die aus einer gemeinnützigen Motivation heraus tätig werden, zugleich aber – aus steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen – als Minijobber angemeldet sind, handelt es sich demgegenüber regelmäßig um Arbeitnehmer (vgl. auch § 2 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz).
 
Im Bereich des Amateursports konnten die Verbände immerhin eine Einigung mit dem BMAS erzielen. Nach einer Pressemeldung des BMAS vom 23. Februar 2015 gilt:
 
Vertragsamateure im Fußball oder anderen Sportarten, die eine geringe Bezahlung für ihre Spieltätigkeit erhalten, fallen nicht unter das Mindestlohngesetz und haben dementsprechend auch keinen Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro. Das soll selbst dann gelten, wenn sie als Minijobber angemeldet sind.
 
Ehrenamtliche Trainer und Platzwarte dürfen demgegenüber nicht länger als Minijobber angemeldet sein, falls sie weniger als 8,50 Euro pro Stunde erhalten sollen. Man sei sich darüber einig, dass die Zahl der Minijobs im ehrenamtlichen Bereich bei anderen Tätigkeiten wie etwa Übungsleiter und Platzwarte reduziert werden solle, z.B. durch die Nutzung von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz, so die Ministerin. Gleiches soll etwa auch für ehrenamtliche Hüttenwarte von Wanderhütten gelten.
 
Bei all diesen offenen Fragen kommt für die ehrenamtlichen Vorstände von Vereinen und Stiftungen ein weiteres steuerliches und vereinsrechtliches Problem hinzu:
 
Vorstände werden in den meisten Fällen nicht als abhängig Beschäftigte im sozialversicherungsrechtlichen Sinne behandelt. Allein aus ihrer Organstellung ergibt sich das jedoch nicht. Die Rechtsprechung hat auch bereits Fälle entschieden, in denen Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung angenommen wurde.

Vereinsrechtlich gilt für Vorstände Folgendes: Ab dem 1. Januar 2015 wird durch eine gesetzliche Änderung in § 27 Abs. 3 BGB ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass der Vorstand (gemeint ist der Vorstand i.S.d. § 26 BGB) unentgeltlich tätig ist. Nach § 40 BGB kann die Satzung davon abweichen. Diese Gesetzesänderung stellt klar, was bisher aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bereits im Raum stand. Die Satzung müsste also regeln, dass dem Vorstand eine Vergütung gezahlt werden darf, wenn nicht von der Unentgeltlichkeit ausgegangen werden soll. Der Begriff der Vergütung bezieht sich hier auf eine Vergütung für aufgewendete Zeit. Die Erstattung von Auslagen ist auch ohne Satzungsregelung zulässig.
 
Die Problematik aus Sicht der Gemeinnützigkeit ist Folgende: die tatsächliche Geschäftsführung muss gem. § 59 AO den Vorgaben der Satzung entsprechen, andernfalls wird die Steuerbegünstigung nicht gewährt. Regelt die Satzung daher nichts zur Vergütung des Vorstandes, so dürfte dem Vorstand keine Vergütung gezahlt werden. Problematisch wird es dann, wenn dem Vorstand eine höhere Vergütung bezahlt werden muss, als vereinsrechtlich zugelassen wurde.
 
Abzuwarten bleibt, ob die haftungsrechtliche Seite aufgegriffen wird. Nach § 31a und § 31b BGB gelten Haftungserleichterungen für Organmitglieder und Vereinsmitglieder, die unentgeltlich für den Verein tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten, die 720 Euro jährlich nicht übersteigt. Ein gesetzlicher Anspruch auf Mindestlohn könnte auch hier nachteilige Folgen für Ehrenamtliche haben.
 
Diese Thematik wird jedoch gegenüber den allgemeinen Unklarheiten im Zusammenspiel von Ehrenamt und Mindestlohn seltener zum Tragen kommen.
 
Wir beraten Sie gerne bei Fragen zum Einsatz von Ehrenamtlichen und in steuerlicher, sozialversicherungsrechtlicher und zivilrechtlicher Hinsicht.
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